IM LAUFE ihres Lebens werden die Apostel noch oft zurückblicken und sich an Jesu Worte beim Letzten Abendmahl erinnern. Jetzt, im Abendmahlssaal, wird ihnen vorgekommen sein, als lägen viele Abenteuer der letzten drei Jahren bereits weit zurück, ja als wären sie geradezu unwichtig geworden – weil sie zu ahnen beginnen, dass der Herr etwas Größeres für sie im Plane hatte. Ihr Leben wird einen tiefen Sinn, eine große Reichweite erlangen, ja Bedeutung haben für die ganze Welt. Die Worte Jesu brennen sich für immer ihren Seelen ein: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage (Joh 15,14). Freunde des Gottessohnes selbst! Es war kaum zu glauben. Und gleich darauf wird Jesus bekräftigen, dass niemand eine größere Liebe hat als der, der sein Leben für seine Freunde hingibt. Genau das hat Jesus auch für uns getan: Er erachtet uns als seine Freunde und schenkt uns sein Leben, besonders im Schatz der Sakramente. Deshalb sprechen wir von „Gnade“, weil es ein unverdientes Geschenk ist. Unsere Antwort kann nur in unbedingtem Vertrauen bestehen, wenn wir, mit Worten Papst Benedikts, auch nur einen Schimmer erhaschen von „der bedingungslosen und ,leidenschaftlichen‘ Liebe Gottes, die sich voll und ganz in Jesus Christus zeigt“1.
Wir glauben an die Liebe des Herrn zu jedem von uns. Dies macht unser Leben schön, gibt ihm einen Sinn, eine Richtung und ein Fundament. Es stellt unser Leben in ein helles Licht – das sich im Laufe der Jahre ausdehnt. Der heilige Josefmaria schrieb: „Es ist nicht so schwer zu ahnen, was das Herz Jesu Christi an jenem Abend empfand, dem letzten, den er vor seinem Opfer auf dem Kalvarienberg mit den Seinen verbrachte. Vergegenwärtigt euch einmal eine so menschliche Erfahrung wie den Abschied zweier Menschen, die sich lieben. Sie möchten für immer zusammen bleiben, aber die Pflicht, irgendeine Pflicht zwingt sie, auseinander zu gehen. Am liebsten würden sie sich niemals trennen, doch das steht nicht in ihrer Macht. Da die Liebe des Menschen, mag sie auch noch so groß sein, auf Grenzen stößt, muss sie sich hier mit Zeichen helfen, etwa mit einem Foto und darunter eine so glühende Widmung, dass man meinen könnte, das Papier müsse in Flammen aufgehen. Mehr können sie nicht tun, denn das Tun der Menschen reicht nicht so weit wie ihr Wollen. Doch der Herr kann, was wir nicht können. Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, hinterlässt uns nicht ein Zeichen, sondern eine Wirklichkeit: Er selbst ist es, der bleibt.“2
JEDER KANN sich an den Moment erinnern, in dem Christus stärker in sein Leben eingetreten ist, von dem an wir nicht mehr ohne ihn sein konnten. Für jeden Christen ist die Gemeinschaft mit dem Herrn der Ausgangspunkt der apostolischen Sendung. Petrus, Johannes, Judas, Thaddäus, Jakobus, Philippus ... alle Apostel begreifen, dass diese Sendung in der ganzen Weite ihres Horizonts der Grund ihres Lebens ist. Sie können ihre Freude über ihre Freundschaft mit Christus und ihre Erwählung nicht verbergen. Sie werden sich auf staubige Straßen begeben und bei Sturm und Wetter Meere durchpflügen, sie werden verfolgt werden und Zeugen von Bekehrungen sein ... Dies alles wird sich lohnen, denn nichts wird sie von der Liebe Gottes trennen.
Papst Franziskus predigte: „Als Jesus im Evangelium die Jünger aussendet, täuscht er sie nicht mit der Vorspiegelung leichter Erfolge. Im Gegenteil, er warnt sie ausdrücklich, dass die Verkündigung des Reiches Gottes immer mit Widerspruch einhergeht. (...). Die einzige Stärke des Christen ist das Evangelium. In schwierigen Zeiten muss man fest daran glauben, dass Jesus uns vorausgeht und nicht aufhört, seinen Jüngern nahe zu sein. (...). Im Strom der Ereignisse darf der Christ nicht die Hoffnung verlieren und meinen, er sei verlassen worden. Jesus beruhigt die Seinen, indem er sagt: Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt (Mt 10,30). Das bedeutet, dass kein Leiden des Menschen, nicht einmal das winzigste und verborgenste, unsichtbar bleibt vor den Augen Gottes. Gott sieht es – und gewiss schützt er uns; und er wird uns seine Erlösung schenken. Denn mitten unter uns ist Jemand, der stärker ist als das Böse.“3
Der Herr kommt, um uns zu sagen: Ihr werdet bleibende Früchte bringen, denn ich habe euch zu etwas Großem, zu etwas Schönem bestimmt: zur Weitergabe dessen, was ihr gesehen und gehört habt, bis in die entlegensten Winkel der Erde. Und da es eine Sendung ist, die Gott selbst uns anvertraut hat, bleibt ihre Wirksamkeit unangetastet, auch wenn wir dies mit unseren eigenen Parametern nicht immer messen können. Der heilige Josefmaria pflegte zu sagen, dass „Jesus gleichzeitig der Sämann, der Samen und die Frucht der Saat ist“4. Auf diese Weise werden wir mit fester und erneuerter Hoffnung die Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen durchschreiten.
JEDE SENDUNG, die Christus erteilt, ist eine Sendung der Liebe und des Dienstes. Jeder Christ, vom Letztgetauften bis zu den Nachfolgern der Apostel, lebt seine Berufung als echte Hingabe an die anderen. „Vergessen wir nie“, sagt Papst Franziskus, „dass die wahre Macht im Dienst liegt und dass auch der Papst, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten muss, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat.“5 Dienen ist ein herrliches Wort: Christus ist ein leidender Diener, Maria ist die Dienerin des Herrn. Dienen kann nur, wer zu lieben weiß, und nur der möchte dienen, der gelernt hat, zu dienen. Sich in den anderen hineinversetzen, an die anderen denken, sich nicht aufdrängen, offen sein für andere Standpunkte, für andere Geschmäcker, die Zuneigung des Herrn zu jeder Seele verspüren, sich durch unsere Arbeit um andere kümmern ... All das bedeutet, lieben lernen.
Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe (Joh 15,15), sagt uns Jesus. Deshalb sind wir zu einem Dienst berufen, der darin besteht, mit anderen zu teilen, was wir leben und was uns mit Begeisterung und Frieden erfüllt. Der heilige Josefmaria schrieb: „Gott hat den Menschen so geschaffen, dass er nicht umhin kann, die Gefühle seines Herzens mit anderen zu teilen: Wenn er eine Freude erlebt hat, spürt er in sich eine Kraft, die ihn dazu bringt, zu singen und zu lächeln, andere – auf welche Weise auch immer – an seinem Glück teilhaben zu lassen.“6
„Mit Werken des Dienens“, schrieb er ebenso, „können wir dem Herrn einen noch eindrucksvolleren Triumph bereiten als damals bei seinem Einzug in Jerusalem ... Denn es wird keinen Judas und keine finstere Nacht im Ölgarten geben ... Es wird uns gelingen, das Feuer, das er auf die Erde gebracht hat, zum Brennen zu bringen!“7 Wie bei Maria entfacht sich in uns der Wunsch, jedem Menschen zu dienen, auch wenn es nicht immer leicht ist. „Oh Mutter“, sagen wir mit dem heiligen Josefmaria, „unsere Freude soll wie die deine darin gründen, dass wir bei ihm sind und ihn zu eigen haben.“8
1 Benedikt XVI., Botschaft, 15.10.2012.
2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 83.
3 Papst Franziskus, Audienz, 28.6.2017.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 151.
5 Papst Franziskus, Predigt, 19.3.2013.
6 Hl. Josefmaria, Briefe 37, Nr. 16.
7 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 947.
8 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 95.