Sinnvoll älter werden: Talente ausschöpfen, für andere da sein
Mit dem Alter wächst die Erfahrung, es tritt aber auch die Frage nach dem Sinn erneut in den Vordergrund: Was trägt noch? Was kann ich noch beitragen? Unter dem Motto „Nach vorne blicken“ versammelten sich Mitte Oktober mehr als 45 Teilnehmerinnen im Tagungshaus Hohewand in Niederösterreich, um genau diese Fragen zu stellen und überraschende Antworten zu finden. Die 2-tägige Veranstaltung wurde vom Forum F21 (Frauen des 21. Jahrhunderts) organisiert und bot mehr als nur Impulse: Sie wurde zur Ermutigung, das Alter als Chance zu begreifen.
Elisabeth Lukas: „Das Privileg des Alters ist, dass wir nicht jünger gestorben sind“
Der Höhepunkt der Tagung war das Gespräch mit Elisabeth Lukas, der knapp 83-jährigen Schülerin Viktor Frankls und Grand Dame der Logotherapie. Mit klarem Blick und warmherzigem Humor formulierte sie gleich zu Beginn: „Das Privileg des Alters ist, dass wir nicht jünger gestorben sind.“ Alter sei kein Anlass zum Rückzug, sondern Auftrag: Mut zu machen, Milde mit sich selbst und anderen zu üben und weiterzuwirken.
Elisabeth Lukas und Jutta Kahlen
Mit Viktor Frankls berühmtem Gleichnis von der Scheune machte Lukas deutlich, dass alles gelebte Gute unverlierbar bleibt: „Was wir an Gutem getan, an Liebe geschenkt, an Schwerem geduldig getragen haben: All das füllt die Scheune unseres Lebens. Nichts davon geht verloren.“ Doch damit nicht genug: „Wir haben immer noch Zeit, Korn einzubringen.“
Neben der heilsamen Dankbarkeit, die uns erkennen lässt, wie viel Gutes wir empfangen haben und wie viel Gutes in unserem Leben entstanden ist, empfahl sie ein Austeilen und Schenken bis zum Schluss: „Wer loslässt, wird leicht und beschwingt.“ (Gespräch zum Nachsehen/hören, 1 h, 8 min)
Jutta Kahlen: „Wer bin ich – und wer möchte ich sein?“
Die Berliner Ärztin Jutta Kahlen beleuchtete in ihrem Referat „60 plus wie ticken wir?“ den Übergang in den Ruhestand als Phase der bewussten Neuorientierung. Statt sich „bespielen“ zu lassen, lohne es sich innezuhalten und zu fragen: Was will ich noch erreichen? Wofür möchte ich meine Zeit einsetzen?
Anhand der Generationen von den Babyboomern bis zur Generation Y zeigte Kahlen, wie Wertewandel und Lebenserfahrung das Selbstverständnis prägen. Inspiriert von Romano Guardinis „Die Lebensalter“ erinnerte sie daran, dass Krisen Chancen zur Reifung bergen und das Alter als Vollendung erfahren werden kann, als ein „fertig und voll werden“, in dem das ganze Leben Sinn gewinnt.
Weitere Impulse: Jung bleiben durch Sinn und Dankbarkeit
Reinhard Pichler, Psychtherapeut und Existenzcoach aus Baden, gab zahlreiche praktische Anregungen: Dankbarkeit statt Jammern, Sinnorientierung statt bloße Selbstverwirklichung. Resilienz bedeute, das Negative umdeuten zu können: „Ich bin langsamer geworden – aber bewusster.“ Er beschrieb auch die „psychospirituelle Reise der Frau“ und zeigte auf, wie Bewegung, Ernährung und geistige Aktivität helfen, ein erfülltes Leben zu führen.
Aktuelle Bezüge: Papst Leos Ruf zu Engagement und Solidarität
Die Themen der Tagung finden ihre Resonanz in aktuellen kirchlichen Impulsen. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte Papst Leo XIV. sein erstes Lehrschreiben „Dilexi te – Über die Liebe zu den Armen“. Darin ruft er zu einer „entschiedenen und radikalen Parteinahme für die Schwächsten“ auf und betont den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Liebe Christi und der Sorge für die Bedürftigen.
Der Theologe Ludwig Juza sprach über den „guten Wein“ von Kana und erinnerte mit Papst Johannes Paul II. daran, dass das Alter kein Hindernis für eine göttliche Sendung ist. Ältere Menschen, so der Seelsorger des Opus Dei, können für ihre Umgebung „wie der Sonntag“ sein, Orte der Besinnung, der Liebe und Schönheit.
Gerade im Alter, wenn berufliche Verpflichtungen nachlassen, eröffnen sich neue Möglichkeiten: Die eigenen Talente und Ressourcen können bewusst für andere eingesetzt werden, im Ehrenamt, in sozialen Projekten, in der Familie.
Austausch und Inspiration im Tagungshaus
In Kurzbeiträgen stellten Teilnehmerinnen ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten vor, von Sozialprojekten bis zu kreativen Initiativen. Ein Harfenkonzert von Emanuela Sutter bildete den musikalischen Höhepunkt des ersten Tages.
Zum Abschluss der Tagung tauschten sich die Teilnehmerinnen in kleineren Gruppen über Themen wie Spiritualität, Gesundheit, Freundschaft und Familie aus. Dabei kristallisierte sich heraus: Es lohnt sich, den Glauben vor allem durch Gebet lebendig zu halten, Gelassenheit und Gottvertrauen zu pflegen, Freundschaften zu schätzen, jeden gemeinsamen Tag mit dem Ehemann als Geschenk zu feiern und den Enkeln Zeit und Glauben zu schenken.
Ein herzlicher Dank gilt der Wirtschaftsverwaltung des Tagungshauses Hohewand für die gastfreundliche Begleitung.

