Im Einklang mit der biblischen Tradition und dem kirchlichen Lehramt – das sich unter Leo XIII. dem Thema entschieden zuwandte – erinnerte der heilige Josefmaria an die hohe Würde der Arbeit. Sie liegt in der aktiven Mitwirkung des Menschen an der Vervollkommnung der geschaffenen Welt.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Thema Arbeit mit all seinen Dynamiken zunehmend Gegenstand vertiefter theologischer Reflexion. Auslösend war die industrielle Revolution mit ihren großen soziokulturellen Veränderungen. Es kam zu Spannungen unter den gesellschaftlichen Klassen. Das Leben in Familie und Gesellschaft nahm neue Formen an. Mit der Veröffentlichung der Enzyklika Rerum novarum (1891) – der ersten einer langen Reihe von Sozialenzykliken – legte Leo XIII. den Grundstein einer sich nach und nach entfaltenden kirchlichen Gesellschaftslehre. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entsteht eine „Theologie der irdischen Wirklichkeiten“, die bald mit der neu aufkommenden „Theologie des Laientums“ in Berührung kommt. In diesen Jahren vor und während des II. Vatikanischen Konzils experimentiert man mit neuen Formen der Pastoral, die darauf abzielen, das Evangelium in den veränderten Gesellschaften und Arbeitswelten zu verkünden.
II. Vatikanisches Konzil: Nachdenken über den christlichen Sinn der Arbeit
Die Frage nach dem Wert der Arbeit und der Rolle der menschlichen Tätigkeiten beim Aufbau des Reiches Gottes beschäftigen das Konzil und sind Gegenstand einer neuen und gründlichen Darstellung in der Konstitution Gaudium et spes, besonders Nr. 33-39. Die Konzilsväter scheuen nicht davor zurück, schwierige Fragen aufzuwerfen:
„Durch Arbeit und Geisteskraft hat der Mensch immer versucht, sein Leben reicher zu entfalten. Heute jedoch hat er, vor allem mit den Mitteln der Wissenschaft und der Technik, seine Herrschaft über beinahe die gesamte Natur ausgebreitet und breitet sie beständig weiter aus (…). Angesichts dieses unermesslichen Unternehmens, das schon die ganze Menschheit erfasst, stellen sich den Menschen viele Fragen: Was ist der Sinn und der Wert dieser angestrengten Tätigkeit?“ (Gaudium et spes, Nr. 33).
Um die Mitte des 20. Jahrhunderts erscheinen eine Reihe theologischer Werke, die sich mit diesen Fragen befassen. Einige Autoren bemühen sich bei der Ergründung des Sinns der Arbeit um eine christliche Sicht, die vom Paschageheimnis Christi erhellt wird, und fragen nach dem christlichen Beitrag zur Dynamik des gesellschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Worauf richtet sich die christliche Hoffnung? Auf den Aufbau des in der Geschichte bereits gegenwärtigen Reiches Christi, auf seine zukünftige Vollendung oder auf ein Ziel dazwischen? Woher kommt das Licht, das die menschlichen Tätigkeiten erhellt: aus dem Mysterium der Inkarnation oder aus ihrer eschatologischen Ausrichtung auf das himmlische Jerusalem?
Viele Theologen tragen durch ihre Reflexion zu dieser Debatte bei. Unter ihnen ragen hervor Gustave Thils mit seiner Théologie des réalités terrestres (1946); Marie-Dominique Chenu, Pour une théologie du travail (1955); Alfons Auer, Christsein im Beruf (1966); Johann Baptist Metz, Zur Theologie der Welt (1968); und Juan Alfaro, Hacia una teología del progreso humano (1969). Alle stimmen darin überein, dass das Wirken des Menschen in der Welt eine geistliche Dimension aufweist und der Mensch, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, aktiv und frei an Gottes Schöpfungsplan mitwirkt.
Karol Wojtyla: eine eigene „Theologie der Arbeit“
Im philosophischen und dichterischen Werk Karol Wojtylas und später in seinem päpstlichen Lehramt nimmt die menschliche Arbeit einen zentralen Platz ein. Als Professor für Ethik in Lublin beschäftigt er sich mit der immanenten Bedeutung der Arbeit für das Subjekt, also mit der Frage, was die Arbeit zur Würde der Person und zur Herausbildung ihrer Identität beiträgt. In seinem poetischen Werk unterstreicht er, dass die mit der Arbeit verbundene Mühsal zur Großzügigkeit und Zuwendung zu den Personen wird, denen sie dient, und damit Ausdruck der Liebe wird. Die Größe der materiellen Arbeit liegt somit nicht in ihrem Endprodukt, sondern im Subjekt, das sie vollzieht. Das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes bildet die Grundlage sowohl der Würde der arbeitenden Person als auch der Materie, die durch die Arbeit umgestaltet wird. Viele Elemente der „Theologie der Arbeit“ von Karol Wojtyla finden sich später in der Enzyklika Laborem exercens (1981) wieder, dem bislang umfangreichsten und gehaltvollsten Dokument des Lehramts über den menschlichen und christlichen Sinn der Arbeit.
Das Lehramt der Kirche hat die Fragen verfolgt, die sich aus dem gesellschaftlichen und technischen Fortschritt ergeben, und wendet ihnen weiterhin ihre Aufmerksamkeit zu, denn die menschliche Gesellschaft und die Dynamik des Arbeitslebens entwickeln sich rasch. Der außerordentliche Fortschritt des Menschen, sowohl was neue Erkenntnisse der Wirklichkeit als auch was ihre Umgestaltung betrifft, eröffnen bisher nicht bestehende Perspektiven, bringen aber auch Herausforderungen mit sich, die der moralischen Orientierung bedürfen.
Hl. Josefmaria: eine spezifische Sicht auf die Arbeit
Verschiedene Autoren haben die Lehren des heiligen Josefmaria über die Arbeit untersucht und sie dabei in den theologischen und gesellschaftlichen Rahmen seiner Epoche gestellt.[1] In seinen Schriften setzt er sich nicht mit der Theologie seiner Zeit auseinander und versucht auch nicht, die Lehren des II. Vatikanums weiterzuentwickeln. Dennoch bietet der Gründer des Opus Dei eine spezifische Sicht der Arbeit, die eine aufmerksame Untersuchung verdient. Die Gründungsgnade, die er empfangen hat, führt ihn zu einem vertieften Verständnis der biblischen Botschaft über das Wirken des Menschen in der Welt und gewährt ihm neue Einsicht in die Logik der Menschwerdung.
Der Gründer des Opus Dei kommentiert ausführlich die Aussagen der Heiligen Schrift über die menschliche Arbeit, besonders die des Buches Genesis, im Kontext der Erschaffung des Menschen und des von Gott erhaltenen Gebotes, die Erde zu bebauen und zu bevölkern (vgl. Freunde Gottes, Nr. 57; Christus begegnen, Nr. 47). Die Welt, die Erde und die Materie sind gute Wirklichkeiten, weil sie aus den Händen Gottes hervorgegangen sind, und der Mensch ist dazu berufen, mit ihnen umzugehen unter Beachtung der Zielsetzung, die ihnen nach Gottes Plan zukommt (vgl. Christus begegnen, Nr. 112; Gespräche, Nr. 114). Der heilige Josefmaria bezieht sich auch oft auf die Weisheitsbücher, insbesondere ihr Lob der menschlichen Tugenden, der gut verrichteten Arbeit und der weisen Verwaltung der Welt, über die Gott den Menschen verfügen lässt.
Im Hinblick auf die neutestamentliche Heilsökonomie, die durch die radikale Neuheit der Inkarnation des Wortes geprägt ist, hebt der heilige Josefmaria oftmals hervor, dass Jesus von Nazareth, wahrer Gott und wahrer Mensch, mit der Annahme der menschlichen Natur auch die Arbeit angenommen hat. In der Werkstatt Josefs hat er gelernt, als tektón, als Handwerker, zu arbeiten (vgl.Christus begegnen, Nr. 55). Um den christlichen Sinn der Arbeit als Weg der Heiligung inmitten der Welt zu erläutern, pflegt der heilige Josefmaria auch auf das Beispiel der ersten Christen zu verweisen. Sie folgten dem Beispiel Jesu und der Apostel, verrichteten die verschiedensten ehrbaren Tätigkeiten, gestalteten durch die Liebe Christi die Gesellschaft um, in der sie lebten, und machten sie humaner (vgl. Gespräche, Nr. 24; Die Spur des Sämanns, Nr. 320, 490).
Die Arbeit im Zentrum der Verkündigung des Opus Dei
Das Mittelalter hatte keine eigentliche „Spiritualität der Arbeit“ entwickelt, und die Neuzeit tendierte dazu, den Menschen in Gegensatz zu Gott zu stellen, indem sie die Größe der menschlichen Vernunft hervorhob und seine technischen Fähigkeiten zur Begründung seiner Würde und seiner Autonomie gegenüber der Autorität des Schöpfers heranzog. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat keine dieser geschichtlichen Epochen einen theologischen oder spirituellen Rahmen geschaffen, innerhalb dessen der Mensch als Mitarbeiter mit der Schöpfermacht Gottes gesehen wurde – als jemand, der mit seiner Arbeit am Projekt Gottes für seine Schöpfung beteiligt ist. Der heilige Josefmaria hingegen ist davon überzeugt, dass die Gründung, mit der Gott ihn in der Kirche beauftragt hat, gerade diese neue Sicht der Arbeit miteinschließt bzw., besser gesagt, eine Perspektive eröffnen soll, die im Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war.
„Die Arbeit ist Teilhabe am Schöpfungswerk, sie ist Band der Einheit mit den anderen Menschen und Mittel, um zum Fortschritt der ganzen Menschheit beizutragen, sie ist Quelle des Unterhalts für die eigene Familie, Gelegenheit zur persönlichen Vervollkommnung, und sie ist – das muss unbedingt sehr klar gesagt werden – Weise und Weg der Heiligkeit, zu heiligende und heiligende Wirklichkeit“ (Brief 14, Nr. 4).
Die Würde der Arbeit ist einerseits im Gebot verankert, das Gott unseren Stammeltern gegeben hat, im Neuen Testament andererseits in der Arbeit, die das fleischgewordene Wort im Alltagsleben der Heiligen Familie von Nazareth auf sich genommen hat. Diese Sichtweise hervorzuheben ist integrierender Bestandteil der Sendung, die im Verständnis des heiligen Josefmaria seiner Neugründung zukommt:
„Der Herr rief im Jahre 1928 das Opus Dei ins Leben, damit es die Christen daran erinnern helfe, dass nach dem Wort der Genesis Gott den Menschen schuf, damit er arbeite. Wir sind gekommen, um von neuem auf das Beispiel Christi aufmerksam zu machen, der dreißig Jahre lang in Nazareth gearbeitet und ein Handwerk ausgeübt hat. Unter den Händen Christi wird die Arbeit – eine berufliche Arbeit, wie sie Millionen von Menschen in der ganzen Welt verrichten – zu einem göttlichen Werk, zu einer Erlösungstat und zu einem Weg des Heils“ (Gespräche, Nr. 55).
Kreative Mitwirkung an der fortschreitenden Schöpfung
Es ist möglich, die menschliche Arbeit als Teilhabe an der Schöpfermacht Gottes zu verstehen, wenn man anerkennt, dass die Schöpfung zuinnerst eine historische Dimension aufweist, dass sie gleichsam unterwegs ist, sich in statu viae befindet und daher dazu bestimmt ist, gerade durch die Arbeit ihrem Ziel zugeführt zu werden. Ein Punkt des Katechismus der katholischen Kirche (1997) erhellt überraschend diesen Aspekt: „Die Schöpfung hat ihre eigene Güte und Vollkommenheit. Sie ging jedoch aus den Händen des Schöpfers nicht ganz fertig hervor. Sie ist so geschaffen, dass sie noch auf dem Weg [in statu viæ] zu einer erst zu erreichenden letzten Vollkommenheit ist, die Gott ihr zugedacht hat“ (KKK, Nr. 302). Das II. Vatikanische Konzil hatte diese Perspektive klar aufgezeigt und in einigen Passagen der Pastoralkonstitution Gaudium et spes in der Absicht entfaltet, den Wert der menschlichen Tätigkeiten, ihre legitime Autonomie und ihre Erhebung zum Paschageheimnis Jesu Christi durch die Liebe darzustellen:
„Eines steht für die Glaubenden fest: das persönliche und gemeinsame menschliche Schaffen, dieses gewaltige Bemühen der Menschen im Lauf der Jahrhunderte, ihre Lebensbedingungen stets zu verbessern, entspricht als solches der Absicht Gottes. (…) Männer und Frauen, die, etwa beim Erwerb des Lebensunterhalts für sich und ihre Familie, ihre Tätigkeit so ausüben, dass sie ein entsprechender Dienst für die Gemeinschaft ist, dürfen überzeugt sein, dass sie durch ihre Arbeit das Werk des Schöpfers weiterentwickeln, dass sie für die Wohlfahrt ihrer Brüder sorgen und durch ihre persönliche Bemühung zur geschichtlichen Erfüllung des göttlichen Plans beitragen“ (Gaudium et spes, Nr. 34).
Wenn der Mensch das Werk des Schöpfers weiterführt, hat er als Kreatur zwar nicht Anteil an der Transzendenz des göttlichen Schöpfungsaktes, aber er wirkt an seiner Fortdauer in der Zeit mit. Diese seine Mitwirkung ist Teil der Entfaltung der in der Geschichte weiter fortschreitenden Schöpfung. Und seine Beteiligung ist kreativ und damit Widerschein der Tatsache, dass er Bild und Gleichnis Gottes ist.
Arbeit: weder Folge der Erbsünde noch Erfindung der Neuzeit
Wenn man die Arbeit als Teilhabe an der göttlichen Macht begreift und darstellt, hört sie auf, eine bloß äußerliche und vorübergehende Tätigkeit zu sein, die auf die Stillung materieller Bedürfnisse beschränkt bleibt. Sie ist dann nicht eine bloße Last, die dem Menschen unausweichlich aufgebürdet ist und als Quelle von Anstrengung und Stress empfunden wird. Auch wenn man häufig einer solchen Sicht begegnet, beruht sie auf theologisch und anthropologisch irrigen Prämissen:
„Es muss uns deshalb klar sein, dass die Arbeit eine großartige Wirklichkeit und zugleich ein unausweichliches Gesetz ist, dem alle Menschen, mögen sich auch manche für nicht betroffen halten, auf die ein oder andere Weise unterworfen sind. Prägt es euch gut ein: Die Pflicht zu arbeiten ist weder eine Folge der Erbsünde noch eine Erfindung der Neuzeit. Die Arbeit ist vielmehr das notwendige Existenzmittel, das Gott uns auf Erden anvertraut. Er gibt uns die Tage und lässt uns an seiner Schöpfermacht teilhaben, damit wir uns den Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig Frucht für das ewige Leben (Joh 4,36) sammeln: Der Mensch wird geboren zur Arbeit wie der Vogel zum Flug (Ijob 5,7)“ (Freunde Gottes, Nr. 57).
Das Christentum lädt daher ein, unsere Einstellung zur Arbeit zu überdenken. Es wäre reduktiv, sie nur als eine unabweisliche Notwendigkeit zu betrachten, der wir uns am liebsten entziehen würden, oder als Hemmnis für die Verwirklichung unserer Wünsche und unserer Persönlichkeit. Die biblische Anthropologie stellt sie vielmehr als intelligenten Beitrag zum Fortschritt der Schöpfung dar, als kreatives Gebot, das Gott den ersten Menschen vor dem Sündenfall gegeben hat:
„Vom Augenblick seiner Erschaffung an hat der Mensch arbeiten sollen. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Man braucht bloß die ersten Seiten der Heiligen Schrift aufzuschlagen. Dort lesen wir, dass – bevor die Sünde in die Welt eindrang und bevor Tod, Leid und Elend als Folgen der Sünde über die Menschheit kamen – Gott Adam aus dem Lehm der Erde gebildet und für ihn und seine Nachkommen eine herrliche Welt erschaffen hatte: ut operaretur et custodiret illum (Gen 2,15), damit er sie bearbeite und behüte“ (Freunde Gottes, Nr. 57).
Weiterführung der Schöpfung erfolgt nicht von selbst ein
Die Weiterführung der Schöpfung durch die eigene Arbeit ist jedoch kein automatischer Vorgang. Es geht nicht darum, die menschliche Arbeit gleichsam mechanisch dem die Geschichte durchwirkenden göttlichen Schöpferakt einzufügen. Um durch die Arbeit am Schöpfungswerk teilzunehmen, muss der Mensch gegenüber dem Heiligen Geist, dem Schöpfergeist, fügsam sein und sich mit Jesus Christus vereinigen, unter dem als Haupt die Welt geeint und mit Gott versöhnt wird. Um tatsächlich zum göttlichen Werk der Schöpfung, der Erlösung und der Heiligung beizutragen, muss man im Stand der Gnade sein, der die Liebe zu Gott in ihrer Tatsächlichkeit unter Beweis stellt. Kurzum, nur wenn wir Männer und Frauen des Gebetes sind, indem wir die Arbeit in Gebet verwandeln (vgl.Die Spur des Sämanns, Nr. 497; Freunde Gottes, Nr. 64-67), wird sie zum „Punkt der Begegnung unseres Willens mit dem Heilswillen unseres himmlischen Vaters“ (Brief 6, Nr. 13).
Ein derart anspruchsvolles Programm kann verwirklicht werden, wenn die Arbeit das Gebetsleben dessen erfüllt, der sie verrichtet, also Gegenstand seines Dialogs mit Gott wird. Nur so kann der Wille des arbeitenden Menschen eins werden mit dem Willen Gottes, denn nur dann begreift er, wo und wie er die Liebe und die anderen Tugenden üben soll, erhält er Licht, um im Gewissen Klarheit zu finden, und richtet sein ganzes Tun auf die Wahrheit und das Gute aus. So entstehen Pläne im Dienst des Gemeinwohls und der Ausbreitung des Evangeliums Jesu Christi.
Der Welt die Gestalt Christi geben
Ein Christ, der über die Arbeit nachsinnt und sie zum Gegenstand seines persönlichen Gebetes macht, kann lernen, sein Tun in das Werk der Schöpfung und der Erlösung einzufügen. Wenn er den Eingebungen des Heiligen Geistes folgt, kann er die Welt umformen, ihr die Gestalt Jesu Christi geben und so die menschliche Arbeit in opus Dei, in Arbeit Gottes verwandeln. Das ist der tiefe Sinn der Aussage, dass die Arbeit die Achse ist, um die Heiligkeit und Apostolat bei jenen kreisen müssen, die sich der neuen Gründung anschließen, die Gott durch den heiligen Josefmaria erwecken wollte (vgl. Brief 31, Nr. 10-11).
Die zentrale Bedeutung der Arbeit ist nicht zufällig, denn die Tugenden und das Apostolat entfalten sich normalerweise innerhalb der Beziehungen und an den Orten, die das Berufsleben des Einzelnen bestimmen. Diese Zentralität hat Projektcharakter, denn es geht darum, dass der Christ die irdischen Wirklichkeiten auf Gott auszurichten sucht gerade von den Dingen her, die er durch seine Arbeit plant, verwirklicht und voranbringt.
Wir befinden uns in einer werdenden Welt, in einer offenen Geschichte. Es gilt daher, auf den Geist zu hören, um innerhalb der sich wandelnden Situationen zu verstehen, wie man der menschlichen Arbeit die Gestalt Christi verleihen kann. „Wenn ihre eure Arbeit beginnt, egal welcher Art sie ist, dann prüft in der Gegenwart Gottes, ob der Geist, der diese Arbeit inspiriert, wirklich christlicher Geist ist. Und habt dabei vor Augen, dass der Wandel der historischen Umstände – mit den Anpassungen, die sich für die Gestaltung der Gesellschaft daraus ergeben – zur Folge haben kann, dass etwas, das zu einem bestimmten Zeitpunkt gerecht und gut war, auch einmal aufhört, gerecht und gut zu sein“ Brief 29, Nr. 18). Der Mensch ist noch unterwegs zur Stadt Gottes und ist aufgrund seiner Taufberufung dazu angehalten, die Stadt der Menschen aufzubauen (vgl. Freunde Gottes, Nr. 210). Alles, was zum Fortschritt der Menschen beitragen kann, ist daher zu schätzen: Information, Technik, Kunst, Wissenschaft (vgl. Die Spur des Sämanns, Nr. 293).
Fortschritt und Forschung unter positiven Vorzeichen
Die positive Wertung des Fortschritts und der wissenschaftlichen Forschung ergibt sich aus dem Verständnis der Arbeit als Teilhabe an Gottes Projekt für die Welt und übersieht nicht die berechtigte Sorge um die ethischen Fragen, die der wissenschaftliche und technische Fortschritt aufwerfen kann. Einer christlichen Haltung entspricht es jedoch, das Augenmerk besonders auf die Bildung und die Tugenden zu richten, um bei der Suche nach dem Wahren und Guten verantwortlich handeln zu können. Für den Christen bedeutet das, dass er nach einer reifen Synthese von Glauben und Wissen, von Ethik und Technik sowie von wissenschaftlichem und menschlichem Fortschritt strebt. Dazu drängt sowohl der christliche Optimismus als auch die leidenschaftliche Liebe zur Welt, die gut aus Gottes Händen hervorgegangen ist und dem Menschen zur Obsorge und Vervollkommnung durch die Arbeit anvertraut wurde (vgl. Gespräche, Nr. 23, 116-117).
„Der Herr hat gewollt, dass wir, seine Kinder, die wir die Gnade des Glaubens empfangen haben, die ursprüngliche, der Liebe Gottes entströmende Freude an der Schöpfung bezeugen“ (Im Feuer der Schmiede, Nr. 703).
Der heilige Josefmaria hat durch seine Gründung einen spezifischen Weg der Heiligkeit in der Kirche erschlossen, bei der die Arbeit in den Plänen Gottes eine herausragende Rolle spielt. Das tritt nicht nur in seinen zahlreichen Lehren über den geistlichen und theologischen Gehalt der Arbeit zutage, sondern spiegelt sich auch in den vielen Werken wider, die seine Söhne und Töchter unter seinem Antrieb auf der ganzen Welt ins Leben gerufen haben.
Teilhabe als Geschenk Gottes
Die Vermittlung einer positiven Auffassung von der Würde der Arbeit, wie sie uns durch die Schriften und die Predigt des Gründers des Opus Dei geboten wird, hat sehr wichtige Konsequenzen für die Psychologie des modernen Menschen, sein gesellschaftliches Leben und die Gestaltung seiner Zeit. In der Tat ist die Arbeit nach wie vor ein Feld der Spannungen und der Herausforderungen. Sie führt zu Konflikten, die wir erkennen und lösen müssen, etwa zwischen Beruf und Familie oder zwischen Arbeitseinsatz und notwendiger Erholung. Außerdem ist es schwierig, sich an eine auf Gerechtigkeit beruhende Ethik zu halten, wenn die menschlichen Beziehungen nicht selten durch Egoismus, Selbstbehauptung und übertriebenes Gewinnstreben geprägt sind.
All das lässt verstehen, dass die Mitwirkung an der Hinlenkung einer in statu viae geschaffenen Welt auf ihr Ziel auch verlangt, dass man wieder ordnet, was aus den Fugen geraten ist, und dass die Wunden geheilt werden, die die Sünde geschlagen hat. Mit einem Wort, sie verlangt Teilhabe am Erlösungswerk Christi (vgl. Christus begegnen, Nr. 65, 183). Eine solche Teilhabe ist ein Geschenk Gottes, und sie wird nur möglich, wenn der Mensch im eigenen Leben die Sünde von sich weist und als Sohn bzw. Tochter Gottes, vom Geist geleitet, in der Gnade lebt. Im nächsten Artikel sollen einige Erwägungen zur historischen Dimension des menschlichen Wirkens angestellt werden, die die Arbeit als Schnittpunkt von Schöpfung und Erlösung erscheinen lassen.
[1] J.L. Illanes, La santificación del trabajo (1980); „Trabajo“ (2013), in Diccionario de san Josemaría Escrivá de Balaguer; Ante Dios y en el mundo. Apuntes para una teología del trabajo (1997); P. Rodríguez, Vocación, trabajo, contemplación (1986); E. Burkhart - J. López, Alltag und Heiligkeit in der Lehre des heiligen Josefmaria, Band III, Kap. 7 (2017); G. Faro, Il lavoro nell’insegnamento del Beato Josemaría Escrivá (2000); A. Aranda, „Identidad cristiana y configuración del mundo. La fuerza configuradora de la secularidad y del trabajo santificado“ (2002), in La grandezza della vita quotidiana, vol. 1.
Andere bisher erschienene Beiträge aus der Reihe „Unterwegs zur Hundertjahrfeier“
- Teil 1: Berufung, Sendung und Charisma Die Besonderheit der Berufung im Opus Dei im Kontext der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, das Spezifikum der Sendung des Opus Dei in der Kirche und der Zusammenhang von Berufung, Sendung und Charisma – ein Überblick.
- Teil 2: Die spezifische Sendung des Opus Dei aus der Warte des heiligen Josefmaria Dieser zweite Artikel in der Reihe zur Vorbereitung auf die Hundertjahrfeier soll ein tieferes Verständnis vom spezifischen Ziel und Auftrag des Opus Dei ermöglichen. Die Originaltexte stammen aus persönlichen Betrachtungen und Lehren des Gründers.
- Teil 3: Eine christologische Sicht der Arbeit Inspiriert von der Heiligen Schrift und dem Geheimnis der Menschwerdung lehrte der heilige Josefmaria, dass die Arbeit nicht nur ein möglicher, sondern ein vorzüglicher Ort ist, um die Heiligkeit zu erlangen.
Diese Artikelreihe wird koordiniert von Prof. Giuseppe Tanzella-Nitti. Er wird von mehreren Mitarbeitern unterstützt, darunter einigen Professoren und Professorinnen der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz (Rom).