Am Samstag, 3. Dezember 2005, wurde sowohl im Wiener Stephansdom als auch im ostungarischen Wallfahrtsort Maria Pocs ein Jubiläumsgottesdienst gefeiert. Die Gottesdienste galten dem 100. Jahrestag eines Tränenwunders der in Maria Pocs verehrten Kopie der Ikone. Der ungarische Primas, Kardinal Peter Erdö, krönte dabei die Ikone mit einem goldenen Diadem, das von Papst Benedikt XVI. gesegnet worden war. Das Original der Ikone befindet sich seit 1697 in Wien, in Maria Pocs wird eine barocke Kopie verehrt.
"Stern des Ostens"
In Wien wurde bei der Messfeier mit Kardinal Paskai eines zweiten Jubiläums gedacht: Vor 50 Jahren besuchte der - inzwischen heilig gesprochene - Gründer des Opus Dei, Josemaría Escrivá, den Stephansdom und war von der Ikone fasziniert. Er formulierte ein Gebet um Befreiung der damals unter kommunistischer Herrschaft stehenden ostmitteleuropäischen Völker, in dem die Fürbitte Marias als "Stella orientis", als "Stern des Ostens" oder Morgenstern, erfleht wurde. Im Hinblick auf diese Verbundenheit Escrivás mit der Ikone war der Regionalvikar des Opus Dei, Martin Schlag, einer der Konzelebranten Kardinal Paskais.
Tränen als Zeichen des Mitgefühls
Der Alterzbischof von Esztergom erinnerte in seiner Predigt daran, dass Tränen immer ein Zeichen des Mitgefühls und des Mitleids sind. In der Bibel werde oft berichtet, dass Jesus Mitleid mit den Menschen hatte. Diese "jesuanische Gesinnung des Mitgefühls" habe auch Escrivá beseelt, als er im gerade frei gewordenen Österreich im Dezember 1955 an die Situation der Menschen in den kommunistisch beherrschten Ländern dachte.
Nach dem Gottesdienst führte Kardinal Paskai im Dom eine Prozession zum Marienbaldachin, wo die Ikone von Maria Pocs verehrt wird. Beim Gebet vor der Ikone erinnerte Opus Dei-Regionalvikar Martin Schlag daran, dass es mehr als 15 Jahre nach dem Fall des Kommunismus in Europa weiterhin Trennungslinien gebe. Die Vorschläge des Christentums zur Lösung der Probleme des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens stießen vielfach auf einen "Eisernen Vorhang des Materialismus". Umso mehr gelte heute vor der Ikone von Maria Pocs das Gebet der "Freiheit aller Menschenherzen".
Die Ikone von Maria Pocs
Die Ikone von Maria Pocs ist ein Symbol für die Geschichte der ostungarischen Tiefebene, deren Bewohner im Lauf der Jahrhunderte von der slawischen zur ungarischen Sprache übergegangen sind. Gemalt wurde die Ikone von Stefan Pap, dem Bruder des griechisch-katholischen Pfarrers des ostungarischen Ortes. Die Ikone entspricht den byzantinischen Typus der "Wegweiserin" (Hodegetria). Das erste Tränenwunder ereignete sich nach julianischem Kalender am 14. November 1696 - wenige Jahre nach der Befreiung der Gegend von der osmanischen Herrschaft. Als der römische Kaiser Leopold I. von dem Tränenwunder hörte, ordnete er den Transfer der Originalikone in den Wiener Stephansdom an. Einer der Höflinge Leopolds I., der Conte Carbelli, war so beeindruckt von der Frömmigkeit des Volkes auf dem Weg, dass er einen Jesuiten aus Kassa (Kosice/Kaschau) bat, eine Kopie der Ikone zu erstellen. Ein erstes Tränenwunder dieser Ikonenkopie ereignete sich im August 1715, ein zweites im Dezember 1905.