Betrachtungstext: 31. Woche im Jahreskreis – Freitag

Sich persönlich auf Gott einlassen – Die Schläue des „guten” Schächers – Gott mit kindlichem Zutrauen behandeln

IM GLEICHNIS, das wir im heutigen Evangelium hören, geht es um den Verwalter, den sein Herr entließ, weil er seine Güter verschwendete. Noch im Amt, lädt der Mann die Schuldner seines Herrn ein, um ihnen unverfroren beträchtliche Teile ihrer Schulden nachzulassen. So wollte er sich dankbare Freunde sichern, die er nach seiner Entlassung sicher brauchen würde. Jesus lobt den Verwalter, der vorausschauend handelt: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes (Lk 16,8) – der Herr ermuntert uns, wenigstens eben so klug in Bezug auf die Belange seines Vaters zu sein wie diejenigen, denen es nur um ihre Vorteile geht. Papst Franziskus lädt dabei zu einer Unterscheidung ein: „Wir sind aufgerufen, einer solchen weltlichen Klugheit mit der christlichen Klugheit zu begegnen, die ein Geschenk des Heiligen Geistes ist.1 Ihn wollen wir bitten, uns die Kreativität und Entschlossenheit zu schenken, die wir benötigen, um die Wünsche unseres Vaters Wirklichkeit werden zu lassen.

Mit Blick auf den Verwalter regt uns der heilige Augustinus zu folgender Überlegung an: „Für welches Leben hat dieser Verwalter denn Vorkehrungen getroffen? Wenn er schon für das Leben vorsorgte, das ein Ende hat, wirst du dann nicht für dein ewiges Leben vorsorgen?“2 Natürlich erwartet Jesus von seinen Jüngern nicht die Unehrlichkeit dieses Verwalters; er möchte, dass wir uns auf redliche Weise unser Glück sichern – indem wir aktiv unsere Gaben und Talente ins Spiel bringen. Denn er möchte uns sein Reich nicht wie von außen auferlegen, sondern erreichen, dass wir es selbst zutiefst wollen, es als unser Eigene erkennen und unser Glück darin entdecken, Söhne und Töchter zu sein, nicht Verwalter. Dann können wir wie der heilige Josefmaria tatsächlich sagen: „Lieben heißt, von einem einzigen Gedanken durchdrungen sein: nur für den geliebten Menschen zu leben, sich nicht mehr selbst zu gehören, in seliger Freiheit Herz und Seele einem anderen Willen zu unterwerfen – der zugleich der eigene Wille ist.3


AUF DEM Gipfel des Kalvarienbergs hängen – neben Jesus – zwei Räuber am Kreuz. Einer der beiden hat sich in sein Schicksal ergeben und legt dies auch seinem Gefährten nahe, der unentwegt jammert. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan (Lk 23,41). Doch seine Profession hat ihn auch schlau gemacht, und so versucht er, eine letzte Chance zu nützen. Er blickt Jesus an und richtet eine überraschende Bitte an ihn: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst (Lk 23,42). Er ist nicht in der Lage, um etwas Konkretes zu bitten. Eine Andeutung ist ihm genug. Vielleicht spürt er, dass er, falls er Erfolg hat, zumindest nicht ganz verlassen sein würde, wohin immer der Tod ihn führen mochte. Jesus antwortet ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,43).

Der Schächer war oft vom richtigen Weg abgekommen, ist – anders als der Verwalter – aber nicht bereit, noch einmal irrezugehen: Er hat nur noch eine Chance – und spricht Jesus direkt und ohne Umschweife an. Und der Herr, der seine tiefsten Wünsche kennt, erfüllt sie überreich.

Papst Franziskus erwähnt noch eine weitere „heilige Schläue“ – nämlich „jenen geistlichen Scharfsinn, der uns Gefahren erkennen und vermeiden lässt. Die Sterndeuter wussten dieses Licht zu nutzen, als sie auf der Rückreise entschieden, nicht den Weg über den dunklen Palast des Herodes zu nehmen, sondern auf einem anderen heimzukehren.“4 Wir wollen nicht naiv sein und denken, dass es für uns keine Gefahren gibt. Wir wissen, wie attraktiv Paläste wie der des Herodes sein können. Doch die heilige Schläue hilft uns, dort Zuflucht zu suchen, wo uns nichts von unserer Liebe trennen kann – und drängt uns außerdem, vor Jesus nicht zu schweigen, sondern ihm ohne Umschweife zu offenbaren, was in den Tiefen unserer Seele vor sich geht.


IN UNSERER Beziehung zu Gott sollten wir den Rat des heiligen Paulus nicht vergessen: Täuscht euch nicht: Gott lässt seiner nicht spotten; denn was der Mensch sät, wird er auch ernten. Denn wer auf sein eigenes Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten (Gal 6,7-8). Vor Gott lohnen sich Aufrichtigkeit und Einfachheit immer, denn er kennt unser Innerstes. Dennoch fallen uns diese Tugenden nicht immer leicht, vor allem wenn wir anerkennen müssen, dass wir gefehlt haben.

Der gesunde Realismus in Bezug auf uns selbst, die Offenheit gegenüber Gott führen unmittelbar zur Freude. Der heilige Josefmaria notierte: „Nachdem ich mein Elend erwogen hatte, Jesus, sagte ich zu dir: Lass dich von diesem deinem Sohn beschwindeln, wie jene guten, herrlichen Eltern, die ihrem Kind das Geschenk zustecken, das es ihnen, schenken‘ wird, ... Das Kind weiß ja auch, dass es von sich aus nichts hat. Und wie selig jubeln dann Vater und Kind, auch wenn beide genau Bescheid wissen!5 Der heilige Josefmaria war überzeugt, dass wir von den Kindern lernen können, mit Gott umzugehen: „Als ich mit Kindern arbeitete, lernte ich von ihnen, was ich das ,Leben der Kindschaft‘ nannte ... Ich lernte von ihnen: von ihrer Einfachheit, ihrer Unschuld, ihrer Offenheit. Vom Betrachten, dass sie um den Mond baten und ihn bekommen mussten. Ich musste Gott um den Mond bitten: Mein Gott, den Mond bitte!“6 Wer wie ein Kind an Gott herantritt, fragt nicht nach dem, was ihm zusteht, sondern rechnet mit einer anderen Logik und bittet unbeschwert mit heiligem Zutrauen.

„Jesus weiß nichts anzufangen mit berechnender Schläue, mit der Grausamkeit eines kalten Herzens, mit augenfälliger, aber leerer Schönheit“, so schrieb der Gründer des Werkes einmal. „Hingegen schätzt unser Herr die Freude eines jungen Herzens, den einfachen Schritt, eine Stimme ohne Falsch, rein blickende Augen, ein Ohr, das seinem liebevollen Wort Aufmerksamkeit schenkt.“7 Wir wollen so schlau sein wie Kinder, um alles von Gott zu bekommen und uns mehr auf seine Kraft verlassen als auf unsere eigene. Maria ist uns nahe und weist uns mütterlich den Weg, damit wir ihn  mit Klugheit gehen können.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 18.9.2016.

2 Hl. Augustinus, Rede 359A, 10.

3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 797.

4 Franziskus, Predigt, 6.1.2014.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Punkt 195.

6 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Gespräch mit Priestern, 26.7.1974.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 181.