Die nachfolgende Predigt hat Kardinal Dr. Franz König am 15. August 1978 im spanischen Wallfahrtsort Torreciudad anläßlich der Priesterweihe von 60 Mitgliedern des Opus Dei aus 17 verschiedenen Nationen gehalten.
Vor der Homilie werden hier zusätzlich die liturgischen Einleitungsworte wiedergegeben, die Kardinal König nach Verlesung eines Briefes des damaligen Generalpräsidenten und späteren Prälaten des Opus Dei, Dr. Alvaro del Portillo, an die Kandidaten und die Teilnehmer an der liturgischen Feier richtete. In dieser Begrüßung gedachte der Wiener Oberhirte unter anderem auch Pauls VI., der einige Tage zuvor, am 6. August 1978, verstorben war.
Gestattet mir allem zuvor, ein paar Worte der Begrüßung an euch zu richten, die ihr heute zu Priestern des Opus Dei geweiht werdet, an eure Eltern und Verwandten und an alle, die in diesem für euer Leben so entscheidenden Augenblick mit euch sind; in einem entscheidenden Augenblick auch für das Leben der ganzen Kirche, wie der Vater euch soeben erklärt hat.
Deshalb wollen wir in dieser Zeremonie mit allen Kräften des Herzens die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria suchen, die heute mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, um für die ewige Seelenruhe des Heiligen Vaters, Papst Pauls VI., zu beten und für die Person, die der Heilige Geist zur Leitung unserer Mutter, der Kirche, nach Gottes Willen berufen wird. Und wir werden auch für euch bitten, liebe Weihekandidaten, damit ihr „immer treue, fromme, gelehrte, aufopferungsvolle und frohe Priester“ seid, wie euer Vater und Gründer das gewünscht hat.
Wir feiern heute das Hochfest der Aufnahme der allerseligsten Jungfrau Maria in den Himmel – die endgültige und vollkommene Verherrlichung der Mutter Gottes. Alle Feste unserer Herrin sind Tage innigen Jubels für die Christen. Aber heute gibt es einen ganz besonderen Anlaß für diese christliche Freude: die Priesterweihe einer großen Gruppe von Mitgliedern des Opus Dei – Anlaß zum Jubel für die ganze Kirche.
Wir sind in Torreciudad, in einem Marienheiligtum, dessen Bestand sich aus dem Glauben und der Liebe von Msgr. Escrivá de Balaguer zur allerseligsten Jungfrau erklärt, wenige Meter nur entfernt von der Gnadenstätte, zu der ihn seine Eltern von Barbastro heraufgebracht hatten, um der Mutter Gottes für die Heilung dessen zu danken, der nach Gottes Willen einen neuen und fruchtbaren Weg in der Geschichte der Kirche beschreiten sollte.
Vom Elternhaus Msgr. Escrivás de Balaguer, dessen wir in dieser glücklichen Stunde mit Dankbarkeit und Bewunderung gedenken, wendet sich unser Blick den Familien der Mitglieder des Opus Dei zu, die heute zu Priestern geweiht werden sollen – ganz besonders ihren Eltern.
Ihnen gilt unser Glückwunsch für die Ehre, die Gott ihnen erwiesen, und für das Vertrauen, das er ihnen geschenkt hat, ihnen gebührt die Dankbarkeit der ganzen Kirche, denn sie sind es, denen – wie der Gründer des Opus Dei gelehrt hat – ihre Kinder neunzig Prozent ihrer Berufung verdanken.
Ein neues Glied wird heute der bewundernswerten Kette von Priesterweihen angefügt, die Menschen gespendet werden, welche auf lange Jahre der Erfahrung in den verschiedensten Berufszweigen der Gesellschaft zurückblicken.
Diese ununterbrochene Reihe von Weihen stellt eine große Hoffnung dar, besonders in einer Zeit, da man überall auf der Welt die dringende Not an Priestern spürt. Die heutige Priesterweihe ist also ein weiteres Glied dieser Kette, zugleich aber hebt sie sich von den anderen ab, denn wir stehen im fünfzigsten Jahr der Geschichte des Opus Dei, in einem Jahr, das der gegenwärtige Generalpräsident des Werkes für die Mitglieder zum Marianischen Jahr erklärt hatte.
Deshalb legen wir jetzt unserer lieben Frau von Torreciudad unsere Dankbarkeit für die Gründung des Opus Dei zu Füßen, die gesteigert wird durch den Dank für diese Neupriester, die unser Herr in seiner Barmherzigkeit heute der Kirche schenkt.
Jeder Christ hat Anteil am allgemeinen Priestertum der Gläubigen, das er im Sakrament der Taufe empfängt. Und diese Mitglieder des Opus Dei bemühen sich seit Jahren, wie alle Töchter und Söhne von Msgr. Escrivá de Balaguer, darum, dieses Priestertum in die Tat umzusetzen, und zwar „mit einer wahrhaft priesterlichen Seele und echter Laienmentalität“, wie sich der Gründer stets ausgedrückt hat.
Aber das Weihesakrament gewährt eine neue, vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen wesentlich verschiedene Teilhabe am Priestertum Jesu Christi, der der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist (vgl. 1 Tim 2,5). Die Priester machen, um es genauer zu sagen, Christus auf Erden gegenwärtig, insofern er das Haupt der Kirche ist, von dem das übernatürliche Leben auf die Menschen herabsteigt und durch welches sich von den Menschen zu Gott Vater das Opfer des Lobes und Dankes, der Sühne und der Bitte erhebt; die heilige Messe. Und auf die heilige Messe, in der das Kreuzesopfer erneuert wird, ist das ganze Leben der Kirche hingeordnet.
Die Welt braucht dringend Priester, die das Wort Gottes mit Überzeugung verkünden – Priester, die – wie Msgr. Escrivá de Balaguer oft wiederholt hat – „nur von Gott sprechen“ und so dem menschlichen Geist die heilende, die befreiende Wahrheit (vgl. Joh 8,32) bringen; die einzige Wahrheit, die dem Leben und dem Tod, der Gesundheit und der Krankheit, der Freude und dem Schmerz einen Sinn verleiht.
Dringend nötig ist es auch, daß die priesterliche Tätigkeit der Predigt und der Seelenführung hauptsächlich darauf abzielt, die Menschen gut vorbereitet zum Empfang der Sakramente zu führen, allem zuvor der Allerheiligsten Eucharistie und der Buße.
„Der Priester ist in erster Linie“ – das sind Worte Seiner Heiligkeit Papst Pauls VI. – „auf die Feier des eucharistischen Opfers hingeordnet, bei dem er – in persona Christi et in nomine Ecclesiae – Gott auf sakramentale Weise das Leiden und den Tod unseres Erlösers darbringt, um es gleichzeitig zu übernatürlicher Nahrung für sich und die Gläubigen werden zu lassen“ (Ansprache, 21.2.1966, in „L'Osservatore Romano, 22.2.1966“, S. 1).
Wie für alle Christen ist auch für den Priester die Allerheiligste Eucharistie das Wichtigste im Leben, denn die heilige Messe bildet – wie der Gründer des Opus Dei immer gelehrt hat und wie später vom II Vatikanum verkündet wurde – die Mitte und die Wurzel des christlichen Lebens (vgl. Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 14).
Die Spendung des Bußsakramentes bildet eine weitere spezifische und wesentliche Aufgabe des Priesters (vgl. Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 13). Beim Bußsakrament erfüllt der Priester als Werkzeug Christi seine Aufgabe als Richter, der durch die Vergebung der Sünden die göttliche Barmherzigkeit austeilt; aber er handelt auch als Hirte und Lehrer, als Vater und Arzt der Seelen. In dieser unserer Welt, die – wie der Heilige Vater Paul VI. es formuliert hat – „sich nicht nur scheut, die Sünde als das zu betrachten, was sie ist, sondern sogar vermeidet, von ihr zu sprechen“ (Ansprache, 8.3.1972, „Insegnamenti di Paolo VI“, Band X, S. 223), muß die großzügige Verfügbarkeit des Priesters für die Spendung des Bußsakramentes immer mehr dazu beitragen, das eingeschläferte Sündenbewußtsein zu wecken und die Bedeutung des sittlich Bösen zu erfassen – und zwar als eines Übels, von dem Gott uns durch seine Barmherzigkeit befreit.
Liebe Weihekandidaten! Ihr wißt genau, was das Priestertum ist, das ihr empfangen sollt, und worin seine Sendung besteht. Ihr wißt es nicht nur auf Grund eurer theologischen Studien. Ihr wißt es, weil Gott euch die Gnade geschenkt hat, das Leben eines vorbildlichen Priesters gekannt und seine Lehre vernommen zu haben – das Leben und die Lehre eures Gründers, den auch ich persönlich gut gekannt habe und dessen Freundschaft mir zuteil geworden ist.
Deshalb möchte ich jetzt mit wenigen Worten zusammenfassen, was ich euch sagen möchte: Fragt euch unentwegt, in jedem Augenblick eures priesterlichen Wirkens: Wie würde unser Vater handeln? Und handelt dann genauso, mit der Gnade Gottes. Ahmt seine unerschütterliche Treue zu Gott, zur Kirche und zum Papst nach, die feste Milde seiner Frömmigkeit, die Erhabenheit und Klarheit seiner theologischen und juridischen Lehre, den Heroismus seiner Hingabe, die geprägt war von einer eifrigen und energischen Demut, die übersprudelnde Freude seines immer jungen Herzens.
Neben der Erinnerung an Msgr. Escrivá de Balaguer lebt in uns der Gedanke an seinen Nachfolger als Generalpräsident des Opus Dei, Don Alvaro de Portillo. Seiner Person gedenke ich jetzt in aufrichtiger Dankbarkeit für die Ehre, die er mir durch seine Einladung erwiesen, und die Freude, die er mir damit bereitet hat, dieser Generation von Priestern im Jubiläumsjahr des Opus Dei die bischöflichen Hände aufzulegen. Für euch, liebe Weihekandidaten, ist Don Alvaro, der jetzt euer Vater im Werk ist, der Inbegriff eines absolut treuen Sohnes Msgr. Escrivás de Balaguer. Deshalb stellt für euch die Einheit mit seiner Person und der Gehorsam ihm gegenüber eine klare Orientierungshilfe, eine sichere Führung für euren priesterlichen Dienst im Rahmen der spezifischen Tätigkeiten des Opus Dei dar, durch die ihr von nun an weiter Gott, der Kirche, dem Papst, den Bischöfen und allen Menschen dienen sollt. So möge es kommen, und darum bitten wir Gott auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, Turris Civitatis.