DIE LATERANBASILIKA ist die erste Kirche Roms, die eigens für den Gottesdienst errichtet wurde. Bis dahin fanden die Eucharistiefeiern in Privathäusern statt. Diese frühen Hauskirchen oder domus ecclesiae waren Vorläufer der späteren Kirchen. Das Grundstück, über dem die Lateranbasilika errichtet wurde, hatte einst der römischen Familie der Plautii Laterani gehört – daher der Name –, war dann von Kaiser Nero geraubt und von Kaiser Konstantin wiederum für den Kirchenbau zur Verfügung gestellt worden. Bis dahin hatte die Kaserne der kaiserlichen Garde darauf gestanden. Die Kirche wurde 324 von Papst Sylvester eingeweiht. Sie war ursprünglich Christus, dem Erlöser, geweiht, im Mittelalter wurden Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist als Patrone hinzugefügt. Über viele Jahrhunderte, bis zum Exil in Avignon, war die Lateranbasilika Sitz des Papstes und erhielt daher den Titel omnium ecclesiarum mater et caput – „Mutter und Haupt aller Kirchen“ –, der bis heute auf einer Inschrift am Eingang zu lesen ist.
Der Weihetag der Lateranbasilika, den wir heute begehen, ist eine willkommene Gelegenheit, um nicht nur die Verbundenheit mit dem Stuhl Petri zu erneuern, sondern auch den Wert sakraler Räume, die ausschließlich dem Gottesdienst gewidmet sind, zu würdigen. Eine der Präfationen der heutigen Messe hat dafür schöne Worte gefunden: „In jedem Haus des Gebetes wohnst du als Spender der Gnade, als Geber alles Guten. (...) Im sichtbaren Bau erkennen wir das Bild deiner Kirche, die du zur Braut deines Sohnes erwählt hast. Du heiligst sie Tag für Tag, bis du sie, unsere Mutter, in die Herrlichkeit aufnimmst mit der unzählbaren Schar ihrer Kinder. Darum preisen wir dich in deiner Kirche ...“1
Die sichtbaren Kirchengebäude sind also Symbol für die unsichtbare Kirche, die aus allen Getauften besteht – den „lebendigen und auserwählten Steinen“2, wie wir im Tagesgebet beten. Am heutigen Fest bitten wir den Herrn, dass er uns helfe, die Kirche durch unser Leben aufzubauen, sodass wir einst, wie wir im Schlussgebet beten, das „himmlische Jerusalem“3, unsere ewige Heimat, erreichen.
DIE WAHREN BETER werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten (Joh 4,23), antwortete Jesus der Samariterin, die ihn nach dem richtigen Ort für den Gottesdienst fragte. Jesus macht damit deutlich, dass es beim Gebet weniger auf den materiellen Ort ankommt, als darauf, dass Gott im Herzen eines jeden Menschen wohnt (vgl. Joh 14,23). Paulus lehrte später auf dem Areopag, dass, der Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschenhänden dienen, als ob er etwas brauche, er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt (Apg 17,24-25).
Die Transzendenz Gottes und die Bedeutung eines persönlichen, inneren Umgangs mit ihm schließen jedoch nicht aus, dass wir Menschen Orte brauchen, an denen uns seine Nähe deutlicher spürbar wird. Hinzu kommt, dass wir nicht allein gerettet werden, sondern als Gemeinschaft, als Volk Gottes. Darauf weist das aus dem Griechischen abgeleitete lateinische Wort für Kirche, „Ecclesia“, hin: Es bedeutet „Versammlung“ oder „Zusammenkunft“. In der Kirche – ob groß oder klein – versammeln wir uns mit anderen Gläubigen und wird Christus unter uns gegenwärtig, besonders in der Eucharistie. Jesus selbst verspricht seine Gegenwart überall dort, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20).
Mein Haus soll ein Haus des Gebetes genannt werden (Mt 21,13), rief Jesus den Händlern im Tempel zu. Diese Worte laden uns ein, über unsere Haltung nachzudenken, wenn wir eine Kirche oder Kapelle betreten: Wissen wir uns im Haus Gottes? Richten wir unseren Blick sofort auf den Tabernakel, wo die Eucharistie aufbewahrt wird? Schaffen wir in uns eine Sammlung, die uns beten lässt? Haben wir den Wunsch, ihn anzubeten und ihm für seine Nähe, seine Geduld und die Vertrautheit, die er uns auf so menschliche und zugleich wunderbare Weise schenkt, zu danken?
FRANZ VON ASSISI bat die Leiter seines Ordens an jedem Ort eindringlich, „die Kleriker in aller Demut zu bitten, den heiligsten Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus (...) über alles zu verehren.“4 Er wünschte daher auch, dass die liturgischen Gefäße, die Kelche, Korporale, Altardecken und alle Gegenstände, die im Gottesdienst verwendet werden, würdevoll und kostbar gestaltet seien. Diese Achtsamkeit gegenüber den sakralen Orten und Gegenständen entspringt einem tiefen Glauben, einer innigen Liebe und Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns so nahe gekommen ist. Denn neben dem Verstand unterstützen Sinne und Gefühle unser Bemühen, uns Gott zu nähern.
Der Gründer des Opus Dei legte im gleichen Sinn höchsten Wert darauf, dass alle Gegenstände rund um die Eucharistie unsere Liebe widerspiegeln sollen. Und er verteidigte dies mit einem anschaulichen Vergleich: „Würde ein Mann seiner Frau zum Zeichen seiner Zuneigung einen Sack Zement und drei Eisenstangen schenken, dann – versprochen – werden wir dasselbe mit unserem Herrn tun, der im Himmel und in unseren Tabernakeln gegenwärtig ist.“5 Er betonte, dass er jede Schwäche verstehe, ihm der nachlässige Umgang mit dem Gottesdienst aber unbegreiflich sei. „Ich denke“, sagte er oft, „dass Gott mit besonderer Zuneigung auf jene Menschen herabschauen wird, die in alles, was sich auf den Gottesdienst bezieht, Liebe hineinlegen – die darauf achten, dass die Kirchen würdig und einladend wirken, dass die Altäre strahlen und die heiligen Gewänder schön und gepflegt sind. Er wird leichter über ihre Schwächen hinwegsehen, weil sie mit diesen Feinheiten ihren Glauben und ihre Liebe zeigen.“6
Maria selbst sorgte während ihres ganzen Lebens für Jesus mit aller Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit. Bitten wir unsere Mutter am Tag der Weihe der Lateranbasilika, dass auch wir auf die kleinen Dinge achten, die ihren Sohn herzlich erfreuen können.
1 Präfation Am Jahrestag der Kirchweihe. B: Jahrestag einer anderen Kirche.
2 Messe vom Weihetag der Lateranbasilika, Tagesgebet.
3 Ebd., Schlussgebet.
4 Franz von Assisi, 1. Brief an die Kustoden.
5 Hl. Josefmaria, Briefe 6, Nr. 28.
6 Hl. Josefmaria, Instruktion, 9.1.1935, Fußnote 167.

