Betrachtungstext: 6. August – Fest Verklärung des Herrn

Die Verklärung, eine Botschaft der Hoffnung –  Ein Vorgeschmack auf das Paradies – Vom Tabor erneuert heruntersteigen

SECHS TAGE danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes zu sich und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht (Mt 17,1-2). Papst Benedikt kommentiert, dass Jesus den Aposteln seine Herrlichkeit vor seinem Leidensweg offenbart, „damit sie die Kraft haben, dem Ärgernis des Kreuzes entgegenzutreten, und verstehen, dass man durch viel Bedrängnis hindurchgehen muss, um ins Reich Gottes zu gelangen“1. Das Ereignis der Verklärung ist also eine Botschaft der Hoffnung für Momente des Kreuzes. Die Leiden – die kleinen und großen Widrigkeiten des Alltags – sind die Tür, durch die wir dazu gelangen, den Herrn in seiner Herrlichkeit zu begleiten. Der heilige Josefmaria beschrieb diese so: „Dich schauen, mit dir sprechen, mein Jesus! In dieser Schau verharren, versunken in deine unauslotbare Schönheit! Und niemals, niemals davon ablassen; dich sehen, du mein Christus!“2

Das Leben ist ein Weg zum Himmel. Und der Herr lehrte die Apostel, dass auf diesem Weg das Leiden nicht nur eine unvermeidliche Station ist, ein bitterer Tribut, den man gegen den eigenen Willen zahlen muss, sondern dass Jesus selbst das Kreuz auf sich genommen und aus Liebe auf seinen Schultern getragen hat. Er hat sich hingegeben, weil er es wollte. So zeigt er uns, dass das eigentliche Übel nicht so sehr darin liegt, Widrigkeiten zu erfahren, sondern zu glauben, dass wir sie alleine bewältigen müssen oder dass das Kreuz in unserem Leben keinen Platz haben darf. Der Gründer des Opus Dei gab uns demgegenüber zu bedenken: „Ist es nicht wirklich so, dass du dich glücklich fühlst und alle Belastungen, alle körperlichen oder seelischen Schmerzen überwindest, sobald du das Kreuz – das, was die Menschen Kreuz nennen – nicht mehr fürchtest und deinen Willen ganz mit dem göttlichen Willen vereinigst?“3 Die Hoffnung, Jesus in seiner Herrlichkeit zu sehen, wie es die Apostel bei der Verklärung tun konnten, wird uns mit Kraft erfüllen, um den Widerschein seines Antlitzes auch in den Herausforderungen des Alltags sehen zu können.


ALS PETRUS die Herrlichkeit der Verklärung sah, richtete er sich beglückt an Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija (Mt 17,4). Der Apostel hatte einen Vorgeschmack auf das Paradies verkostet, ein Glück, das weit über seine Erwartungen und Erfahrungen hinausging. Natürlich wünschte er – wie es wohl jeder von uns getan hätte –, dass dieser Moment ewig dauern und nicht so schnell vergehen möge, wie er gekommen war, so wie viele andere Freuden sich allzu rasch wieder auflösen. Doch Christus gewährte ihm diesen Wunsch nicht. Er hatte seinen Apostel nicht an der Herrlichkeit des Himmels teilhaben lassen, damit er sich der Wirklichkeit entziehe, sondern damit er einen Wegweiser für die bevorstehenden dunklen Tage der Passion habe. Papst Franziskus erläutert die Szene in diesem Sinn: „Die Schönheit Jesu entfremdet die Jünger nicht von der Wirklichkeit des Lebens, sondern gibt ihnen die Kraft, ihm bis nach Jerusalem und bis zum Kreuz zu folgen. Die Schönheit Christi entfremdet nicht, sie trägt dich weiter, sie lässt dich nicht zurückweichen: Du gehst weiter!“4

Auch wir können auf Erden manchen Vorgeschmack des Paradieses genießen, Momente, in denen wir die Gegenwart Jesu besonders stark spüren, vor allem in Menschen, die wir lieben. Auch in unserem Leben der Frömmigkeit können wir Phasen größeren emotionalen Genusses erleben. In der ehelichen Liebe, in der Familie, in der aufrichtigen Freundschaft oder in dem Wunsch, unsere Welt zu verbessern, können wir einen Teil des Hundertfachen verkosten, das Gott uns versprochen hat. Und es ist normal, dass wir wie Petrus wünschen, dass diese Momente für immer bleiben oder so lange wie möglich andauern mögen. Doch der Herr lässt diese Vorgeschmäcker des Himmels nicht zu, damit wir sie um jeden Preis festhalten, sondern um uns dadurch zu stärken. Die Erinnerung an diese kostbaren Momente wird uns Licht für die Momente der Finsternis schenken und uns zu einem dauerhafteren Glück führen als das der Verklärung: zur Herrlichkeit des ewigen Lebens. Der heilige Josefmaria weist uns auf das Verheißene hin: „Eine große Liebe erwartet dich im Himmel; sie kennt weder Verrat noch Betrug: die Liebe selbst, alle Schönheit, die ganze Fülle, alles Wissen ...! Und ohne Überdruss: Sie erfüllt und sättigt, ohne satt zu machen.“5


EINIGE wichtige Offenbarungen Gottes fanden auf dem Gipfel eines Berges statt. So beobachten wir, dass er den Bund mit Abraham auf dem Berg Morija schloss und die Gesetzestafeln an Moses auf dem Berg Sinai übergab. Der Tod Jesu ereignete sich ebenfalls auf einem Berg, dem Kalvarienberg. Und für die Verklärung mussten die Apostel, so hält es der Evangelist fest, auf den Berg Tabor steigen (vgl. Mt 17,1). Dieser Aufstieg lädt uns ein, wie Papst Franziskus sagte, „darüber nachdenken, wie wichtig es ist, von den weltlichen Dingen Abstand zu nehmen, um einen Weg in die Höhe zurückzulegen und Jesus zu betrachten. Es geht darum, uns für das aufmerksame und betende Hören auf den Messias, den geliebten Sohn des Vaters, bereit zu machen und Momente des Gebets zu suchen, die es gestatten, das Wort Gottes fügsam und voll Freude aufzunehmen.“6

In Zeiten der Erholung haben wir die Möglichkeit, aus dem Rhythmus des Alltags auszusteigen und auf die Stimme Jesu zu hören. Mit einem entspannten Leib und Geist können wir unsere Beziehung zu Gott und zu den anderen vertiefen: ruhiger und gelassener beten, das Evangelium lesen und mehr Zeit mit unserer Familie und unseren Freunden verbringen … Danach können wir, „gestärkt durch die Kraft des göttlichen Geistes“, wie Papst Franziskus sagt, den Berg wieder hinabsteigen, „um neue Schritte der Umkehr zu beschließen und beständig die Liebe als das Gesetz des täglichen Lebens zu bezeugen. Verwandelt durch die Gegenwart Christi und die Leidenschaft seines Wortes werden wir ein konkretes Zeichen der Leben spendenden Liebe Gottes für alle unsere Brüder und Schwestern sein.“7

Der heilige Josefmaria vertrat die Auffassung, dass wahre Erholung keine Flucht und auch keine Zeit sein soll, die ausschließlich dem Müßiggang gewidmet ist, sondern eine Trennung vom Alltag, um „Energien aufzuladen, Hoffnungen zu schöpfen, Pläne zu schmieden – kurz gesagt: die Art der Tätigkeit zu wechseln, um danach mit frischem Schwung zur gewohnten Arbeit zurückzukehren“8. Bitten wir Maria, uns zu helfen, solche Momente der Ruhe zu erleben – ob über einen längeren Zeitraum oder nur für kurze Augenblicke in unserem Alltag – mit dem Wunsch, Jesus anzuschauen, wie es die Apostel bei der Verklärung getan haben.


1 Benedikt XVI., Angelusgebet, 17.2.2008.

2 Hl. Josefmaria, Heiliger Rosenkranz, 4. Lichtreiches Geheimnis.

3 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 2. Station.

4 Franziskus, Angelusgebet, 5.3.2023.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 995.

6 Franziskus, Angelusgebet, 6.8.2017.

7 Ebd.

8 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 514.