Auf das Fest des hl. Josef am 19. März bereiten sich viele Gläubige nach langer kirchlicher Tradition während der sieben vorausgehenden Sonntage vor. Heute stellen wir das vierte Kapitel des Schreibens von Papst Franziskus „Patris corde“ zur Lektüre und Betrachtung vor.
Kapitel 4. Vater im Annehmen
Josef nimmt Maria ohne irgendwelche Vorbedingungen an. Er vertraut auf die Worte des Engels. „Der Edelmut seines Herzens lässt ihn das, was er vom Gesetz gelernt hat, der Liebe unterordnen. Heute stellt sich Josef dieser Welt, in der die psychische, verbale und physische Gewalt gegenüber der Frau offenkundig ist, als Gestalt eines respektvollen und feinfühligen Mannes dar, der, obwohl er nicht im Besitz aller Informationen ist, sich zugunsten des guten Rufs, der Würde und des Lebens Marias entscheidet. Und in seinem Zweifel, wie er am besten handeln soll, half ihm Gott bei der Wahl mit dem Licht der Gnade für sein Urteil.“
Oft geschehen in unserem Leben Dinge, deren Bedeutung wir nicht verstehen. Unsere erste Reaktion ist oft die der Enttäuschung und des Widerstandes. Josef lässt seine Überlegungen beiseite, um dem Raum zu geben, was geschieht. Wie rätselhaft es ihm auch erscheinen mag, er nimmt es an, übernimmt Verantwortung dafür und versöhnt sich mit seiner eigenen Geschichte. Wenn wir uns nicht mit unserer Geschichte versöhnen, werden wir auch nicht in der Lage sein, den nächsten Schritt zu tun, denn dann bleiben wir immer eine Geisel unserer Erwartungen und der daraus resultierenden Enttäuschungen.
Das geistliche Leben, das Josef uns zeigt, ist nicht ein Weg, der erklärt, sondern ein Weg, der annimmt. Nur von dieser Annahme her, von dieser Versöhnung her können wir auch eine größere Geschichte, einen tieferen Sinn erahnen. Es scheint wie ein Widerhall der leidenschaftlichen Worte Ijobs, der auf die Forderung seiner Frau, sich gegen all das Böse aufzulehnen, das ihm widerfährt, antwortet: „Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?“ ( Ijob 2,10).
Josef ist kein passiv resignierter Mann. Er ist ein mutiger und starker Protagonist. Die Fähigkeit, etwas annehmen zu können, ist ein Weise, wie sich die Gabe der Stärke, die vom Heiligen Geist kommt, in unserem Leben offenbart. Nur der Herr kann uns die Kraft geben, das Leben so anzunehmen, wie es ist, und selbst dem, was darin widersprüchlich, unerwartet oder enttäuschend ist, Raum zu geben.
Jesu Kommen in unsere Mitte ist ein Geschenk des Vaters, auf dass ein jeder sich mit seiner konkreten eigenen Geschichte versöhnen möge, auch wenn er sie nicht ganz versteht.
Das, was Gott zu unserem Heiligen gesagt hat, „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht« (Mt 1,20), scheint er auch uns zu sagen: „Fürchtet euch nicht!“ Wir müssen unseren Ärger und unsere Enttäuschung ablegen und ohne weltliche Resignation, sondern mit hoffnungsvoller Kraft Platz machen für das, was wir nicht gewählt haben und was doch existiert. Das Leben auf diese Weise anzunehmen führt uns zu einem verborgenen Sinn. Das Leben eines jeden von uns kann auf wundersame Weise neu beginnen, wenn wir den Mut finden, es gemäß den Weisungen des Evangeliums zu leben. Und es spielt keine Rolle, ob alles schief gelaufen zu sein scheint und ob einige Dinge mittlerweile nicht mehr rückgängig zu machen sind. Gott kann Blumen zwischen den Felsen sprießen lassen. Auch wenn unser Herz uns verurteilt, Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles (vgl. 1 Joh 3,20).
Hier geht es wieder um jenen christlichen Realismus, der nichts von dem, was existiert, wegwirft. In ihrer geheimnisvollen Unergründlichkeit und Vielschichtigkeit ist die Wirklichkeit Trägerin eines Sinns der Existenz mit ihren Lichtern und ihren Schatten. Deswegen kann der Apostel Paulus sagen: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht« ( Röm 8,28). Und der heilige Augustinus fügt hinzu: »Auch das, was böse heißt (etiam illud quod malum dicitur)“. In dieser Gesamtperspektive gibt der Glaube jedem glücklichen oder traurigen Ereignis einen Sinn.
Es liegt uns fern, zu meinen, „glauben“ bedeute, einfache vertröstende Lösungen zu finden. Der Glaube, den Christus uns gelehrt hat, ist vielmehr der Glaube, den wir am heiligen Josef sehen, der nicht nach Abkürzungen sucht, sondern dem, was ihm widerfährt, „mit offenen Augen“ begegnet und persönlich Verantwortung übernimmt.
Die Annahmebereitschaft Josefs lädt uns ein, andere nicht auszuschließen, sondern sie so anzunehmen, wie sie sind, besonders die Schwachen, denn Gott erwählt das Schwache (vgl. 1 Kor 1,27), er ist ein „Vater der Waisen, ein Anwalt der Witwen“ (Ps 68,6) und gebietet uns, die Fremden zu lieben.20 Gerne stelle ich mir vor, dass die Haltung Josefs Jesus zum Gleichnis vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Vater inspiriert hat (vgl. Lk 15,11-32).