Papst Benedikt XVI. rief für 2008/09 erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche ein Paulusjahr aus. Es bot sich so die Chance, in unserer Situation einer säkularisierten, multikulturellen und postmodernen Gesellschaft die Originalität des hl. Paulus neu zu entdecken. Denn: „Der Apostel Paulus steht vor uns nicht nur als Beispiel der totalen Hingabe an den Herrn und seine Kirche, sondern auch einer großen Öffnung zur Menschheit hin und ihren Kulturen. Es ist also nur recht, zu verstehen, was er uns heutigen Christen zu sagen hat.“ (Benedikt XVI., 2.7.2008)
Zu diesem Zweck trafen sich rund 30 Weltpriester und Seminaristen im Tagungshaus Hohewand, wo am 1./2. Juni 2009 die traditionelle Pfingsttagung des Theologischen Forums Peterskirche stattfand. Auf den Koordinaten lehramtlicher Texte wie „Dei Verbum“ und „Evangelii nuntiandi“ erhielt die Erörterung der allgemeinen Missionspraxis bei Paulus sowie insbesondere seines Wirkens in der multireligiösen Umgebung Korinths eine neue Strahlkraft für die Herausforderung der Neuevangelisierung in unserer Zeit. Als Ausprägung in die diözesane Praxis erwies sich der missionarische Prozess „Apg 2010“ der Erzdiözese Wien, den der Wiener Pastoralamtsleiter präsentierte. Der Begriff Mission sei aber mit diesem Strukturimpuls von außen längst nicht erschöpft; denn die apostolische Mobilisierung aller Christen von innen aufgrund der ihnen eigenen Taufberufung müsse in den Blick genommen werden.
Die Notwendigkeit einer inneren Motivation für die Apostelaufgabe unterstrich der Regionalvikar des Opus Dei, Ludwig Juza, in seiner Meditation über Paulus und Christus. Die Erfahrung der persönlichen Liebe Christi habe Paulus zu der Entdeckung geführt, dass nur das Leben mit Christus erstrebenswert sei, ja auf eine geheimnisvolle Weise in Christus: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2, 20) Diese Identifikation mit Christus bedeute Identifikation mit dem Leben und der Sendung Christi. Sie sei die innere Kraft für das kühne Apostolat des Hl. Paulus in der Welt des antiken Heidentums gewesen. Das Paulusjahr sei gewissermaßen eine Aufforderung an die Christen, sich diese Erfahrung zu eigen zu machen. Der hl. Josefmaria Escrivá habe dies gerade auch als eine Wirklichkeit für das Leben gewöhnlicher Christgläubiger erfasst: „Ja Paulus, großer Paulus! Danke für die Lehre, die du uns hinterlassen hast, denn der Heilige Geist hat sie dir eingegeben. Du bist Christus! Paulus freue dich, denn die Christen lieben dich und danken die für diesen Schatz an Lehre!“
Die Tagung endete in der einhelligen Überzeugung, dass die Herausforderung der Neuevangelisierung nur mit einer Vertiefung des christlichen Lebens bestanden werden kann, wie sie beim Hl Paulus ersichtlich werde. Paradigmatisch stehe dafür die Antwort, die Kardinal Schönborn auf die Frage gab, was denn für ihn persönlich die Herausforderung von „Apg 2010“ sei: „Mich selber vom Geist des Apostels Paulus anstecken zu lassen. Immer wieder frage ich mich: Was hat ihm diesen unglaublichen "Drive" gegeben, diese Leidenschaft, mit der er durch die damalige Welt gezogen ist, mit unglaublichen Schwierigkeiten, Mühen, die wir uns heute gar nicht vorstellen können? Was war die Energiequelle, aus der heraus Paulus eben Paulus gewesen ist? Ich glaube, das Entscheidende ist, was er selber sagt: ‚Die Liebe Christi drängt uns.’"