In seiner neuen Enzyklika Dilexit nos (24.10.2024) spricht Papst Franziskus von der großen Bedeutung des Herzens gerade heute, wo der Mensch in einer immer mehr technisierten und von Rationalisierungen beeinflussten Lebenswirklichkeit lebt, in der möglichst alle Abläufe optimiert werden und damit das Menschliche, das stets mit naturgegebenen Beschränkungen und Schwankungen einhergeht, zur Seite gedrängt wird.
Der Mensch ist in Gefahr, seine eigene Mitte zu verlieren
Indem der Heilige Vater zwei Mal seinen heiligen Vorgänger Johannes Paul II. zitiert, meint er: „Wir bewegen uns in einer Gesellschaft von Serienkonsumenten, die in den Tag hineinleben und von den Rhythmen und dem Lärm der Technologie beherrscht werden, ohne viel Geduld für die Prozesse, die die Innerlichkeit erfordert. In der heutigen Gesellschaft läuft der Mensch »Gefahr, den Mittelpunkt, seine eigene Mitte zu verlieren«. »Der Mensch von heute ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft. Vielverbreitete Verhaltensmodelle verschärfen die technologisch-rationelle oder, umgekehrt, triebmäßige Dimension«. Es fehlt das Herz.“ (Nr. 9)
Die Verbindung mit dem Herzen Christi macht „soziale Wunder“ möglich
Der Papst verweist in seiner vierten Enzyklika auf das Herz Jesu Christi, dem sich unser menschliches Herz zuwenden muss, damit die eigene Person zu einer gesunden Harmonie finden und als gefestigter Mensch zu einem harmonischen Miteinander wirksam beitragen kann: „Nur vom Herzen her werden unsere Gemeinschaften in der Lage sein, die verschiedenen Einsichten und Willen zu vereinen und zu befrieden, auf dass der Geist uns als ein Netz von Brüdern und Schwestern leiten kann, denn auch die Befriedung ist eine Aufgabe des Herzens. Das Herz Christi ist Ekstase, ist Hinausgehen, Geschenk und Begegnung. In ihm werden wir fähig, auf gesunde und glückliche Weise miteinander in Beziehung zu treten und in dieser Welt das Reich der Liebe und der Gerechtigkeit aufzubauen. Wenn unser Herz mit dem Herzen Christi vereint ist, ist es zu diesem sozialen Wunder fähig.“ (Nr. 28)
Innerlichkeit bedeutet, sich dem Herzen Jesu nähern
Eine Menschheit, die verschiedene globale Krisen durchläuft, braucht Besinnung und eine innige Beziehung zu ihrem Schöpfer und Erlöser. Sie braucht eine neue Innerlichkeit. Das Herz Jesu repräsentiert das Innerste der Liebe Gottes zu uns Menschen. Sich ihm nähern bedeutet nach Franziskus, sich der Liebe Gottes nähern (vgl. Nr. 49).
Herz Jesu? Kann ich nichts mit anfangen! Wohl jeder von uns kennt Herz-Jesu-Darstellungen, aber viele von uns tun sich vielleicht schwer, ihnen etwas für das eigene christliche Leben abzugewinnen und eine persönliche Beziehung zum Herzen unseres Erlösers zu pflegen.
Die Herz-Jesu-Verehrung hat eine lange Tradition in der Kirche
Franziskus möchte uns helfen zu verstehen, dass die Kirche auf eine lange und bewährte Tradition der Herz-Jesu-Verehrung zurückblickt, die viele gute und heilige geistige Früchte hervorgebracht hat. Er erwähnt dabei einige heilige Männer und Frauen, welche maßgeblich zur Herz-Jesu-Verehrung in der Kirche beigetragen haben (vgl. Nr. 102ff, insb. 109ff), prominent hier Franz von Sales und Margareta Maria Alacoque. Bedeutende Frauen wie Getrud von Helfta und Mechthild von Schlesien gingen ihnen im Mittelalter voraus und prägten eine lange Tradition dieser Frömmigkeit.
„Herz Jesu“ meint die Lebensmitte des Herrn und seine unermessliche Liebe zu uns
Im 3. Teil seiner Enzyklika möchte der Papst Vorbehalte abbauen und Missverständnissen entgegentreten, wenn er dazu zunächst klarstellt:
„Die Verehrung des Herzens Christi ist nicht ein von der Person Jesu losgelöster Kult um ein Organ. Das, was wir betrachten und anbeten, ist der ganze Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, dargestellt in einem Bild, das sein Herz besonders betont. In diesem Fall wird das fleischliche Herz als Bild oder bevorzugtes Zeichen der innersten Mitte des menschgewordenen Sohnes und seiner sowohl göttlichen als auch menschlichen Liebe betrachtet, weil es mehr als jedes andere Organ seines Leibes »ein natürliches Zeichen oder Sinnbild seiner unermesslichen Liebe« ist.“ (Nr. 48)
Das Christkönigsfest ist ein Anlass, Christus, dem König, für seine Liebe zu uns zu danken
Auch dem heiligen Josefmaria war die Hinwendung und Verehrung des Herzens Jesu ein wahres Herzensanliegen, weshalb er ihm unter anderen eine lange und tiefgründige Predigt unter dem Titel Christi Herz, Frieden des Christen (17.6.1966) gewidmet hat. Zudem bestimmte er, an jedem letzten Sonntag des kirchlichen Jahreskreises, dem Hochfest Christkönig, das Opus Dei ausdrücklich dem Herzen Jesu zu weihen, wozu er eigens ein Weihegebet verfasst hatte und die Weihe im Jahre 1952 erstmals vollzog. Jesu Herz ist ein königliches Herz, das für sein Volk schlägt. Es schlägt in dem, der diesem Volk bis zum Äußersten gedient hat. Deshalb liegt es nahe, sich am Christkönigsfest dem Herzen des wahren Königs besonders zuzuwenden.
Der Begriff „Herz“ scheint nicht in unsere mechanistische Welt zu passen
Dies fällt nicht allen leicht. Der Heilige wusste, dass einige katholische Christen mit dem Ausdruck Herz Jesu nichts anfangen können und sich daran stoßen. Dies ist Franziskus ebenso bekannt, wenn er in seiner Enzyklika das Verständnis verbessern will und erklärt:
„Jenseits der Frage des verwendeten Bildes steht fest, dass die Anbetung dem lebendigen Herzen Christi – und niemals einem Bild – gilt, denn es ist Teil seines heiligsten und auferstandenen Leibes, der nicht vom Sohn Gottes getrennt werden kann, der ihn für immer angenommen hat. Es wird als das »Herz der Person des Wortes, mit dem es untrennbar geeint ist« verehrt. Wir beten es nicht für sich allein an, sondern insofern, als mit diesem Herzen der fleischgewordene Sohn selbst lebt, liebt und unsere Liebe empfängt. Strenggenommen wird daher jeder Akt der Liebe oder der Anbetung seinem Herzen gegenüber »wahrhaft und eigentlich Christus selbst dargebracht«, denn diese Darstellung verweist unmittelbar auf ihn und ist »Symbol und Ebenbild der unendlichen Liebe Jesu Christi«.“ (Dilexit nos, Nr. 50)
Bei der Herz-Jesu-Verehrung geht es um wirkliche Frömmigkeit, Bekehrung und Hingabe
Dem Priester Josefmaria waren die Vorbehalte und Vorurteile, die der Herz-Jesu-Verehrung entgegenschlugen, nicht unbekannt. In der besagten Predigt unterstrich er daher die Würde und den Wert der Hinwendung an das Herz Jesu und munterte die Gläubigen auf, alle falsche Scheu zu überwinden:
„Wirkliche Frömmigkeit war immer und ist auch heute eine lebendige Haltung, menschlich und übernatürlich zugleich. Ihre Früchte waren immer und sind auch heute Früchte der Bekehrung, der Hingabe, der Erfüllung des göttlichen Willens, der liebenden Vertiefung in die Geheimnisse der Erlösung.“ (Christus begegnen, Nr. 163)
Das Herz Jesu steht für die Liebe Gottes zu den Menschen
Ausführlicher begegnet Papst Franziskus den Problemen rund um das Herz Jesu (Nr. 49ff.), und seine Worte zu lesen kann helfen, unnötige innere Hindernisse zu überwinden, um in der Liebe zu Christus auch auf diesem Wege der Hinwendung an unseren Erlöser zu wachsen. Dieses innere Wachstum ist allerdings ein Gnadengeschenk und kommt uns zu durch die Liebe Gottes, die fleischgewordene Liebe Gottes. Escrivá bringt den Zusammenhang zwischen Herz und Liebe Gottes auf diese Weise ins Wort:
„Die Fülle Gottes offenbart und schenkt sich uns in Christus, in der Liebe Christi, im Herzen Christi: Denn es ist das Herz dessen, in dem die ganze Fülle der Gottheit wesenhaft wohnt (Kol 2,9).“ (ebd.)
Heilige haben sich im Gebet häufig an Jesu Herz gewendet
Der heilige Josefmaria wandte sich oft an das Herz Jesu und warb bei den Menschen dafür, es ihm gleichzutun. Ein letztes Zitat von ihm zum Schluss lässt leicht verstehen, weshalb Papst Franziskus als oberster Hirt der Kirche in seiner bislang letzten Enzyklika unseren Blick ausgerechnet auf das Herz Jesu gelenkt hat:
„Wieviel Reichtum liegt in diesen Worten: Heiligstes Herz Jesu. Wenn wir vom menschlichen Herzen sprechen, meinen wir nicht allein die Gefühle, sondern die ganze Person, die liebt und sich anderen zuwendet. Im Sprachgebrauch der Menschen, den die Heilige Schrift übernimmt, um uns die Dinge Gottes verständlich zu machen, ist das Herz Mitte und Ursprung, Ausdruck und Urgrund der Gedanken, Worte und Handlungen. Man kann es so ausdrücken: Ein Mensch ist wert, was sein Herz wert ist.“ (Christus begegnen, Nr. 164)
Jesu Herz hat für die Erlösung gebrannt und wurde für die Menschen durchbohrt
Lassen wir diese Beschäftigung rund um das Herzen Jesu mit Worten des Papstes ausklingen, die uns in gewisser Weise an die Orte mitnehmen, in denen unser Heil gewirkt wurde, maßgeblich durch das hingebende Zusammenwirken zweier Herzen – von Jesus und Maria:
„Dieser Christus mit dem durchbohrten und brennenden Herzen ist derselbe, der in Betlehem aus Liebe geboren wurde; er ist derjenige, der durch Galiläa zog und Heil, Zärtlichkeit und Barmherzigkeit verbreitete; er ist derjenige, der uns bis zur Vollendung liebte, indem er am Kreuz seine Arme ausbreitete. Schlussendlich ist er derselbe, der auferstanden ist und in Herrlichkeit unter uns lebt.“ (Nr. 51)