Betrachtungstext – 16. Woche im Jahreskreis – Sonntag (C)

Müde, aber zufrieden – Sich heiligen beim Kartoffelschälen – Der Hang, uns zu vergleichen

MARTA und Maria nehmen Jesus und die Apostel in ihrem Haus auf. Wir wissen nicht, ob ihr Besuch überraschend kam oder ob sie sich angekündigt hatten. In jedem Fall fühlt sich Marta als gute Gastgeberin verantwortlich dafür, dass sich ihre Gäste wohlfühlen. Sie sorgt sich darum, dass alles in Ordnung ist, dass genügend zu essen und zu trinken bereitsteht, dass es an nichts fehlt. Mit Eifer geht sie ihren Aufgaben nach, doch bald merkt sie, dass ihr die Zeit davonläuft – es gibt mehr zu tun, als sie allein schaffen kann. Zu allem Überfluss scheint ihre Schwester Maria vergessen zu haben, ihren Part zu übernehmen: Statt mitanzupacken, sitzt sie zu Füßen Jesu und hört seinen Worten zu. Schließlich hält Marta es nicht mehr aus und sie wendet sich empört an den Herrn: Kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden (Lk 10, 40-42).

Diese Erfahrung Martas ist uns wahrscheinlich vertraut. Auch wir stehen im Alltag oft unter Druck: Familie, Arbeit, soziale Verpflichtungen, unerwartete Ereignisse – vieles scheint gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit zu fordern. Und am Ende des Tages fühlen wir uns leer, weil wir das Gefühl haben, nicht allem gerecht geworden zu sein. Doch wie Papst Franziskus betont, liegt das Problem nicht unbedingt in einem Zuviel an Aktivität, sondern darin, wie wir diese Aktivitäten leben: Schuld an unserer Erschöpfung sind „vor allem die schlecht gelebten Aktivitäten: ohne die entsprechenden Beweggründe, ohne eine Spiritualität, die die Tätigkeit prägt und wünschenswert macht. Das ist der Grund, weshalb die Pflichten als übermäßig ermüdend empfunden werden und manchmal krank machen.“ Statt als „eine friedvoll-heitere Anstrengung“ wird die Arbeit dann als „eine angespannte, drückende, unbefriedigende und letztlich nicht akzeptierte Mühe“ erlebt.1

Jesus fordert Marta nicht dazu auf, ihre Pflichten zu vernachlässigen, sondern sie so zu erfüllen, dass sie das Wesentliche nicht aus dem Blick verliert: die Begegnung mit ihm. Es geht darum, in den Gästen nicht bloß Wesen zu sehen, die zu versorgen sind, sondern in allem das Angesicht Christi zu erkennen. So wird die Arbeit nicht zur Last, sondern zu einem Ort der inneren Freude – weil wir wissen, dass wir das Wesentliche haben: die Nähe des Herrn, der mit uns ist. Wie der heilige Josefmaria schrieb: „Der Meister geht auf seinem Weg immer wieder sehr nahe an uns vorüber. Er sieht uns an … Wenn du auf ihn blickst und auf ihn hörst und dich ihm nicht verweigerst, dann wird er dich lehren, all dein Tun auf die Ebene des Übernatürlichen zu heben. Wo immer du bist, wirst auch du dann Trost, Frieden und Freude säen.“2


ES GIBT viele Arten, unsere Aufgaben zu erfüllen. Wir können eine E-Mail schreiben, einen Bericht verfassen oder ein Essen zubereiten, weil wir es „halt tun müssen“ – oder mit dem Wunsch, anderen wirklich etwas Gutes zu tun. Eine kleine Gefälligkeit kann mit mürrischer Miene erledigt werden, weil nichts anderes übrig bleibt, weil man einen guten Eindruck machen will – oder um Gott zu verherrlichen und den Nächsten zu lieben. Gerade in diesen alltäglichen kleinen Kämpfen begegnen wir dem Herrn – wie Marta in ihrer Geschäftigkeit und wie Maria im aufmerksamen Zuhören.

Dass wir über das rein Materielle hinauswachsen können, hat der heilige Josefmaria von Anfang an betont. Er schreibt: „Du bist in der Küche, nahe beim Herd, während du mir schreibst. Es fängt schon an, dunkel zu werden, und es ist kalt. Neben dir schält deine Schwester Kartoffeln. Sie hat als jüngste und letzte von euch die ,göttliche Torheit‘ einer konsequent gelebten christlichen Berufung entdeckt. Du denkst: Scheinbar tut sie genau dasselbe wie früher, und doch ist der Unterschied gewaltig! Ganz sicher, denn früher schälte sie ,nur‘ Kartoffeln und nichts mehr. Jetzt aber ist sie beim Kartoffelschälen dabei, sich zu heiligen.“3

Wenn wir in dem, was wir tun, Gott suchen und uns ehrlich den anderen schenken, wächst in uns eine stille Freude, die aus der Demut geboren ist. Das christliche Leben besteht nicht darin, Leistungen anzuhäufen, die eines Tages im Himmel belohnt werden, sondern darin, schon hier auf Erden das Hundertfache zu empfangen – weil wir unser Leben mit Jesus teilen dürfen. Papst Benedikt XVI. formulierte es so: „Gott will uns an seiner göttlichen und ewigen Freude teilhaben lassen. So lässt er uns entdecken, dass der Wert und der tiefe Sinn unseres Lebens darin liegen, von ihm angenommen, aufgenommen und geliebt zu sein, (…). Diese unendliche Liebe Gottes für einen jeden von uns offenbart sich in ganzer Fülle in Jesus Christus. In ihm finden wir die Freude, die wir suchen.“4


MARTA verlor ihren Frieden nicht nur wegen der Fülle an Aufgaben, die sie zu erledigen hatte, sondern auch weil sie sich mit ihrer Schwester verglich: Sie war nicht bereit zu akzeptieren, dass sie sich um alles kümmern musste, während ihre Schwester so entspannt da saß. Unabhängig davon, ob Marta mehr oder weniger Recht hatte, handelt es sich um eine Reaktion, die auch uns passieren kann: Wir neigen dazu, unsere Arbeitsbelastung mit der unserer Mitmenschen zu vergleichen. Und wenn wir merken, dass es ein Ungleichgewicht gibt, sind wir oft genervt – genau wie Marta.

Dann versuchen wir, fairere Lösungen zu finden, Hilfe einzufordern oder Aufgaben neu zu verteilen. Das ist oft sinnvoll – und zugleich eine Gelegenheit, über unsere innere Haltung zur Arbeit nachzudenken: Sehe ich meine Aufgabe als Last oder als Möglichkeit, Gott zu verherrlichen und anderen zu dienen? Je nachdem fällt auch meine Reaktion auf das empfundene Ungleichgewicht ganz unterschiedlich aus.

Vergleiche ziehen wir nicht nur in der Arbeit, sondern auch in anderen Bereichen: Aussehen, Tugenden und Fehler, soziale Stellung, wirtschaftliche Lage… Oft lassen uns solche Vergleiche traurig oder neidisch werden – oder geben uns eine trügerische Genugtuung. In jedem Fall erzeugen sie Abhängigkeit: Statt dankbar für das zu sein, was Gott uns anvertraut hat – Talente, Beziehungen, Aufgaben –, messen wir dem Urteil anderer mehr Bedeutung bei als dem liebevollen Blick Gottes, der allein beständig ist. Wenn wir hingegen beginnen, unser Leben mit den Augen Gottes zu betrachten – „Gott liebt uns, wie wir sind, nicht, wie wir gerne sein würden“5–, dann erfahren wir eine tiefe Freude, der kein Vergleich etwas anhaben kann.

Und wir entdecken die mütterliche Liebe Mariens, die uns anblickt – als gäbe es niemanden sonst. Der heilige Josefmaria hielt fest: „Kein Menschenherz kann ,menschlicher‘ sein als eines, das übervoll ist vom Verlangen nach dem Göttlichen… Denke nur an Maria, die Gnadenvolle, (…) : In ihrem Herzen findet die ganze Menschheit Raum, unterschiedslos und uneingeschränkt. Jeder ist ihr Sohn, ihre Tochter.“6


1 Vgl. Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 82.

2 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 8. Station, Nr. 4.

3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 498.

4 Benedikt XVI., Botschaft, 15.3.2012.

5 Franziskus, Ansprache, 3.8.2023.

6 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 801.

Foto: Sergio Kian (unsplash)