JESUS ist in den Himmel aufgefahren. Obwohl sie Zeugen seiner Auferstehung geworden sind, fürchten sich die Apostel weiterhin vor den jüdischen Obrigkeiten. In dieser Unsicherheit sehen wir sie einmütig im Gebet (Apg 1,14) verharren. Die Gemeinschaft gibt ihnen Halt. Bei diesen Versammlungen nimmt Maria, die Unbefleckte, einen besonderen Platz ein. Sie, die Tochter Gottes des Vaters, war mit der Verkündigung und Menschwerdung Jesu Mutter Gottes des Sohnes und Braut Gottes des Heiligen Geistes geworden. Diese nahe Verbindung zu den göttlichen Personen befähigte Maria, die Herausforderungen ihres Lebens mit Gelassenheit zu nehmen – besonders jene, die sie als Mutter Jesu zu erleiden hatte. Die Apostel suchen Zuflucht bei ihr, weil sie den Frieden spüren, der aus ihrer innigen Gemeinschaft mit Gott hervorgeht.
Mit der Herabkunft des Heiligen Geistes wird dieser Friede noch vollkommener werden, denn dann werden sich die Apostel auf noch vertrautere Weise an Gott als ihren Vater wenden können. Wie Paulus schrieb: Gott hat den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn (Gal 4,6-7). Hierin liegt unsere Stärke und unsere Sicherheit, wie der Prälat des Opus Dei erklärt: „zu wissen, dass wir geliebt werden von einem Vater, der alles weiß und alles kann.“1
An diesem achten Tag der Novene zur Unbefleckten Empfängnis wenden wir uns wie die Apostel an Maria und rufen sie als Königin des Friedens an. Der heilige Josefmaria schrieb: „Ist deine Seele aufgewühlt, droht Kummer in Familie oder Beruf, kündigt sich Unheil in der Gesellschaft oder unter den Völkern an, dann bete zu ihr: Regina pacis, ora pro nobis! – Königin des Friedens, bitte für uns! Hast du das – zumindest in Zeiten innerer Unruhe – schon einmal versucht? Du wirst staunend ihre sofortige Hilfe erfahren.“2
DIE APOSTEL hatten sehr wohl ihre Meinungsverschiedenheiten. Die Evangelien offenbaren ihre unterschiedlichen Charaktere und Vorstellungen, die, wie in jeder Gemeinschaft, sicherlich zu Spannungen führten. Doch im Lauf der Zeit und mit Hilfe der Gnade verwandelten sich ihre Herzen, bis sie zu den Heiligen wurden, die wir heute verehren. In dieser Verwandlung spielte die Jungfrau Maria eine entscheidende Rolle. Ihre Gegenwart förderte die Einheit unter den Aposteln, indem sie sie lehrte, den Frieden mit Gott und miteinander zu suchen – selbst mit denen, die ihnen vielleicht fernstanden oder sogar Feinde zu sein schienen.
Jesus selbst hatte sie gelehrt: Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe! (Mt 5,23-24). Für Jesus war der Friede mit einem Bruder wichtiger als jedes rituelle Opfer. Er wollte nicht, dass wir bloß in einer Art Waffenstillstand leben und uns mit unverheilten Brüchen abfinden. Er wünscht sich, dass wir den wahren Frieden finden, den Frieden, der über persönliche Differenzen hinwegsieht und die Gemeinschaft fördert, in der wir erkennen: Wir sind Kinder Gottes. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Mt 5,9).
Papst Franziskus erinnert: „Diejenigen, die die Kunst des Friedens gelernt haben und praktizieren, heißen Kinder Gottes und wissen, dass es ohne die Hingabe des eigenen Lebens keine Versöhnung gibt und dass der Friede trotz allem immer gesucht werden muss.“3 Niemand versteht es besser, zwei zerstrittene Brüder zu versöhnen, als eine Mutter. Wie die Apostel können auch wir in unserer Unbefleckten Mutter die Kraft finden, um unsere Beziehungen zu heilen und mit dem Frieden Gottes zu erfüllen.
DER FRIEDE, von dem Jesus in der Seligpreisung spricht, ist mehr als inneres Gleichgewicht oder die Abwesenheit von Schwierigkeiten. Papst Franziskus erklärt: „Diese Bedeutung des Wortes ,Frieden‘ ist unvollständig und sollte nicht verabsolutiert werden, denn im Leben kann die Unruhe ein wichtiges Wachstumsmoment sein. Oft ist es der Herr selbst, der Unruhe in uns sät, damit wir uns auf die Suche nach ihm machen, um ihn zu finden.“4 Tatsächlich wird Jesus selbst als Zeichen des Widerspruchs (Lk 2,34) dargestellt, damit wir uns nicht mit unseren eigenen Sicherheiten einen Scheinfrieden sichern. Sein Friede unterscheidet sich grundlegend von dem der Welt (vgl. Joh 14,27).
Wir alle kennen Schwierigkeiten und aufwühlende Situationen. Selbst die Mutter Gottes blieb von Schmerz, Müdigkeit und Unsicherheit nicht verschont. Jesus verspricht uns also keinen oberflächlichen Frieden, der nur auf Harmonie beruht. Der Friede, den er schenkt, ist geprägt von einem tiefen Vertrauen in Gott, unseren Vater. Der heilige Josefmaria schrieb: „Mag auch noch so vieles einstürzen und scheitern, mag noch so große Ungemach unsere Pläne auf den Kopf stellen – nichts wird durch Aufregung besser. Erinnere dich vielmehr an das vertrauensvolle Gebet des Propheten: Der Herr ist unser Richter, der Herr gibt uns Gesetze, der Herr ist unser König, Er wird uns retten. Bete es täglich mit Andacht, um dein Verhalten stets nach den Plänen der göttlichen Vorsehung zu richten, die uns zu unserem Wohle leitet.“5
Wenn etwas in ihrem Leben geschah, das sie beunruhigte, weil sie es nicht verstand, reagierte Maria so: Sie bewahrte es in ihrem Herzen (vgl. Lk 2,51). Wie die Apostel in den Anfängen der Kirche wollen wir in unseren Sorgen bei der Unbefleckt Empfangenen Zuflucht suchen – und in diesem Vertrauen unseren Frieden finden.
1 Msgr. Fernando Ocáriz, Betrachtung, 8.10.2022.
2 Hl. Josefmaría, Die Spur des Sämanns, Nr. 874.
3 Franziskus, Audienz, 15.4.2020.
4 Ebd.
5 Hl. Josefmaría, Die Spur des Sämanns, Nr. 855.
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