Am 25. Januar 1959 überraschte Papst Johannes XXIII. die Welt mit der Ankündigung eines Ökumenischen Konzils. Den Gründer des Opus Dei erfüllte diese Nachricht mit großer Hoffnung, und er bat alle um ihr Gebet »für den guten Erfolg dieser großen Initiative, die das Ökumenische Konzil darstellt«.
Einige seiner Söhne sollten am Konzil teilnehmen, unter ihnen Alvaro del Portillo. In den Jahren des Zweiten Vatikanums suchten viele Konzilsväter die Begegnung mit Escrivá und baten ihn um seine Meinung zu den verschiedenen Themen.
Als er nach dem Abschluß des Konzils die Konzilsdokumente in Händen hielt, fand er den Geist des Opus Dei voll und ganz bestätigt: »Eine meiner größten Freuden bestand gerade darin zu sehen, wie das Zweite Vatikanische Konzil mit großer Klarheit die göttliche Berufung der Laien verkündet hat. Ohne Anmaßung darf ich sagen, daß das Konzil, was unseren Geist angeht, keinerlei Anlaß zu irgendeiner Änderung gegeben, sondern vielmehr all das bestätigt hat, was wir mit der Gnade Gottes seit so vielen Jahren schon leben und lehren. Das Hauptmerkmal des Opus Dei besteht nicht in einigen Techniken oder Methoden des Apostolates, auch nicht in einem bestimmten Aufbau, sondern in einem Geist, der geradewegs zur Heiligung der alltäglichen Arbeit hinführt.«
Der universale Ruf zur Heiligkeit
In der Kirchenkonstitution Lumen gentium heißt es: »Jedem ist also klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert.« Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit war der Angelpunkt der Lehre des Opus-Dei-Gründers. So hatte er beispielsweise bereits in einem Dokument des Jahres 1930 niedergelegt: »Die Heiligkeit ist kein Privileg: Alle sind vom Herrn berufen, von allen erwartet er Liebe: von allen, wo immer sie auch stehen; von allen, unabhängig von ihrem Stand, ihrem Beruf oder ihrem Handwerk.«
Von Anfang an hatte er verkündet, daß alle Gläubigen »eine priesterliche Seele« besitzen, das heißt, am Priestertum Christi teilhaben. Am elften März 1940 schrieb er: »Mit priesterlicher Seele machen wir die Messe zum Mittelpunkt unseres inneren Lebens und streben danach, gemeinsam mit Christus zwischen Gott und den Menschen zu stehen.« Und das Konzilsdekret Presbyterorum ordinis bestätigt: »Jesus der Herr (…) gibt seinem ganzen mystischen Leib Anteil an der Geistsalbung, mit der er gesalbt worden ist. In ihm werden nämlich alle Gläubigen zu einer heiligen und königlichen Priesterschaft, bringen geistige Opfer durch Jesus Christus Gott dar und verkünden die Machttaten dessen, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat. Es gibt darum kein Glied, das nicht Anteil an der Sendung des ganzen Leibes hätte.«
Die christliche Berufung ist eine Berufung zum Apostolat
Daraus folgt, daß alle Gläubigen kraft ihrer mit der Taufe empfangenen Weihe in direkter Weise zu Aposteln bestellt sind. So formuliert es das Dekret Apostolicam actuositatem: »Die Kirche verwirklicht es [das Apostolat], wenn auch auf verschiedene Weise, durch alle ihre Glieder; denn die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat.« Das war im Opus Dei seit seiner Gründung gelebte Wirklichkeit, doch als Beleg läßt sich auch ein Text anführen, den der heilige Josefmaria 1932 verfaßt hat: »Das Vorurteil, wonach die normalen Gläubigen sich darauf beschränken müßten, dem Klerus bei seinen kirchlichen Apostolaten Hilfestellung zu geben, ist entschieden zurückzuweisen. Es ist nicht gesagt, daß das Apostolat der Laien immer in einer Beteiligung am Apostolat der Amtskirche bestehen muß: das Apostolat ist ihr Auftrag. Und das nicht, weil sie ein kirchliches Amt übernommen hätten, sondern weil sie zur Kirche dazugehören; und diesen Auftrag erfüllen sie in ihrem Beruf, in ihrem Handwerk, in ihrer Familie, bei ihren Kollegen und Freunden.«
Wenn man beschreiben wollte, was der Gründer während des Konzils getan hat, dann müßte man sagen: er hat den Heiligen Geist mit intensivem Gebet, viel Arbeit und zahllosen Werken der Buße angefleht, diese allgemeine Kirchenversammlung zu einem guten Ende zu führen, und er hat seine Söhne und Töchter auf der ganzen Welt dazu gedrängt, dasselbe zu tun.
Im November 1965, noch während das Konzil tagte, weihte Papst Paul VI. das ›Centro ELIS‹ im römischen Stadtteil Tiburtino ein. Anwesend waren Tausende von Gläubigen, zahlreiche Bischöfe, die sich wegen des Konzils in Rom aufhielten, und der heilige Josefmaria Escrivá selbst. ELIS ist ein Bildungszentrum für die Arbeiterjugend in dieser damals noch sehr unterentwickelten Vorstadt. Schon der selige Papst Johannes XXIII. hatte dem Opus Dei dieses Zentrum anvertraut. Paul VI. sagte bei dieser Gelegenheit:
»Das alles hier ist Opus Dei!«
Später bekannte der heilige Josefmaria: »Ich war sehr bewegt. Ich war immer bewegt: von Pius XII., von Johannes XXIII. und von Paul VI., weil ich gläubig bin.«