Betrachtungstext: 20. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Arbeit, die ursprüngliche Berufung des Menschen – Eine neue Dimension – „Neid“ auf die Großzügigkeit Gottes

DAS EVANGELIUM der Messe stellt uns eine immer wieder verstörende Parabel vor: die Geschichte vom Weinbergbesitzer, der im Lauf des Tages Arbeiter anwirbt und am Ende allen denselben Lohn erteilt – unabhängig davon, wie lange sie gearbeitet haben (vgl. Mt 20,1-16). Diese Szene hat über die Jahrhunderte hinweg zu ganz unterschiedlichen Auslegungen geführt. In unserer Zeit sticht ein Aspekt besonders hervor: das Schicksal vieler Menschen, die – wie die Tagelöhner im Gleichnis – auf Arbeit warten. Arbeitslose befinden sich oft in einer doppelten Not: Zum einen fehlen die Mittel zum Lebensunterhalt, zum anderen leidet ihre Würde, denn Arbeit ist mehr als Erwerb. Sie ist ein menschliches Grundbedürfnis – ein Weg für Frauen und Männer, um sich als Personen zu verwirklichen, anderen einen Dienst zu leisten und die Welt mitzugestalten, um sie Gott näherzubringen. Papst Johannes Paul II. unterstrich in seiner Enzyklika Laborem exercens, dass „die Arbeit eine fundamentale Dimension der Existenz des Menschen auf Erden darstellt“1.

Der heilige Josefmaria lehrte: „Die Arbeit ist die ursprüngliche Bestimmung des Menschen und ein Segen Gottes. Sie als Strafe anzusehen, ist ein bedauerlicher Irrtum.“2Für die meisten Menschen besteht der Weg der Heiligkeit darin, „die eigene Arbeit zu heiligen, sich in dieser Arbeit zu heiligen und die anderen durch die Arbeit zu heiligen“3. Vielleicht können wir uns in dieser Zeit des Gebets fragen: Wie heilige ich meine Arbeit – indem ich sie mit Ernst und Hingabe verrichte, nachdem ich sie in der Messe Gott aufgeopfert habe? Wie heilige ich mich in meiner Arbeit – durch die geduldige Bemühung in den Tugenden in Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist, damit er mich durch mein Tun in einen anderen Christus verwandle? Und schließlich wie heilige ich andere durch meine Arbeit – indem ich durch meine Gegenwart Licht und Wärme ausstrahle und für meine Mitmenschen Christus bin und jedem einzelnen eine aufrichtige Freundschaft entgegenbringe?


AUS MENSCHLICHER Sicht neigen wir dazu, Arbeit nach ihrer Sichtbarkeit, Bezahlung oder gesellschaftlichen Anerkennung zu bewerten. Manchmal nimmt sie im Leben sogar zu viel Raum ein – so sehr, dass sie die Beziehung zu Gott, das Familienleben oder echte Freundschaften verdrängt. Es ist daher hilfreich, innezuhalten und sich zu fragen: Was ist der tiefere Sinn meiner Arbeit? Arbeite ich so, wie Gott es möchte? Was schätzt der Herr an meinem Tun?

Der Gründer des Werkes sagte: „Der Mensch soll nicht nur schaffen, herstellen und produzieren. Die Arbeit entspringt der Liebe, ist Ausdruck der Liebe und zielt hin auf die Liebe.“4 Es ist die Liebe, die der Herr an unserer Arbeit schätzt und die eine scheinbar unbedeutende Aufgabe zu etwas Großartigem und Heldenhaftem machen kann. Einmal sagte der heilige Josefmaria zu zwei Männern, die im Garten eines Einkehrtagehauses arbeiteten: „Fabelhaft, wie ihr euch um all diese Pflanzen und Blumen kümmert … Und was meint ihr: Welche Arbeit ist wohl wertvoller: eure oder die eines Ministers?“ Als sie schwiegen, fuhr er fort: „Es hängt davon ab, wie viel Liebe ihr in eure Arbeit legt: Wenn ihr mehr Liebe hineinlegt als ein Minister, dann ist eure Arbeit wertvoller.“5

Ein Christ, der die Liebe Gottes – ausgegossen in sein Herz durch den Heiligen Geist (vgl. Röm 5,5) – in sich trägt, wird diese Liebe dankbar weitergeben. Arbeiten aus Liebe schließt andere legitime Beweggründe – Lohn, Anerkennung, Befriedigung nach getaner Pflicht – nicht aus, sondern ordnet sie neu.Deshalb erinnert uns der heilige Paulus: Und wenn ich alle Erkenntnis hätte (…), hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts (1 Kor 13,2). Dasselbe gilt für die Arbeit: Wenn sie von der Liebe zu Gott getragen ist und seiner Verherrlichung dient, erhält jede Aufgabe – ob einfach oder komplex – einen übernatürlichen Wert.Was zählt, ist, wie der heilige Josefmaria sagte, „das Bemühen, das Menschliche auf göttliche Weise zu tun, gleichgültig, ob es sich um große oder kleine Dinge handelt, denn durch die göttliche Liebe gewinnt alles eine neue Dimension.“6


DAS GLEICHNIS vom Weinbergbesitzer spricht auch eine andere Realität an: den Neid. Diejenigen Arbeiter, die seit dem frühen Morgen ihren Dienst leisteten, beklagen sich, dass sie denselben Lohn erhalten wie jene, die später kamen. Ähnlich verhielten sich manche Pharisäer, die ihre eigene Gerechtigkeit betonten und nicht ertragen konnten, dass Jesus sich den Sündern zuwandte. Statt sich an der göttlichen Barmherzigkeit zu erfreuen, empfanden sie diese als ungerecht. Wie die Arbeiter vom Gleichnis können sie „die Schönheit der Geste des Gutsbesitzers nicht sehen, der nicht ungerecht, sondern einfach großherzig war und nicht nur auf den Verdienst, sondern auch auf den Bedarf geschaut hat“, so sagte Papst Leo XIV. „Gott will sein Reich allen geben: das Leben in Fülle, ewig und glückselig. Und so macht Jesus es auch mit uns: Er stellt kein Ranking auf, sondern schenkt sich dem, der ihm das Herz öffnet, selbst ganz hin.“7

Neid – eines der ältesten Laster der Menschheit – erzeugt bittere Traurigkeit im Herzen und kann zum äußersten Hass führen. Als Kain sah, dass Gott Abels Opfer wohlgefiel, während seines zurückgewiesen wurde, überlief es ihn ganz heiß und sein Blick senkte sich (Gen 4,5). Anstatt sich über das Gute zu freuen, das sein Bruder empfing – er selbst hatte als Erstgeborener von Adam und Eva ebenfalls viele Gaben erhalten –, wurde er vom Neid zerfressen – und ermordete ihn. Papst Franziskus wies darauf hin, dass an der Wurzel des Neids oft ein falsches Gottesbild stehe: „Man akzeptiert nicht, dass Gott seine ,Mathematik‘ hat, die anders ist als unsere. (…) Wir wollen ihm unsere egoistische Logik aufdrängen – doch seine Logik ist die Liebe. Die Gaben, die er uns schenkt, sind dazu da, geteilt zu werden.“ Das Gegenmittel gegen den Neid sieht der Papst in der Mahnung des heiligen Paulus an die Christen: Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! (Röm 12,10).8

Bitten wir die Muttergottes, dass sie uns ein weites Herz schenkt – eines, das sich aufrichtig über die Gaben freut, die ihr Sohn anderen schenkt. Möge sie uns lehren, die Großzügigkeit Gottes dankbar zu betrachten, und helfen, mit reiner Freude und ohne Vergleich zu leben – in der Freiheit der Kinder Gottes, die wissen: Jeder ist auf seine Weise von der Barmherzigkeit Gottes umfangen.


1 Hl. Johannes Paul II., Laborem exercens, Nr. 4.

2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 482.

3 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 55.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 48.

5 Salvador Bernal, Msgr. Josemaría Escrivá de Balaguer. Aufzeichnungen über das Leben des Gründers des Opus Dei, Adamas, S. 184.

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 60.

7 Leo XIV., Audienz, 4.6.2025.

8 Franziskus, vgl. Audienz, 28.2.2024.

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