IN JENEM Dorf, El Karim, hörten die Nachbarn und Verwandten, welch großes Erbarmen der Herr Elisabeth erwiesen hatte (vgl. Lk 1,58). Ringsum freute man sich und staunte angesichts der besonderen Zeichen, die diese Geburt umgaben, und die Menschen fragten sich voller Erwartung: Was wird wohl aus diesem Kind werden? (Lk 1,66). Als der Vater des Kindes endlich wieder reden konnte, waren seine ersten Worte allein Gotteslob und Segenswünsche. Zacharias ging über vor Freude und Dankbarkeit, und die Umstehenden spürten, dass all diese Ereignisse von Gott gelenkt waren. Darum bewahrten sie jedes seiner Worte in ihren Herzen.
Weihnachten steht vor der Tür, und wir möchten neu vom Erbarmen hören, das Gott uns erwiesen hat. Wir wollen keinen Moment versäumen, wenn er in unsere Geschichte eintritt und uns das wunderbare Geschenk der Erlösung bringt. Wir haben uns bereits aufgemacht, unseren Retter zu sehen, der in einer Krippe auf die Welt kommt. Und wenn wir vor ihm stehen, wollen wir – wie Papst Franziskus empfiehlt – „im Schweigen verharren und jenes Kind sprechen lassen; prägen wir uns seine Worte in unsere Herzen ein, ohne unseren Blick von seinem Antlitz abzuwenden. Und wenn wir es dann in die Arme nehmen und uns von ihm umarmen lassen, wird es uns den Herzensfrieden schenken, der kein Ende kennt.“1
Im heutigen Evangelium hören wir von der Geburt des Vorläufers. Er ist nicht der Messias, und er weiß es. Einige werden ihn darauf ansprechen, und wir kennen seine stets gleiche Antwort: Er muss wachsen, ich aber geringer werden (Joh 3,30). Sich zurücknehmen und den Herrn wirken lassen, ist oft nicht leicht. Sicherlich haben wir uns apostolisch eingesetzt und viel für bestimmte Menschen gebetet. Dennoch versteht der wahre Apostel, im Hintergrund zu bleiben; er weiß, dass er nicht unersetzlich ist, und will nicht im Mittelpunkt stehen. Seine Aufgabe besteht darin, die Botschaft Christi zu weiterzugeben, nicht die eigene. Johannes der Täufer lehrt uns, gute Vorläufer Jesu zu sein, damit dieser in das Leben unserer Mitmenschen eintreten kann.
DER APOSTEL sieht stets Frucht, denn er weiß, dass nichts von dem verloren geht, was er gemeinsam mit Jesus Christus unternimmt. Er lebt seine Sendung mit Freude, auch wenn keine unmittelbaren Ergebnisse zu sehen sind, denn Gott vollzieht die Erlösung auf geheimnisvolle Weise. Die Geburt Jesu, die wir in Kürze feiern, geschah fast unbemerkt. Und Johannes ist ein vorbildlicher Vorläufer, weil er wie Jesus handelt: schlicht, verborgen und ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Der heilige Augustinus sagte über ihn: „Er sah, wo die Rettung wohnte, er verstand, dass er nur eine Fackel war, und er fürchtete, vom Wind des Stolzes ausgelöscht zu werden.“2
Diese Haltung des Sich-Verbergens und Zurücktretens erfüllt die Seele des Apostels mit Frieden. Er erkennt sich als Werkzeug in Gottes Händen. In guten Zeiten sieht er, dass Gott gewirkt hat; in schwierigen bleibt er ruhig, weil er darauf vertraut, dass Gott alles in die rechten Bahnen lenkt. Diese innere Haltung nimmt ihm Angst und Anspannung, ohne die Begeisterung und Spontaneität zu ersticken. Wie wohltuend ist es, dem Herrn sagen zu können – gerade dann, wenn uns etwas zu entgleiten scheint –, dass wir auf ihn vertrauen; dass wir nichts für uns selbst suchen, sondern bereit sind, der Kanal zu sein, durch den er anderen sein Glück schenkt.
Viele Heilige haben diese Demut gelebt. Sie wollten Jesus nachahmen und – wie er – allein die Ehre Gottes suchen. Sich zu verbergen bedeutet dabei keineswegs, die eigene Sendung schleifen zu lassen. Johannes der Täufer und andere Heilige waren demütig – und zugleich tief mit den Menschen verbunden. Der heilige Josefmaria schrieb einmal: „Seit ich beschloss, auf die Stimme Gottes zu hören – als ich die Liebe Jesu zu ahnen begann –, spüre ich in meiner Seele das Verlangen, mich zu verbergen und zu verschwinden; jenes illum oportet crescere, me autem minui (Joh 3,30) zu leben; die Ehre Gottes soll wachsen, und mich soll man nicht sehen.“3 Und an anderer Stelle fasste er es noch kapper: „Mich verbergen und verschwinden, das ist das Meine; nur Jesus soll leuchten.“4
JOHANNES ging Jesus auch auf dem Weg des Leidens voraus. Es muss für ihn eine große Freude gewesen sein, zu sehen, wie seine Jünger den Messias fanden und ihm nachfolgten. Als er schließlich ins Gefängnis kam, ahnte er vielleicht, dass sein Opfer Teil des göttlichen Plans war. Er wusste jedoch nicht, dass Jesus bald denselben Weg gehen sollte.
Der Täufer ist der Größte, der von einer Frau geboren wurde (vgl. Mt 11,11), und dennoch lebte er im Verborgenen. Sein Name bedeutet „von Gott begünstigt“. So dürfen wir sagen: Gott macht jene glücklich, die sich selbst zurücknehmen, und schenkt ihnen Frieden. Ihre Bürde wird sanft, und ihre Last wird leicht.
Der Plan Gottes verwirklicht sich in Stille, ohne dass viele davon wissen. Wir wollen, dass Christus herrscht – und er selbst hat bestimmt, auf welche Weise er dies tun wird: vom Kreuz aus, durch den Schmerz, den die Übernahme der Sünden aller Menschen mit sich bringt. Doch die Prophezeiung der göttlichen Demut bis zum Äußersten erfüllt sich bereits bei seiner Geburt. Papst Benedikt sagte: „Gottes Sichbeugen hat einen unerhörten und bis dahin unvorstellbaren Realismus angenommen. (...). Der Schöpfer, der alles in Händen hält, von dem wir alle abhängen, macht sich klein und der menschlichen Liebe bedürftig. Gott ist im Stall. (...). Denn wie könnte seine Liebe zum Menschen, seine Sorge um ihn größer und reiner erscheinen? (...). Nichts kann größer sein als eine Liebe, die sich so tief herabbeugt, so weit heruntersteigt, sich derart abhängig macht.“5
Wir bitten die Jungfrau Maria, die demütige Frau aus Nazaret, uns zu helfen, wirksame und schlichte Werkzeuge in den Händen ihres Sohnes zu sein.
1 Franziskus, Homilie, 24.12.2015.
2 Hl. Augustinus, Sermo 293, „Vidit ubi haberet salutem: lucernam se intellexit, et ne exstingueretur vento superbiae timuit.“
3 Hl. Josefmaria, Brief 29.12.1947/14.2.1966, Nr. 16.
4 Ders., Brief 28.1.1975.
5 Benedikt XVI., Homilie, 24.12.2008.

