Weihbischof Scharl: „Das Gebet hat Vorrang.“

Der neue Wiener Weihbischof Franz Scharl besuchte am 25.1.2007 den Jugendclub Delphin in Wien-Mariahilf. Bei dem angeregten Austausch mit den jungen Leuten kam es zu interessanten Einsichten.

Bischof Dr. Scharl mit Msgr. Dr. Schlag

Scharl unterstrich zunächst die Wichtigkeit des mutigen Bekenntnisses der Christen im Alltag. An der Universität und in allen Lebensbereichen müssten Christen als Christen erkennbar sein. Der gegenwärtige Glaubensrückgang blieb nicht unerwähnt. „Es gibt die Weitergabe des Lebens, der Kultur und des Glaubens“, meinte Scharl. „Wenn einer dieser drei Bereiche nicht funktioniert, steckt die Gesellschaft in einer Krise.“ Ein Hauptproblem sei gegenwärtig, dass den Menschen nicht die praktische Ausübung des Glaubens vermittelt werde. „Wer nie betet, dem fehlt der Bezug zum Christentum.“ 

Auch die Studenten berichteten Scharl von ihren Erfahrungen an der Universität. „Manche Menschen scheinen zunächst überhaupt kein Interesse am Glauben zu haben“, erzählte ein junger Betriebswirt im dritten Semester. „Aber wenn man etwas länger ‚kratzt’, kommen tiefere, religiöse Fragen zum Vorschein.“ Die Clubarbeit kam ebenfalls zur Sprache. Das positive Interesse der Eltern, die Erziehung der Kinder durch die Teilnahme an Clubaktivitäten zu ergänzen, wurde angesprochen. „Die Erziehung in der Familie ist sehr wichtig“, betonte Scharl. Gleichzeitig forderte er von den Jugendlichen: „Gebt nie einen Menschen auf! Zur Umkehr ist es nie zu spät. Selbst nach dem Tod sollen wir nicht aufhören für das Seelenheil eines Menschen zu beten.“ 

Scharls eigener Entschluss zum Priestertum reifte erst allmählich. Nach Beendigung der Schule in Salzburg studierte er Philosophie und Ethnologie und promovierte mit einer Arbeit über Ferdinand Ebner. Aus dem dialogischen Denken des österreichischen Philosophen schöpft Scharl noch heute: „Der Mensch ist ein Beziehungswesen. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hängt von der Pflege der Beziehungen zu anderen Menschen ab.“ Ausgerechnet im Yoga-Kurs hatte Scharl als junger Philosophiestudent ein Bekehrungserlebnis, das zum Theologiestudium und schließlich ins Priesterseminar führte. 

Weihbischof Scharl ist ungebrochen vielseitig interessiert. Gefragt nach seiner jetzigen Lektüre erwähnt er neben geistlichen Werken auch „Minimum“ von Frank Schirrmacher und ein Sachbuch über den Gödelschen Beweis. Als nächstes möchte Scharl einen dicken Band von Emmanuel Levinas lesen. Scharl schilderte den Studenten auch seinen arbeitsreichen Alltag als Weihbischof. Auf die Frage, wie es ihm gelinge, bei einem so dichten Programm ein dauernd mit Gott verbundenes Leben zu führen, gab Scharl eine klare Antwort: „Das Gebet hat Vorrang. Vor dem Gebet müssen die übrigen Verpflichtungen zurücktreten. Aus dem Gebet heraus bewältigen wir den Tag.“

Jugendclub Delphin