Stephansdom: „Heilige Maria, Stern des Ostens, hilf deinen Kindern“

Am 4. Dezember 1955 wandte sich der hl. Josefmaria erstmals mit diesen Worten an die Muttergottes vor dem Gnadenbild Maria Pötsch – im Gebet für Kirche und Religionsfreiheit.

Gedenktafel rechts vom Maria Pötscher-Altar im Wiener Stephansdom

Anfang Mai 1955 fuhr der hl. Josefmaria zum ersten Mal nach Wien, um die Möglichkeiten für einen Beginn der apostolischen Arbeit des Opus Dei in Österreich zu erkunden und dafür zu beten. Damals war das Land noch unter Kontrolle der Truppen der vier Besatzungsmächte, die sich wenig später – nach Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags – zurückzogen. Nun bereiste der hl. Josefmaria am 3. Dezember erneut die Stadt. Er feierte am 4. Dezember 1955 die Heilige Messe im Wiener Stephansdom und betete nach der Danksagung voll Andacht vor dem Gnadenbild Maria Pócs (deutsch: Maria Pötsch). Dabei wandte er sich erstmals mit dem Stoßgebet „Sancta Maria, Stella Orientis, filios tuos adiuva!“ – Heilige Maria, Morgenstern, hilf deinen Kindern! – an die Gottesmutter. Er notierte dieses Stoßgebet, das ihm wie eine Eingebung schien.

Noch am selben Tag schrieb er nach Spanien: „Ich bin weiterhin der Ansicht, dass Wien für den Osten eine großartige Enklave ist und dass meine Kinder in diesen Ländern Gott unserem Herrn viel Ehre erweisen werden. Ich habe heute den Vorsatz gefasst, mich an die seligste Jungfrau zu wenden.“ Fünf Tage später schrieb er erneut an seine geistlichen Kinder in Spanien: „Ich bin mir ganz sicher in der Annahme, dass Gott unser Herr uns mehr als genug Mittel – Möglichkeiten und Menschen – geben wird, um in Osteuropa täglich besser für ihn zu arbeiten, bis man uns die Tore Russlands öffnet – die sich öffnen werden (…). Helft mit, dass häufig dieses Stoßgebet verrichtet wird. Santca Maria, Stella Orientis, filios tuos adiuva!“ 1

Autograf des hl. Josefmaria, 4.12.1955

Als der hl. Josefmaria vor dem Gnadenbild in Wien betete, war ihm dessen Geschichte und Bedeutung nicht bekannt. Doch sein Stoßgebet ging um die ganze Welt und führt zu Verbreitung der Andacht zu Maria Pötsch auf allen fünf Kontinenten. Auf Anstoß des hl. Josefmaria vertrauten weltweit Tausende Gläubige die vom Kommunismus verfolgten Christen dem besonderen Schutz der „Stella Orientis“ an.

Das Gebet wurde erhört: 1989 fiel der Eiserne Vorhang in einer friedlichen Revolution, nach dem Ende der kommunistischen Diktatur war auch wieder die Religionsfreiheit gewährleistet. Bald darauf begann die apostolische Arbeit des Opus Dei von Wien aus in Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Im Jahr 2007 eröffnete das Opus Dei seine erste Niederlassung in Moskau.

Heute erinnert eine 2002 angefertigte Gedenktafel rechts neben dem Maria Pötscher-Altar im Wiener Stephansdom an den Besuch des hl. Josefmaria. 2005 wurde dem heiligen Gründer des Opus Dei in der griechisch-katholischen Basilika von Máriapócs eine Gedenktafel gewidmet.

Gnadenbild Maria Pötsch im Wiener Stephansdom

Die Geschichte der weinenden Muttergottes von Pócs

Die Ikone der Muttergottes von Pócs stammt aus ein einem Dorf im Nordosten Ungarns. Gemalt wurde die Ikone von Stefan Pap, dem Bruder des griechisch-katholischen Ortspfarrers. Die Ikone entspricht dem byzantinischen Typus der „Wegweiserin“ (Hodegetria). Das erste Tränenwunder ereignete sich am 14. November 1696 - wenige Jahre nach der Befreiung der Gegend von der osmanischen Herrschaft. Als der römische Kaiser Leopold I. von dem Tränenwunder hörte, ordnete er wenig später den Transfer der Originalikone in den Wiener Stephansdom an, wo es bis heute verehrt wird. Beeindruckt von der Frömmigkeit des Volkes fertigte ein Jesuit aus Kassa (Kosice/Kaschau) eine Kopie der Ikone an, die nach Máriapócs gebracht wurde. Ein erstes Tränenwunder dieser Ikonenkopie ereignete sich im August 1715, ein zweites am 3. Dezember 1905.


1 Vazquez de Prada, A., Eine Biographie: Die römischen Jahre, Köln, Adamas, 2008, Band 3, S.305