„Methusalem-Komplott“ in der Eifel

Senioren-Tagung im Haus Hardtberg

Die Tagungsteilnehmer beim Gruppenfoto

Vom 11. bis 13. Oktober trafen sich 26 Senioren in der Tagungsstätte Haus Hardtberg. Den Anstoß dazu hatte Frank Schirrmachers gleichnamiger Bestseller gegeben. Sein publikumswirksames Plädoyer gegen Jugendkult und „Altersrassismus“ fand bei den Teilnehmern denn auch einige Zustimmung. Ebenso die Warnung des F.A.Z.-Herausgebers: „Den Alternden werden Schuldgefühle gemacht werden. Und sie werden sich schuldig fühlen, weil sie da sind.“

Der langjährige OB und Ehrenbürger der Stadt Aachen Kurt Malangré wies einleitend darauf hin, daß uns staatlich betriebene Euthanasie keineswegs nur von Ferne bedroht, sondern im benachbarten Holland und Belgien tagtägliche Tötungspraxis ist. Die EU habe dagegen ein Grundrecht auf Altern formuliert. „Doch unsere Politiker trauen sich nicht, es umzusetzen“, kritisierte der frühere Europaabgeordnete. Der „verbreiteten Glorifizierung der Euthanasie als Wohltat an der Menschheit“ hielt Malangré entgegen: „Der alte Mensch hat seine eigene Würde und bezieht seinen Wert nicht aus dem Grad verbliebener Nützlichkeit.“ Altern sei nicht nur Verlust, sondern auch Gewinn, wie der greise Papst vor den Kameras der Welt belege, dessen Gebrechlichkeit ihn mehr denn je zum Vorbild für die Jugend mache. Schlimm wäre es, sich am Ende sagen zu müssen: „Zeit vorbei, Ziel verfehlt.“ Deshalb müsse man sich den Herausforderungen des Alters stellen, etwa der Einsamkeit, der Vergeßlichkeit oder der Mühe mit alltäglichen Verrichtungen wie etwa der Körperpflege. Schließlich riet Malangré, sich den tückischen Versuchungen des Alters entgegenzustellen wie Mißtrauen, Nachlässigkeit und Bequemlichkeit, aber auch verhohlener Eitelkeit und unguter Sinnlichkeit, die sich oftmals als Kunstsinn, Feinschmeckerei oder Kritiklust tarnt. Damit dies gelingt, solle der alternde Mensch neu danken lernen und den jüngeren Vorbild geben. Es gehe darum, die „Kostbarkeit des Finales“ zu erkennen, „die letzte Süße“, wie Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Herbsttag“ sagt:

Herr: es ist Zeit. ...

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;

gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

Der 91jährige Essener Psychiater Otto Hermanns führte zunächst Malangrés Ratschläge zum Älterwerden mit ganz praktischen Tips aus ärztlicher Sicht fort, darunter altersgerechte Lebensführung, Ernährung und Medikation. Dann kam Dr. Hermanns auf die Frage nach dem Lebenssinn zu sprechen, die sich im Alter oft mit neuer Brisanz stelle. Nach dem großen Wiener Psychiater Viktor Frankl könne man seinem Leben keinen Sinn „geben“, sondern müsse den Sinn des Lebens finden: „Selbstgemachter Sinn ist Unsinn.“ Eine Voraussetzung solcher Sinnfindung sei vielmehr die innere Ausgeglichenheit – die „tranquilitas animae“ der christlichen Mystik. Reisen und Hobbys seien gut, schafften aber keine innere Ruhe und Erfüllung, meinte Hermanns. Den gläubigen Menschen könne das Gebet, das tägliche Sprechen mit Gott, zur Ausgeglichenheit führen und stelle selbst eine Annäherung an den Sinn des Alterns dar.

Der Journalist und Großvater Jürgen Liminski aus St. Augustin bei Bonn sprach über „Herausforderungen und Chancen von Großeltern bei der Erziehung“. Ohne Großelternhilfe wären viele Familien längst zusammengebrochen, die den zeitlichen und materiellen Belastungen wie auch dem gesellschaftlichen Druck gegen Ehe und Familie aus eigener Kraft nicht standhalten könnten. Die Großeltern hätten also erhebliche Einflußmöglichkeiten, die sie aber mit besonderer Zurückhaltung wahrnehmen sollten, sagte Liminski. Wenn sie nicht genug Abstand halten oder sich bei Eheproblemen ihrer Kinder einmischen, wirke sich dies zum Schaden der jungen Familien aus. Auch sollten Großeltern Differenzen untereinander nicht in die Familien ihrer Kinder hineintragen. Liminski riet, den Enkeln viel Zeit zu schenken, weil das ihr Selbstwertgefühl stärkt. Stichworte: Geschichten erzählen, vorlesen, Gespräche führen, gemeinsame Spiele und Unternehmungen. Außerdem müßten die Großeltern „Humor haben“ – verstanden als die großzügige Bereitschaft, die Seins- und Ausdrucksweisen der Kinder und Jugendlichen anzunehmen. Nur dann öffneten sich die Enkel und vergewisserten sich bei Oma und Opa, ob die Wertmaßstäbe und das Verhalten ihrer Eltern Gültigkeit haben, insbesondere auch im religiösen Bereich. Wenn dies gelingt, könne mancher schädliche Einfluß aus Schule und Fernsehen abgeschwächt werden.

Msgr. Dr. Cesar Martinez aus Köln feierte die Eucharistie in der Kapelle des Tagungshauses, hielt zwei geistliche Meditationen zu den Themen „Es ist Zeit, heilig zu werden“ und „Gott wartet auf uns“. Außerdem stand er zu persönlichen Gesprächen zur Verfügung. Ausgedehnte Diskussionen führten die Inhalte der Referate weiter, behandelten aber auch Themen wie Patchwork-Familien, Patientenverfügung oder die Frage Altersheim – ja oder nein. Hinzu kamen zahlreiche spontane Gespräche in kleinen Gruppen und Spaziergänge bei strahlender Oktobersonne. Im Mai 2005 soll eine weitere Tagung über das Alter stattfinden und sich auf Wunsch mehrerer Teilnehmer noch eingehender mit der christlichen Bewältigung des Alterns sowie mit der Rolle der Großeltern beim Weltjugendtag 2005 in Köln befassen.

Ruthard v.Frankenberg