„High urgency“ gelistet – und doch nicht transplantiert

Geistliche und medizinische Erfahrungen einer Kranken nach spontaner Heilung eines drohenden Leberversagens

Die genaue Ursache des Beinahe-Leberversagens bei cholestatischer Hepatitis ist bis heute ungeklärt, aber es spricht vieles für eine seltene Nebenwirkung von Schmerztabletten. Der Termin für die Lebertransplantation war angesetzt, bevor am Morgen der Operation die Entzündungswerte unerklärlicherweise begannen, sich zu normalisieren. Mit dem Spenderorgan konnte so einem anderen Kranken geholfen werden. Uli S. schrieb ihre medizinische und geistliche Krankheitsgeschichte aus dem Jahr 2016 auf Bitten von Freunden und aus Dank Gott gegenüber auf.

„Im vergangenen Jahr habe ich die Erfahrung einer spontanen Heilung gemacht, die mich tief erschüt­tert und bewegt hat. Noch längst bin ich im Beten und Denken hierüber nicht an ein Ende gelangt, doch möchte ich versuchen, mein Erlebnis, das nicht nur für mich ein Wunder und eine Gebetserhörung gewesen ist, aufzuschreiben.

Dies ist festgehalten, um DANKE zu sagen. Danke für Euer Gebet und die liebevolle Begleitung während dieser Zeit. Das, was geschehen ist, kann ich nicht einem einzigen un­serer himmlischen Fürsprecher zuordnen. Ich nehme an, es waren viele Heilige, sicherlich auch be­sonders die Gottesmutter, der hl. Josefmaria und der selige Alvaro, die den Herrn bestürmt haben.

Bewirkt der Glaube auch heute noch Heilungswunder?

Wenn ich über die Evangelien nachdenke, in denen die Heilungswunder, die Christus gewirkt hat, beschrieben sind, kommt mir der folgende Satz über die Heilung des Gelähmten im Evange­lium nach Markus (Mk 2,5) am nächsten. „Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“

Die Wochen der Erkrankung waren eine intensive Zeit vor und mit dem Herrn, betend, bittend, aber manchmal im Glauben schwächelnd. Das Wissen um das Gebet so vieler lieber Menschen, das Wis­sen um ihren tiefen Glauben, das hat mich durch alle Phasen hindurchgetragen und mir immer wie­der Kraft, Mut und Vertrauen geschenkt.

Diese liebevolle Begleitung hat sich tief in mein Inneres eingegraben – beschämend und berührend. So viel Anteilnahme hatte ich nicht erwartet.

Kranke benötigen den Beistand und den Glauben anderer

Aus diesem Erleben heraus möchte ich uns alle ermutigen, unsere Kranken niemals allein zu lassen und sie mit so viel Liebe, so viel Gebet und so viel Anteilnahme zu begleiten, wie nur irgend möglich. Das ist ein unendlich wertvolles Geschenk, ein Werk der Barmherzigkeit, das der Herr sieht und an­nimmt. In den Gesprächen am Krankenbett wurde mir dabei klar, dass ER nicht nur mir, sondern al­len, die sich großzügig zur Verfügung stellen, Gnaden schenkt, von denen wir nichts ahnen. Er schenkt Heil in unterschiedlicher, sehr persönlicher Weise. Und: Wir dürfen erfahren, wie tief wir in Christus, in unserem Glauben an IHN und in IHM miteinander verbunden sind.

Wie die Erkrankung sich bemerkbar machte

Meine Erkrankung, eine schwere cholestatische Hepatitis, begann mit starken Beschwerden der Übelkeit am ersten Wochenende im November, an dem ich mich sehr elend und kraftlos fühlte.

Von meinem Empfinden her hatte ich bereits sehr früh den Eindruck, ernsthaft krank zu sein. Mein damaliger Hausarzt ging jedoch zunächst von einem Magen-Darm-Infekt aus, während meine Freun­din, sie ist Ärztin, zu Beginn bereits eine toxisch-medikamentöse Lebererkrankung vermutete. Denn aufgrund einer Rippenserienfraktur – ich hatte mir fünf Rippen gebrochen – nahm ich nach ärztlicher Verordnung seit dreieinhalb Wochen zwei verschiedene Schmerzmittel im Wechsel ein.

Zwei Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome bestätigte sich schließlich die Diagnose einer Leberentzündung, sodass mein Hausarzt mich in das nächstgelegene Krankenhaus überwies.

Wegen Leberentzündung erfolgte die Überweisung ins Krankenhaus

Nach zwei weiteren Tagen, mir ging es zunehmend schlechter und eine starke Gelbfärbung der Haut war nicht mehr zu übersehen, informierte der dortige Chefarzt meinen Mann und mich darüber, dass ich auf die Intensivstation des Klinikums in Aachen verlegt werden müsse, weil die Entzündungswerte trotz Absetzen der Schmerzmittel weiter stiegen und zu befürchten sei, dass ich in ein sog. „Leber­koma“ fallen würde. Es bestand die Gefahr eines akuten Leberversagens, eine Erkrankung, die schnell zum Tod führen kann.

Die Sakramente der Kirche waren eine Beruhigung und Stärkung

Nach diesem Gespräch äußerte ich den Wunsch, die Beichte und Krankensalbung noch bei vollem Bewusstsein und deshalb möglichst bald empfangen zu können. Der Priester des Opus Dei aus Aachen wurde verständigt. Kurz nachdem ich auf der Intensivstation angekommen war und die Un­tersuchungen dort begonnen hatten, traf auch schon der Priester ein. Ich bat das mich untersuchen­de Ärzteteam, mit ihm sprechen zu können, woraufhin der Chefarzt der Intensivstation mir erklärte, „am Ende der Fahnenstange“ seien wir aber längst noch nicht angekommen. Bevor es so weit wäre, würde ich eine neue Leber bekommen. Somit erfuhr ich in diesem Zusammenhang zum ersten Mal von der Möglichkeit einer Lebertransplantation. Die Visite wurde unterbrochen, man ließ den Priester Dr. B. zu mir kommen.

Christus kam ganz nahe

Zu beichten, die Krankensalbung und anschließend die Kommunion empfangen zu können, das war für mich eine tiefe Beruhigung und Bestärkung, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Es war, als käme mir Christus in meiner Seele ganz nahe. ER berührte mein Innerstes, oder noch anders: Ich wurde von IHM gehalten. Die Gebete der Krankensalbung, die Bitte um Heilung und Stärkung haben mich trotz des großen Schreckens und der inneren Panik, die sich zunächst in mir ausgebreitet hatte, wieder ruhiger werden lassen.

Irgendwie muss diese Veränderung in mir auch nach außen hin spürbar gewesen sein, denn die für mich zuständige Krankenschwester sagte, nachdem der Priester sich verabschiedet hatte, zu mir: „Das können Sie immer haben – auch hier im Krankenhaus.“ Sie meinte den Empfang der Hl. Kommu­nion und setzte sich mit der Krankenhausseelsorge in Verbindung.

Unmittelbar nach dem Besuch von Dr. B. kam meine Freundin Vicky auf die Station. Sie begleitete mich in den folgenden Wochen, wie viele andere liebe Menschen auch, ganz besonders mitfühlend und kam so oft sie nur konnte ins Krankenhaus.

Von Donnerstag bis Sonntag bin ich auf der Intensivstation des Klinikums geblieben. Die Blutwerte wurden mehrmals täglich kontrolliert. Um Aufschlüsse über die Krankheitsursache zu erlangen, ent­nahm man zusätzlich eine Gewebeprobe aus der Leber. Die Ursache der Hepatitis konnte jedoch leider auch mit Hilfe dieser Untersuchung nicht eindeutig geklärt werden. Die Ärzte sagten mir, ich solle versuchen, die Situation wie einen Unfall zu sehen, unwahrscheinlicher „als ein Sechser im Lot­to“, aber eben dennoch möglich. In dem meinen Krankenhausaufenthalt abschließenden Gespräch fragte ich den Chefarzt erneut danach, worin er die Ursache der Hepatitis sehe. Er äußerte die Ver­mutung, dass die Menge an Schmerzmitteln und die Dauer der Einnahme, es waren 3,5 Wochen, aus seiner Sicht für meinen Körper, meine Leber, zu viel gewesen sei.

Der tägliche Kommunionempfang war die größte Stärkung auf der Intensivstation

Auf der Intensivstation erlebte ich Tage intensiven Betens, tiefer Gespräche mit meinem Mann, mei­nem älteren Sohn – der Jüngere tat sich schwer, mich zu besuchen – meinen Eltern und Geschwis­tern, mit meinen Schwestern und Brüdern aus der Familie des Werkes, mit mir nahestehenden, lie­ben Menschen aus meinem Freundeskreis und mit meinem Ortspfarrer. Zwischendurch bin ich im­mer wieder eingeschlafen, machte mir in den Wachphasen große Sorgen um meine Familie und weinte, fand mich aber dank der Hilfe des Gebetes und der Menschen, die mir immer wieder Mut zugesprochen haben, mich darum baten, nicht aufzugeben, sondern zu kämpfen, die mit mir beteten und mich trösteten, doch geborgen und nie allein. In meinem Denken und Beten war es oft so, als wäre auch Christus unter uns. Die Kommunion konnte ich täglich empfangen und mich so innerlich immer wieder neu mit dem Herrn verbinden und neue Kraft schöpfen. Hierauf freute ich mich Tag für Tag ganz besonders.

Ab Mittwoch liefen alle Voruntersuchungen für die Transplantation und es fanden erste Aufklärungs­gespräche hierüber statt. Es waren sehr schwierige, erschütternde Momente, doch meine Erinnerung daran ist insgesamt etwas verblasst. Ich weiß noch, dass die Entzündungswerte etwas weiter anstie­gen und sich keine Tendenz zu einer Besserung abzeichnete. Aufgrund der medizinischen Sorge, die Leber könne die Blutgerinnung nicht mehr aufrechterhalten, wurde ich am Dienstagabend oder Mittwochmorgen, dem 15. oder 16. November „high urgency“ gelistet, d.h. die Suche nach einem Spenderorgan begann.

Es schien mir wie in einem Tunnel zu sein, der unweigerlich auf die Transplantation hinführte. Es fiel mir aus vielen Gründen unendlich schwer, mich mit diesem Eingriff einverstanden zu erklären. Aber im Ringen darum fasste ich den Entschluss, sollte ein Spenderorgan gefunden werden, zuzustimmen. Ich versuchte mich den Händen des Herrn zu überlassen – mit allen inneren Kämpfen.

Es waren drei Wunder, die sich ereigneten: Noch immer nicht im Leberkoma

Zu den drei Wundern, die sich im Folgenden ereigneten, gehört aus meiner Sicht zunächst die Tatsache, dass ich trotz der hohen Entzündungswerte immer noch nicht in ein Leberkoma gefallen war und mein Reaktionsvermögen im Randbereich des Normalen zu liegen schien. Ich selbst spürte zwar deutliche Veränderungen in meiner Wahrnehmung, manchmal erschienen mir alle Eindrücke irgendwie dumpf, und ich konnte nicht mehr alles behalten, hatte unmittelbar Besprochenes zumindest in Teilen wieder schnell vergessen. Doch schien beides noch nicht derart eingeschränkt zu sein, dass es im Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren, die von den Ärzten bedacht wurden, eine Trans­plantation eindeutig rechtfertigte. Sobald das Ärzteteam das Zimmer betrat, gab ich mir allerdings besonders viel Mühe, mich an ihren Gesprächen zu beteiligen und nicht schläfrig zu wirken.

Bis zum ersten Transplantationstermin erfuhr ich, wie viele Menschen für mich beteten. Dr. B. informierte täglich eine WhatsApp-Gruppe – die sich schnell gebildet hatte – über meinen Gesundheits­zustand. Wenn ich das richtig verstanden habe, so wurde in sehr vielen Zentren des Werkes für mich gebetet. Auch der damalige Prälat in Rom, Bischof Javier Echevarría, betete täglich in der Hl. Messe für mich. Das alles hat mich im­mer wieder neu berührt und getragen. Mehrmals am Tag dachte ich voller Dankbarkeit an diese An­teilnahme – an meine Familie des Werkes, an den Vater, an Rom, an die Hl. Messe… und habe darauf vertraut.

Es wurden sehr viele Fürsprecher im Himmel angerufen

Einige baten insbesondere die Gottesmutter um Fürsprache, viele wandten sich an den seligen Alva­ro del Portillo oder an den heiligen Josefmaria. Andere richteten ihre Bitte um Fürsprache an den heiligen Johannes Paul II. Meine Freundin Magda und ich beteten eine Novene zum heiligen Pantaleon. Ich selbst bat die Gottesmutter, den seligen Alvaro, den heiligen Josefmaria und den heiligen Papst Johannes Paul II. um Hilfe. Eine kleine Reliquie der heiligen Schwester Benedicta a Cruce trug ich immer bei mir.

In allen unterschiedlichen Phasen nie alleingelassen

Von Heristal, einem Zentrum des Werkes in Aachen, war nahezu täglich jemand im Krankenhaus. Zwar bin ich während der Besuchszeiten oft eingeschlafen, aber es hat mir sehr geholfen, ihr Gebet zu hören, in Wachphasen mitzubeten und mit jemandem sprechen zu können. Ich habe sehr unter­schiedliche Phasen durchlebt: Gelassenheit, Freude, aber auch Verzweiflung, Mutlosigkeit und Angst vor der OP. Aber niemals fühlte ich mich hierin alleine gelassen.

Mein Ortspfarrer und der Krankenhausseelsorger besuchten mich ebenfalls sehr häufig. In Absprache mit Dr. B. brachten sie mir die Krankenkommunion.

Gute Gespräche und Gebet mit der Familie und mit Freunden

In diesen Tagen des Wartens entwickelten sich gute, oft tiefe Gespräche, insbesondere mit meinem Mann, und intensive gemeinsame Gebetszeiten. In dieser Weise hatte ich das noch nie erfahren.

Auch in meiner Pfarrgemeinde gab es sehr viele Menschen, die mich innerlich begleiteten.

In Düren haben Freunde von uns, katholische und freikirchliche Christen, nachdem sie sich immer wieder zum Gebet für mich versammelt hatten, inzwischen ein Gebetshaus gegründet. Das Gebets­anliegen erreichte auch das Gebetshaus in Augsburg. Meine Eltern, sie sind Schönstätter, haben sich im Gebet an die Muttergottes und an Pater Kentenich gewandt. In Schönstatt beteten ebenfalls viele Menschen für meine Genesung.

Maria als Fürsprecherin auch an meinem Arbeitsplatz angerufen

Die Anteilnahme war für mich überwältigend. Auf welchem Wege die Muttergottes erneut und be­kennend Einzug in meine Schule genommen hat, das möchte ich unbedingt festhalten: Ich bin Lehrerin und arbeite in einem sehr engagierten Kollegium. Es herrscht ein gutes, koopera­tives Miteinander, und mit einigen Kolleginnen verbindet mich eine tiefe, langjährige Freundschaft. Mein Glaube, meine Zugehörigkeit zur Prälatur Opus Dei, Gespräche darüber und über religiöse Fragen allgemein sind nicht einfach.. Mein Eindruck ist der, dass diese Themen lieber gemieden werden. Es ist ein sehr sensibler Bereich.

Ein Avemaria vor der Muttergottes-Statue der Schule

In der Nähe unserer Aula steht eine sehr große, wunderschöne Muttergottesstatue aus rotem Stein. Nachdem ich das durch unseren Vater, den hl. Josefmaria, gelernt hatte, grüße ich sie, wenn ich an ihr vorübergehe. Neben der Statue hängen die Bilder zweier verstorbener Schüler und einer verstor­benen Mitarbeiterin. So werde auch ich daran erinnert, für sie zu beten. Ganz im Verborgenen gibt es manchmal jemanden, der dort eine Kerze anzündet oder einen Blumenstrauß hinstellt. Als mich meine Freundin und Kollegin kurz vor dem ersten Transplantationstermin im Krankenhaus fragte, was sie für mich tun könne, bat ich sie, eine Kerze für mich an der Muttergottesstatue anzuzünden. Am nächsten Tag erhielt ich eine SMS und ein Bild von ihr, auf dem nicht EINE brennende Kerze, sondern ein Lichter- und Blumenmeer zu sehen war. In der Nachricht hieß es, un­sere stellvertretende Schulleiterin hätte durch die Sprechanlage der Schule durchgesagt, dass dieje­nigen Kollegen, die möchten, sich nach dem Unterricht vor der Muttergottes zum Gebet für mich versammeln könnten. Es müssen viele gekommen sein und sie hat, für mich unfassbar, ein „Ave Maria“ vorgebetet. Viele Kolleginnen haben mir im Nachhinein davon erzählt, wie bewegend es gewesen sei, vor der Statue der Muttergottes zu beten, und dass es so etwas in unserer Schule noch nie gegeben hätte.

Ein Segen mit der Reliquie des Hl. Pantaleon vom Ortspfarrer

An einem der Abende, es muss der Mittwoch oder Donnerstag gewesen sein, kamen zwei Freunde aus Köln mit der Reliquie des Hl. Pantaleon zu mir ins Krankenhaus. Dr. H., der Pfarrer der gleichnamigen Kirche in Köln, hatte sie ihnen zu treuen Händen zur Verfügung gestellt. Als die beiden ankamen, befand ich mich noch in einer Voruntersuchung; sie begannen daher selbst, nach einem Priester zu suchen, der mich mit der Reliquie segnen könnte. Ungefähr zeitgleich kam unser Ortspfar­rer im Krankenhaus an, um mir die Krankenkommunion zu bringen. Ohne vorherige Absprache fügte es sich so, dass ich kommunizieren konnte und der Priester mich anschließend in dieser kleinen Run­de mit der Reliquie segnen konnte. Diesen Moment habe ich als wunderschön und sehr bestärkend erfahren.

Um die Entscheidung zur Transplantation wurde gemeinsam im Gebet gerungen

Ein weiteres Wunder ereignete sich am Freitag, dem 18. November 2017. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag erfuhr ich, dass man ein Spenderorgan gefunden hatte und die Transplantation am darauffolgenden Freitag stattfinden solle. Am Freitagmorgen versammelten sich die behandelnden Ärzte in meinem Zimmer, erklärten mir, dass die Aussicht, ohne Transplantation überleben zu können, immer geringer würde und legten mir nahe, der Transplantation unbedingt zuzustimmen. Sie informierten mich ebenfalls darüber, wie schwierig es sei, ein geeignetes Spenderorgan zu finden und sie waren davon überzeugt, dieses Organ sei für mich besonders geeignet. Mein Mann, mein Vater und meine beiden Söhne waren bei dem Gespräch dabei. Wir baten um eine Bedenkzeit, in der wir gemeinsam beteten, den Hl. Geist und alle himmlischen Fürsprecher, mit denen wir vertraut waren, um Hilfe baten, und teilten den Ärzten anschließend mit, dass ich der Transplantation zustimmen würde. An diesem Morgen - es war unklar, wann die Operation beginnen würde – konnte ich die Kommunion nicht mehr empfangen.

Ein schwieriger Moment: die Verabschiedung von der Familie vor der Operation

In den Stunden bevor ich in den Operationssaal geschoben wurde, hatte ich große Angst, sie kam in Wellen über mich. Ich hatte den Eindruck, es zerreißt mir das Herz, meine Familie allein zurücklassen zu müssen. Diesen Schmerz werde ich nicht vergessen. Wir beteten gemeinsam den Rosenkranz und hielten uns innerlich daran fest. Ich flehte um den Beistand der Gottesmutter. Um 12.30 Uhr war es dann so weit. Ich verabschiedete mich von den Kindern und von meinem Vater. Mein Mann begleite­te mich zum Operationssaal. Wir konnten noch einiges, was uns beiden sehr auf der Seele lag, mitei­nander besprechen.

Das zweite Wunder: Das Spenderorgan wird nicht eingesetzt – der Chirurg ist dagegen

Der Anästhesist erlaubte mir schließlich, meinen Rosenkranz, den mir mein Sohn Simon vor ungefähr zwei Jahren geknüpft und geschenkt hatte, in der Hand zu behalten. Er erklärte mir, es dauere noch ein paar Minuten, bis er die Narkose einlaufen lasse, weil die Leber noch einmal vom operie­renden Chirurgen untersucht werden müsse. Er schnallte mich auf dem OP-Tisch und sprach ein wenig mit mir. Es war kurz vor 13.00 Uhr. Links neben mir saß der zuständige Krankenpfleger. Er kam aus meiner Heimatgegend. Wir sprachen über unsere gemeinsame Heimat und über unseren Glau­ben. Die Stimmung wurde jedoch zunehmend angespannter, bis einer der beiden schließlich sagte, dass es doch nun endlich losgehen müsse. Es war kurz vor 14.00 Uhr. Nun wartete ich also schon seit knapp einer Stunde auf den Beginn der OP, als der Chirurg gegen 14.00 Uhr schließlich sehr aufge­wühlt den Saal betrat, sich den Mundschutz abnahm und mir erklärte: „Dieses Organ setze ich Ihnen nicht ein.“ Er müsse jetzt telefonieren, doch dieses Organ würde er ablehnen. Bei allem Entsetzen, aller Fassungslosigkeit und der bangen Frage, wie lange ich noch leben würde, spürte ich eine tiefe innere Ruhe. War das die Vorsehung Gottes? War es SEIN NEIN zu einer Transplantation? SEIN Ein­greifen? Sehr viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, und ich erinnere mich noch ungefähr an die Abschiedsworte des Anästhesisten: “Ich weiß nicht, ob wir uns an diesem Wochenende wiedersehen. Ich habe das ganze Wochenende Dienst. Aber mir ist noch keine Patientin begegnet, die bei derart schlechten Werten so fit ist. Vielleicht kommt es anders.“

Dankbarkeit in der Erfolglosigkeit der medizinischen Bemühungen

In mir war ein tiefes, erschöpftes „Danke, mein Herr und mein Gott!“ Auch ohne Narkose wartete ich lange im Aufwachraum, bis mich jemand schließlich wieder auf Station brachte. Den Moment als man mich zurück auf den Flur schob, werde ich nicht vergessen. Dort stand Dr. B., einfach so, ohne dass man ihm von der Station aus Bescheid gegeben hatte. Das hatte ich nicht zu hoffen gewagt.

Meinen Mann konnte man leider noch nicht erreichen. Noch wusste er von nichts.

Dr. B. ging sofort in die Krankenhauskapelle und kam mit dem Allerheiligsten zurück. Ich durfte die Kommunion empfangen, was vor der OP nicht mehr möglich gewesen war – wieder eine wunder­volle Fügung. Auch mein Mann war in der Zwischenzeit eingetroffen. Der Chefarzt der Intensivstation kam vorbei, erklärte uns die Situation, entschuldigte sich und sagte, man würde weiterhin nach einem Organ suchen. Ich weiß nicht, an welchen Tagen, doch war es mehrmals, und ich glaube mich zu erinnern, auch an diesem Freitagabend, dass er mich ernsthaft und eindringlich um Folgen­des bat: „Bitte, gehen Sie wieder zurück in IhreKontemplation. Die Tür ist noch nicht ganz geschlos­sen.“ Ihm, dem Ärzte- und Pflegeteam war klar, dass viele beteten.

Wie sah Gottes Vorsehung in der neuen Situation aus?

Es war ein wahnsinnig bewegender Tag. Mir war es, als wäre ich zu neuem Leben erwacht. Ich wagte den Gedanken nicht auszusprechen, doch hatte Gott etwas anderes vor? Würde ich vielleicht auch ohne eine neue Leber wieder gesund werden können? Das Geschehene gab mir ganz viel Kraft und neue Hoffnung. Ich war unendlich dankbar, vertraute IHM. Am Nachmittag ging ich über den Flur und nahm zum ersten Mal wieder den Himmel, die Sonne und die Wolken wahr.

Das dritte Wunder: die zweite Transplantation wird abgesagt, weil die Entzündungswerte fallen

Die nächste Operation mit Transplantation wurde für Montagmorgen angesetzt und sollte gegen 10.00 Uhr beginnen.

Wieder das gleiche Procedere wie am vergangenen Freitag. Ich blieb nüchtern, man brachte mir die OP-Kleidung. Ich betete weiterhin so oft ich konnte zum Hl. Geist. Dann erfolgte ganz früh morgens die routinemäßige Blutuntersuchung. Gegen 9.00 Uhr betrat schließlich ein Ärzteteam mein Zimmer. Der Chefarzt der internistischen Station setzte sich zu mir und hielt meine Hand. Sehr genau erinnere ich mich an seine Worte: „Liebe Frau S., es ist eine sehr schwierige Entscheidung. Wir wissen nicht, ob wir die richtige getroffen haben, das wird sich zeigen. Doch ihre Werte sind nicht mehr an­gestiegen. Ein Wert zeigt sogar eine leicht fallende Tendenz. Wir lassen die Leber weiter nach Ham­burg ziehen. Dort wartet ein Junge auf eine Transplantation. Sie hätten die Leber ansonsten mit ihm geteilt. Aber wir glauben jetzt wieder an ihre Leber.“

„Und wir an Gott“, schrie ich in meinem Inneren. Unfassbar… ich ließ mich fallen, körperlich und see­lisch… keine Transplantation! Es dauerte, bis ich verstand. Ich lag in meinem Bett, getroffen, gerührt, weinend, so voller Dank – und mit der innigen Bitte, der Herr möge dem Jungen in Hamburg helfen.

Die Entscheidung der Ärzte war für mich in meiner Krankheitsgeschichte das dritte Wunder. Ich bin mir ganz sicher: Der Hl. Geist hatte unter ihnen gewirkt.

Die eindeutige Wende kam erst drei Tage später

Nach erneutem Bangen, die Werte stagnierten am Dienstag und Mittwoch, folgte am Donnerstag endlich die eindeutige Wende. Die Entzündungswerte und der Bilirubin-Wert begannen, stetig zu sinken. Das Ärzteteam betrat strahlend das Zimmer: „Die Tür öffnet sich wieder“, so der Wortlaut.

Eine Schwester kam noch am Donnerstag aufgeregt zu mir: „Ich wusste, dass in einem Zimmer, in dem so viel gebetet wird, alles gut wird“.

Schon eine knappe Woche später, am 30.11.2016, konnte ich entlassen werden. Insgesamt waren es ungefähr drei Wochen, die ich im Krankenhaus verbracht hatte.

Es folgten enge Kontrolluntersuchungen, doch ist der Leber und den Leberwerten heute nichts mehr von alledem anzumerken. Sie hat sich vollständig erholt.

Das dritte Wunder - in der Sprache der Medizin

Als meine Hausärztin, zu der ich nach meinem Krankenhausaufenthalt wechselte, mir einige Wochen später den Abschlussbericht des Klinikums in Auszügen vorlas, stieß sie auf den Satz: “Es kam zunächst zu einem Abfall der Transaminasen und zeitlich versetzt auch des Bilirubin-Wertes, so dass wir nun eine spontane Ausheilung der Hepatitis erwarten.“

Sie, eine gläubige Frau, sagte mir, dass wir beide wüssten, was eine „spontane Ausheilung“ sei – ein Wunder.

Normalität stellt sich allmählich wieder ein

Es hat lange gedauert, bis ich diese Zeilen schreiben konnte. Zunächst folgten Wochen, in denen ich mich körperlich und psychisch sehr unsicher fühlte. Mein Leben erschien mir fast unwirklich. An­schließend erfolgte, viel schneller als gedacht, der Wiedereinstieg in das Berufsleben. Familie und Beruf forderten schon nach wenigen Wochen einen normalen Tagesrhythmus von mir, und ich war schnell erschöpft.

An Wundern erkennen wir die Größe Gottes

Im Buch „Die innere Burg“ der hl. Teresa von Ávila geht es um die Gnaden, die der Herr uns erweist. Dort fand ich folgenden Gedanken, der mich, seitdem ich ihn las, begleitet: „Manchmal wird der Herr es ja allein zu dem einen Zwecke tun, seine Größe sichtbar zu machen (wie er es sagte, als er dem Blinden das Augenlicht schenkte und die Apostel ihn fragten, ob dieser wegen seiner eigenen Sünden oder wegen den Sünden seiner Eltern erblindet sei). Er tut es also nicht, weil diejenigen, denen er solche Gnaden erweist, heiliger wären als die anderen, denen er sie nicht erweist, sondern darum, dass man seine Größe erkenne (wie wir es am heiligen Paulus und an der heiligen Maria Magdalena sehen), und dass wir ihn preisen in seinen Geschöpfen.“

Von vielen Menschen habe ich erfahren, dass sie sich seitdem im Gebet erneut viel intensiver unter­einander verbunden wissen, und dass auch ihnen das Geschehene wieder neuen Glauben an die Macht des Gebetes geschenkt hat.

Mich persönlich lässt die Frage nicht los, warum mir eine derart unwahrscheinliche, aber schwere Erkrankung zugestoßen ist, und warum ich schließlich doch geheilt worden bin. Im Gebet, in der geistlichen Leitung, deren Wert ich jetzt viel mehr zu schätzen weiß und die mir eine unermessliche Hilfe ist, suche ich zwar nicht permanent nach einer Antwort, denke aber, mich nach und nach dem annähern zu dürfen, was der Herr mir darin sagt und wohin er mich dadurch führen möchte. usa

Foto: national-cancer-institute-unsplash