DIE OSTERZEIT neigt sich dem Ende zu, die Liturgie hat uns die überlieferten Begegnungen des auferstandenen Christus mit den Aposteln und den heiligen Frauen vor Augen geführt. Himmelfahrt und Pfingsten rücken näher, und die Kirche lädt uns ein, uns innerlich auf diese beiden Hochfeste vorzubereiten.
Im Evangelium hören wir die Abschiedsworte Jesu beim Letzten Abendmahl: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen (Joh 14,23). So offenbart uns Jesus die unermessliche Liebe Gottes zu uns und das Geheimnis seiner Einwohnung in unserer Seele: Wir sind dazu berufen, Tempel und Wohnung der Heiligen Dreifaltigkeit zu sein. Der heilige Johannes Paul II. betonte: „Welch höheren Grad der Gemeinschaft mit Gott könnte der Mensch anstreben als diesen, welch größeren Beweis könnte Gott dafür erbringen, dass er in die Gemeinschaft mit dem Menschen eintreten will, als diesen? Selbst die gesamte tausendjährige Geschichte der christlichen Mystik kann uns – bei all den erhabenen Ausdrucksweisen, die sie hervorgebracht hat – nur unvollkommen von der unaussprechlichen Gegenwart Gottes im Innersten unserer Seele künden.“1
Gott offenbart uns seine Nähe. Und er begnügt sich nicht damit, bei uns zu sein, er will in uns sein und unsere Herzen mit seiner Gegenwart erfüllen. „Gott ist hier, ist bei uns: gegenwärtig, lebendig“, schrieb der heilige Josefmaria. „Er sieht uns, er hört uns, er leitet uns an und schaut auf unsere kleinsten Handlungen, auf unsere verborgensten Absichten ...“2 Uns daran zu erinnern, wird uns helfen, seine Gegenwart zu erfahren und in den kleinen und großen Dingen unseres Lebens treu zu sein: „Wenn du in solcher Vertrautheit mit ihm umgehst – auf der Straße, auf den Plätzen, in deinen Geschäften, in deinem Beruf, in deinem gewöhnlichen Leben“, sagte der heilige Josefmaria, „ wirst du ein guter Sohn Gottes und ein großer Freund von ihm werden.“3
DAS HABE ICH zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe (Joh 14,26). Die Kirche entspringt dem Ostergeheimnis Christi und wird vom Heiligen Geist geleitet und belebt. Auf ihrer Reise durch die Geschichte hört die dritte Person der Dreifaltigkeit nicht auf, ihr beizustehen, trotz der mangelnden Treue der Menschen.
Angesichts des bevorstehenden Fortgangs Jesu waren die Apostel sicherlich besorgt – der Kontrast zwischen der Größe der ihnen anvertrauten Aufgabe und ihren Fähigkeiten war erschreckend: Wie sollten sie den Auftrag erfüllen, sein Wort in die Welt hinauszutragen? Um seine Jünger zu beruhigen, kündigte Jesus ihnen den Heiligen Geist an und sagte: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht (Joh 14,27).
Mit dem Heiligen Geist schenkt Jesus ihnen den Frieden – einen Frieden, der eine Gabe Gottes ist und daher über das hinausgeht, was wir mit menschlicher Kraft allein erreichen können. Oft ist der Friede auf Erden, wie der Gründer des Werkes sagte, „nur ein Scheinfrieden: ein Gleichgewicht der Angst, fragwürdige Kompromisse“4. Der Friede, den der Herr uns schenkt, ist hingegen vor allem die Folge der Liebe, die der Beistand in unsere Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5). „Der Friede des Herrn“, erläutert Papst Franziskus, „folgt dem Weg der Sanftmut und des Kreuzes: Er bedeutet, sich der anderen anzunehmen. Denn Christus hat unser Übel, unsere Sünde und unseren Tod, auf sich genommen. Er hat all das an sich genommen. So hat er uns befreit. Er hat für uns bezahlt. Sein Friede ist nicht Frucht einer Abmachung, sondern entspringt der Selbsthingabe.“5
DAS WIRKEN des göttlichen Beistands in der Frühzeit der Kirche wird im Konzil von Jerusalem deutlich: Der Heilige Geist und wir haben beschlossen ... (Apg 15,28), so heißt es in der Apostelgeschichte. Die Apostel und die Priester waren zusammengekommen, um eine Kontroverse darüber zu lösen, wie vor allem die nichtjüdischen Christen evangelisiert werden sollten. Abgesehen von der konkreten Frage bezeugt der heilige Text, mit welchem Enthusiasmus die frühe Kirche den Glauben verbreitete, im Gehorsam gegenüber den Eingebungen des Heiligen Geistes.
Dieser beständig erneuerte missionarische Schwung zieht sich durch die gesamte Kirchengeschichte. Er ist ein Grund zur Hoffnung bei der Aufgabe der Evangelisierung, in die auch wir eingebunden sind. Wie unermüdlich der Heilige Geist dabei tätig ist, schildert Papst Benedikt: „Der Geist begleitet die Kirche auf dem langen Weg, der zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi liegt: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück (Joh 14,28), sagte Jesus zu den Aposteln. Zwischen dem ,Fortgehen‘ und dem ,Wiederkommen‘ Christi liegt die Zeit der Kirche, die sein Leib ist. (...) Zeit der Kirche, Zeit des Geistes: Er ist der Meister, der die Jünger formt: Er entzündet in ihnen die Liebe zu Jesus; er erzieht sie zum Hören auf sein Wort, zur Betrachtung seines Antlitzes.“6
In den ersten Jahren seines Priestertums verwendete der heilige Josefmaria Heiligenbildchen, um in seinem Brevier Seiten zu kennzeichnen. Eines Tages hatte er den Eindruck, dass sie ihm allzu sehr ans Herz gewachsen waren, und so trennte er sich von den Bildchen und legte statt dessen Zettel ein, auf die er später schrieb: Ure igne Sancti Spiritus! Entzünde mich mit dem Feuer des Heiligen Geistes! „Ich habe sie lange benutzt“, erinnerte er sich, „und jedesmal, wenn ich sie sah, war mir, als sagte ich zum Heiligen Geist: Entzünde mich, lass mich brennen!“7 Mit dem gleichen Verlangen und mit Maria im Gebet verharrend (vgl. Apg 1,14) bereiten wir uns darauf vor, den Heiligen Geist in unseren Herzen zu empfangen. So werden wir, entzündet in unserer Liebe zu Gott und zu den anderen, die göttliche Wärme an alle Menschen weitergeben, wie es die Apostel taten.
1 Hl. Johannes Paul II., Predigt, 5.5.1986.
2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 658.
3 Hl. Josemaría, Aufzeichnungen von einem Treffen, 17.11.1972.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 73.
5 Franziskus, Audienz, 13.4.2022.
6 Benedikt XVI., Predigt, 13.5.2007.
7 Salvador Bernal, Msgr. Josemaria Escrivá de Balaguer. Aufzeichnungen, Adamas, 1978, S. 319.