MIT DEM Hochfest Christkönig neigt sich das Kirchenjahr seinem Ende zu. In den vergangenen Wochen hat uns die Liturgie eingeladen, über das Ziel unseres Lebens, über Tod und Ewigkeit nachzudenken. Nun richtet sie unseren Blick auf die große Gewissheit des Glaubens: Jesus Christus ist der Herr der Geschichte – der Weltgeschichte und zugleich jeder persönlichen Geschichte. Der heilige Paulus bezeichnet ihn als das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden (Kol 1,15-16). Nichts geschieht außerhalb seines Blickes; keine unserer Sorgen, keine Sehnsucht bleibt unbeachtet. Er regiert alles – nicht mit Machtgesten, sondern mit der Sanftmut seiner Liebe.
Der selige Álvaro del Portillo wählte zu seinem bischöflichen Wahlspruch die Worte: Regnare Christum volumus – „Wir wollen, dass Christus herrscht.“ Es war eines jener Stoßgebete, die schon der junge Josefmaria Escrivá zu beten pflegte: „Christus soll herrschen, vor allem in unserer Seele.“ Und er gibt uns zu bedenken: „Was würden wir antworten, wenn Jesus uns fragte: Willst du, dass ich in dir herrsche? Ich würde sagen, dass ich dazu die Fülle seiner Gnade brauche. Denn nur so wird sich alles verwandeln in ein Hosianna, in einen Freudenruf zu Christus, meinem König: jeder Herzschlag, jeder Atemzug, selbst jeder flüchtige Blick, jedes einfache Wort, jede Empfindung.“1
Papst Franziskus sagte in einer Predigt zum Christkönigsfest: „Jesus lädt uns heute ein, ihn als unseren König anzunehmen – den König, der uns mit seinem Wort, mit seinem Beispiel und mit seinem am Kreuz hingegebenen Leben aus dem Tod gerettet hat. Er weist uns den Weg, er schenkt unserem von Angst, Zweifel und Mühen gezeichneten Leben neues Licht. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass sein Königtum nicht von dieser Welt ist. Er gibt unserem Leben neuen Sinn, aber nur, wenn wir uns nicht von der Logik dieser Welt und ihrer ,Könige‘ bestimmen lassen.“2
BIS KURZ vor seinem Tod wird Jesus verhöhnt. Die Führer des Volkes und die Soldaten spotten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! (Lk 23,37). Sein Königtum bleibt vor den Augen dieser Menschen verborgen. Sie sahen die wahre Macht in den Händen derjenigen, die einen Großteil der bekannten westlichen Welt politisch beherrschten. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass dieser Mensch, der am Kreuz sterben sollte, von weltbewegender Bedeutung war.
Die Antwort des Herrn auf diesen Hohn ist beredt: Er verteidigt sich nicht. Seine Herrschaft ist die desjenigen, der sich selbst hingibt – und nur auf diese Weise beginnt das Heil. Jesus will, so sagte Benedikt XVI., „den Willen des Vaters bis zum Letzten erfüllen und sein Reich nicht mit Waffen und Gewalt errichten, sondern mit der scheinbaren Schwachheit der Liebe, die ihr Leben hingibt. Das Reich Gottes ist ganz anders als die irdischen Reiche.“3 Es ist diese scheinbare Schwäche, die die Freiheit der Seelen gewinnt, es ist die Zerbrechlichkeit des Herrn, die der Welt und den Menschen Leben einflößt, die es versteht, aus dem Bösen Gutes zu machen, die in die Welt Gnade strömen lässt, ohne sich aufzudrängen.
Vielleicht war es gerade diese sanfte Macht, die das Herz des guten Schächers rührte. Während sein Gefährte Jesus herausforderte und verhöhnte, wagte er eine kühne Bitte: Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! (Lk 23,42). Er hatte in dem Gekreuzigten den wahren König erkannt – und empfing das Unvorstellbare: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,43).
JEDER Christ ist dazu berufen, Christus zu sein, der unter den Menschen weilt. Der Blick auf den Gekreuzigten lädt uns ein, uns hinzugeben wie er – ohne Berechnung, ohne Selbstverteidigung. Wer liebt, legt seine Waffen ab. So lernen wir zuzuhören, das Gute in jedem zu suchen, unsere Zeit und Freude zu schenken, ohne auf eine Gegenleistung zu warten.
Im Königtum Christi, der sich den Spöttern hingibt, erkennen wir: Es hat wenig Wert, Recht zu behalten oder den eigenen Willen durchzusetzen. Selbst das Gute verliert an Tiefe, wenn es nicht aus dem Wunsch erwächst, zu dienen. Der heilige Josefmaria schrieb: „Wie sehr gefällt mir dieses Wort: meinem König dienen – und durch ihn allen, die durch sein Blut erlöst sind. Verstünden wir Christen es doch zu dienen! Vertrauen wir dem Herrn unseren Entschluss an, lernen zu wollen, wie man dient. Denn nur dienend werden wir fähig sein, Christus zu kennen und zu lieben – und andere zu ihm zu führen.“4
Der Erzengel Gabriel verkündete Maria, dass ihr Sohn für immer herrschen würde. Sie glaubte, noch bevor sie ihn sah. Später, unter dem Kreuz, verstand sie immer tiefer, was für ein Königtum das ihres Sohnes war. Bitten wir sie, uns zu lehren, die leise, verwandelnde Herrschaft Christi zu erkennen – und in dieser Gewissheit zu leben, dass sein Reich mitten unter uns beginnt.
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 181.
2 Franziskus, Angelus-Gebet, 25.11.2018.
3 Benedikt XVI., Homilie, 25.11.2012
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 182.

