Möchtest du heilig werden? Viele Menschen zögern vielleicht, bevor sie diese Frage beantworten. Sie stellen sich ein trauriges Leben voller Opfer vor, ein Leben ohne Träume, in dem Gott machtvoll seinen Willen aufzwingt.
Willst du glücklich werden? Bei dieser Frage hingegen ist die Antwort klar: Ja, wir alle möchten glücklich werden, sehnen uns nach einem erfüllten Leben, das uns am Ende unserer Tage im Rückblick sagen lässt: Das Leben hat sich gelohnt, ich bin kein gleichgültiger Mensch gewesen, ich war nützlich und habe eine Spur hinterlassen…
Das Geheimnis, das derjenige erfährt, der sich Christus nähert, heißt: Was uns glücklich macht, macht uns auch heilig. Aus gutem Grund sagt der hl. Josefmaria: „Die Glückseligkeit des Himmels gehört denen, die es verstehen, bereits hier auf Erden glücklich zu leben“[1], denn unsere Träume sind die des Herrn. Er will ja nichts anderes als uns helfen, unsere größten Wünsche zu erfüllen, die Sehnsucht nach Unendlichkeit, die jeder von uns in sich trägt, völlig zu stillen.
Das Geheimnis, das derjenige erfährt, der sich Christus nähert, heißt: Was uns glücklich macht, macht uns auch heilig.
Man erzählt, dass ein Weiser denen, die ihm zuhörten, eines Tages sagte: „Wenn ihr zur Himmelspforte gelangt, wird euch nur eine einzige Frage gestellt werden“. Die Umstehenden versuchten, diese Frage zu erraten: „Hast du die Gebote erfüllt“, fragte ihn einer. „Hast du den Armen geholfen“, ein anderer. „Hast du viel gebetet? Bist du zur Kirche gegangen? Hast du deinen Nächsten geliebt?“ Der Weise lächelte und sagte: „Die einzige Frage wird einfach nur die sein: Bist du glücklich gewesen? Wer positiv darauf antwortet, wird zu Gott kommen“.
Bist du glücklich gewesen? Diese Frage nehmen wir jetzt vorweg: So wie ich mein Leben im Moment angehe – werde ich dabei glücklich? Wir merken sofort, dass es nicht leicht ist, darauf mit einem überzeugten Ja zu antworten. Die Zukunft liegt nicht vollständig in unseren Händen. Im Lauf des Lebens müssen wir viele Entscheidungen treffen. Werde ich den richtigen Beruf ergreifen? Werde ich der Berufung folgen, die Gott für mich möchte? Werde ich einen Menschen finden, der mich liebt und den ich lieben kann? Werde ich die richtigen Freunde haben? Und was ist, wenn ich krank werde?
Die Zukunft eines Jeden ist ungewiss. Wir sind nicht in der Lage, weiter zu sehen als die Gegenwart reicht. Und dennoch kennt Gott – der unsere Freiheit respektiert – genau unsere nächsten Schritte. Deshalb können wir in manchen Augenblicken unseres Lebens so beten:
Herr, ich weiß noch nicht, was du von mir möchtest, und auch nicht, welche Herausforderungen das Leben an mich stellen wird. Ich bin unsicher, welchen Weg ich gehen soll; aber ich weiß, dass du einen Plan für mich hast. Du kennst die Schwierigkeiten, auf die ich stoßen werde und auch die Fähigkeiten, die du mir gegeben hast, um sie zu überwinden. Hilf mir, in deiner Nähe zu leben. So werde ich immer auf dem rechten Weg sein, ganz gleich, was geschieht.
Vertrauen haben und träumen
Wenn wir Gott wirklich vertrauen, können wir große Träume haben und sind befreit von der Angst zu scheitern. Jedoch ist, um tatsächlich frei zu sein, beides nötig: Vertrauen haben und träumen können. So sagt es der Papst: „Liebe Jugendliche, in Christus werdet ihr die volle Erfüllung eurer Träume finden. Nur Er vermag euren Erwartungen zu entsprechen, die oftmals von leeren Versprechungen der Welt enttäuscht werden.“[2]
Franziskus empfiehlt uns, einen Blick zurück zu werfen, um die Momente echten Glücks unterscheiden zu können von jenen anderen, die zwar schön waren, uns aber weder schmerzlich berührt noch wirklich mit Freude erfüllt haben. Ein Fest, das wir sehnlichst erwartet hatten, vergnügliche Zeiten, die wir mit Videospielen oder vor dem Fernseher verbracht haben, eine Reise mit Freunden oder ein Shopping-Nachmittag mit Freundinnen können zweifelsohne gute Erinnerungen in uns hinterlassen, aber keine tiefen Spuren. Sie werden nicht für immer in unserer Seele bleiben, denn so positiv sie sein mögen, sie enthalten keine Perspektive für die Ewigkeit.
In einer frustrierten Gesellschaft, die verlernt hat zu träumen, besteht die Gefahr, dass wir uns zufrieden geben mit jenen glücklichen Erlebnissen, die im Grunde nur schwache Abbilder dessen sind, was wir im Tiefsten wünschen. Sie verschaffen uns schnell Befriedigungen, die mühelos zu erreichen und in der Regel zu einem bestimmten Preis (von Geld oder Zeit) zu haben sind. Wenn wir uns nur für die neueste Mode oder die supermodernste Technik begeistern, uns langweilen bis zum nächsten Wochenende, uns leicht mit irgendwelchen Freunden begnügen oder uns in der Freizeit bei Ersatzbefriedigungen isolieren, dann laufen wir Gefahr, uns nur durchs Leben zu schlagen – und das vielleicht sogar jahrelang.
Das aber ist nicht unsere Berufung. „Liebe Jugendliche – so Papst Franziskus –, vergrabt nicht eure Talente, die Gaben, die Gott euch geschenkt hat! Habt keine Angst, von Großem zu träumen!“ Wenn wir uns verlieben, wenn wir uns solidarisch mit anderen verbinden oder einem Freund einen wichtigen Dienst erweisen, spüren wir, dass uns in diesen Momenten ein Funke von der Größe aufscheint, zu der wir fähig sind. Wir fühlen dann, dass das echte Glück am Ende eines Weges liegt, den nicht viele gehen. Deshalb ist es nötig, Ideale anzustreben, uns zu begeistern für Ziele, die uns Mühe abverlangen, zu wachsen mit dem Wunsch, das Beste aus uns herauszuholen.
Es kann sein, dass wir wirklich hohe Ziele anstreben und für sie kämpfen, aber noch nicht den Grund gefunden haben, warum wir es tun, noch einen Menschen, der unsere Wünsche teilt. Dann müssen wir auf die Suche gehen. Im Gegensatz zu Marktstrategien, billigen Philosophien oder bekannten Persönlichkeiten, die uns weismachen wollen, was wir tun müssen, um glücklich zu leben, gibt uns der Glaube weder fertige Antworten noch Formeln oder Glücksversprechungen, sondern er stellt uns immer neue Fragen: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“, „Wer ist mein Nächster?“, „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“[3] Mit diesen und anderen Fragen, die aus der Lektüre des Evangeliums hervorgehen, stellt uns der Glaube die größte und radikalste Herausforderung, nämlich “das Steuer unseres Lebens in die Hand zu nehmen und ein Kunstwerk daraus zu machen“[4].
Wenn uns Ideale fehlen, die unserem Leben Sinn geben, wer kann uns dann besser orientieren als Gott? Der Glaube weckt in uns diese Unruhe, die das Herz braucht, um eine Antwort zu finden. Vor dem Tabernakel kann die Seele im Stand der Gnade leicht die innere Einheit mit Gott finden. Nur vor seinem Angesicht finden wir das Licht, das uns hilft weiter zu suchen, und wir begreifen schließlich: „Um das Glück zu finden, bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens!“[5]
Auf dem Berg der Seligpreisungen
Das Evangelium berichtet, dass Jesus eines Morgens auf einen Hügel nahe dem See von Galiläa stieg. Er war allein, aber bald folgte ihm eine große Menschenmenge. „Scharen von Menschen aus Galiläa, der Dekapolis, aus Jerusalem und Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan folgten ihm“[6]. So wie wir es mehr als zweitausend Jahre später tun, suchten sie in Christus denjenigen, der ihnen Orientierung geben und ihnen helfen konnte, hohe Ziele anzustreben und ihre Schwächen zu überwinden, und der so ihre Sehnsucht stillen würde.
„Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich und seine Jünger kamen zu ihm.“[7] Auf der Höhe der Berge vollbringt Christus wichtige Dinge: Er wählt die Apostel, er wird verklärt, er verkündet die Seligpreisungen, er stirbt am Kreuz, er fährt zum Himmel auf… Der Aufstieg hat den Herrn Mühe gekostet, aber auf dem Gipfel offenbart eruns seine innige Verbundenheit mit Gott, seinem Vater. Uns kann es auch schwerfallen, anzufangen zu beten, ein paar Minuten innezuhalten im Tagesablauf, um mit Gott zu sprechen, das Handy abzuschalten und die Einsamkeit zu suchen. Aber wenn wir einmal die innere Ruhe gefunden haben – was nicht immer leicht ist –, dann erheben wir uns über die täglichen Mühen und können, wie von der Höhe eines Berges aus,weiter sehen und tiefer. In der Tat brauchen wir die Einsamkeit, denn Gott spricht leise. Auch Verliebte sagen sich die bedeutendsten Sätze leise, weil sie so zum Herzen gelangen.
„Er setzte sich und seine Jünger kamen zu ihm.“[8] Der Herr setzte sich auf den Boden und die Leute taten es ebenso. Wenn ein Rabbiner, ein Meister des jüdischen Gesetzes, sich setzte, wollte er damit zeigen, dass er etwas sehr Bedeutendes lehren wollte. Seine ihm nächsten Jünger, die er kurz zuvor erwählt und beim eigenen Namen gerufen hatte, traten an ihn heran, um kein einziges Wort von seiner Lehre zu verlieren.
Wir fühlen dann, dass das echte Glück am Ende eines Weges liegt, den nicht viele gehen. Deshalb ist es nötig, Ideale anzustreben.
Denn selbst wenn der Herr eine laute Stimme hatte, konnten nur die in seiner unmittelbaren Nähe Sitzenden jede seiner Gesten, jedes Lächeln, jede Stimmführung seiner Rede mitverfolgen. Auch wir haben die Möglichkeit, die Seligpreisungen auf unterschiedliche Weise anzuhören: sie nur oberflächlich aufnehmen wie die Leute, die sich zu den weit entfernten Gruppen setzten und vielleicht den Faden verloren – oder aber einen Platz nahe bei Christus suchen und unseren Blick konzentriert auf ihn richten, mitten unter den Aposteln, um mit ihnen Neues zu lernen.
„Und er öffnete seinen Mund und lehrte sie. Er sagte: ‘Selig sind…“[9] In der Stille jenes Berges nannte der Herr die einzelnen Seligpreisungen. “Sie sind der Plan Jesu für uns“, sagte der Papst. „Lest sie und meditiert sie, das wird euch guttun“.[10] Wir wissen, dass sie das Geheimnis jenes Glücks enthalten, das wir mit alltäglichen Befriedigungen nicht erlangen können. Sie sollen der Leitfaden für unser Gebet sein, und wir wollen sie auf unser tägliches Leben anwenden, damit wir Antworten finden, die allem, was wir tun, Sinn zu geben vermögen.
Nur so werden wir in vielen Jahren lächeln können, wenn wir vor Gott stehen und er uns fragt: „Bist du glücklich gewesen?“
Fragen für das persönliche Gebet:
Habe ich mir hohe Ziele für mein Leben gesteckt? Was hindert mich daran, davon zu träumen? Habe ich Gott schon einmal gefragt, was er von mir erwartet?
Packe ich Dinge an, die mich wirklich glücklich machen (Pläne mit Freunden, Freundinnen, Verlobung, Sport…) und die mich auch der Heiligkeit ein Stück näher bringen?
Ist mir bewusst, dass das, was mich Gott näher bringt (Gebet, Dienst an anderen, Überwinden meiner Fehler…), mir auch hilft, das wahre Glück zu finden?
Welche Talente habe ich? Nutze ich sie, um besser zu werden, d.h. stelle ich sie in den Dienst Gottes und anderer Menschen?
Spreche ich jeden Tag mit Jesus? Suche ich Momente der Einsamkeit – ohne Musik, ohne WhatsApps oder SMS, ohne Zerstreuungen –, damit ich die Stimme Gottes hören kann?
J. Narbona / J. Bordonaba
[1] Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 1005
[2] Papst Franziskus: Botschaft an das Weltjugendtreffen in Krakau (Polen) 2016.
[3] Mk 10, 17; Mt 16, 15; Lk 19, 29; Mk 8, 36.
[4] Johannes Paul II., Begegnung mit Jugendlichen in Cerdena, 22. Sept. 1985.
[5] Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 795
[6] Mt 4, 25
[7] Mt 5, 1
[8] Ebd.
[9] Mt 5, 2.
[10] Papst Franziskus, Rede beim Treffen mit Jugendlichen in Paraguay, 12. Juli 2015.