Jesus will uns in dieser schweren Zeit zeigen, wie sehr sein Vater uns Menschen liebt. Er möchte uns in den Vorraum zum Himmel führen und hofft, dass wir Menschen die Freude annehmen, die sein Vater jedes Mal schenkt, wenn ein Sünder zu wirklich ihm zurückkehren will. So erzählt Jesus seinen Jüngern das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wie erstaunt und bewegt werden die Jünger wohl gewesen sein, als sie die Geschichte hören, die uns Lukas im 15. Kapitel seines Evangeliums nacherzählt. Das Missverhältnis zwischen den schlimmen Taten des Sohnes und der grenzenlosen Zuneig.ung des Vaters muss sie überrascht haben.
Wir wissen nicht, wann wir wieder zur Beichte gehen können, aber wir sollten nicht daran zweifeln, dass Gott auch in dieser außergewöhnlichen Lage stets unser Vater ist
Wir wissen nicht, wann wir wieder zur Beichte gehen können, aber wir sollten nicht daran zweifeln, dass Gott auch in dieser außergewöhnlichen Lage stets unser Vater ist, wenn wir nur mit „zerknirschtem und demütigen" Herzen zu ihm gehen wollen. Für die Dauer des Kontaktverbots bzw. der Quarantäne ist es für die meisten sehr schwer, beichten zu gehen, und noch schwieriger, sich so oft wie gewünscht der Eucharistie zu nähern. Aber die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind wie viele andere Schwierigkeiten, die wir gezwungenermaßen erleben, zugleich eine Möglichkeit, innerlich zu wachsen: „Es ist gut, sich daran zu erinnern, dass der Herr uns seine Gnade gibt, damit wir uns auch unter diesen Umständen der Unsicherheit heiligen" [1].
Ein unverdientes Geschenk
Der jüngere Sohn im Gleichnis sehnt sich nach Zuhause: „Wie viele Arbeiter meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um" (Lk 15,17). Obwohl er gar nicht an die Qual denkt, die sein Vater seinetwegen durchmacht, hofft er auf dessen Vergebung und vertraut auf seine Zuneigung. Diese Herzensregung ist schon die erste Wegstrecke zurück nach Hause.
Manchmal geht es uns ähnlich. Wir bemühend uns, regelmäßig zu beichten, weil es unserer Seele gut tut. Wir wissen, wie froh und entspannt uns ein aufrichtiges Bekenntnis macht. Ohne die Beichte würde uns etwas fehlen. Aber wir haben deswegen kein Recht auf Vergebung. So schrieb der heilige Bernhard: „Niemand hat größere Barmherzigkeit als der, der sein Leben für diejenigen gibt, die zum Tode und zur Verdammnis verurteilt wurden. Deshalb ist mein einziges Verdienst die Barmherzigkeit des Herrn. Ich werde nicht arm an Verdiensten sein, solange er gnädig ist.“ [2]
Wir sind überzeugt, dass alles Gnade ist. Wir haben das Bedürfnis, Gott um Vergebung zu bitten, vielleicht sogar noch mehr in dieser besonderen Zeit. Aber denken wir auch darüber nach, was unsere Umkehr in Gott auslöst!
Gott eilt uns entgegen
Wir haben das Bedürfnis, Gott um Vergebung zu bitten. (...) Aber denken wir auch darüber nach, was unsere Umkehr in Gott auslöst!
Das Herz des verlorenen Sohnes hatte noch viel zu entdecken. Als er noch weit weg ist, sieht ihn sein Vater schon kommen, hatte Mitleid mit ihm und läuft ihm entgegen. Dann fällt er ihm um den Hals und küsst ihn (vgl. Lk 15,20). Der heilige Josefmaria war tief bewegt, als er über diese Szene nachdachte: „Einem Gott gegenüber, der uns entgegeneilt, können wir nicht stumm bleiben, wir werden mit dem heiligen Paulus sagen: Abba, Pater! (Röm 8,15) Vater, mein Vater! Denn Er, der doch der Schöpfer des Alls ist, legt keinen Wert auf klingende Titel, Ihm kommt es nicht auf feierliche Bekundungen seiner Herrschaft an.“ [3] Der Vater reagiert nicht herablassend, sondern nimmt den Heimkehrer trotz allem als seinen Sohn wieder bei sich auf, als seinen geliebten Sohn. Gott will uns nicht einfach bestrafen, sondern fest an sich drücken, er will uns einen Kuss geben und uns dabei ins Ohr flüstern: „Mein Kind, mein liebes Kind!“
Gott wird wie der Vater im Gleichnis auch nicht warten, bis wir selbst das Ziel erreichen und alles eingestehen, was wir falsch gemacht haben. Vielleicht ist die Zeit noch lang, bis wir zur Normalität zurückkehren können. Wenn Gott jedoch unsere Reue sieht, kommt er beglückt auf uns zu, einfach weil wir auf dem Weg zu ihm sind. Deshalb lohnt es sich nicht, groß über unsere Sünden nachzugrübeln. Vielmehr rät der heilige Bernhard: „Lassen Sie uns nach den Eingebungen des Geistes, der in die Tiefen Gottes eintaucht, an die Süße des Herrn denken, wie gut er in sich selbst ist. Lassen Sie uns auch mit dem Psalmisten bitten, die Süße des Herrn zu genießen und nicht nur unser eigenes Herz, sondern seinen Tempel in uns betrachten, und mit demselben Psalmisten sagen: Wenn meine Seele verzweifelt ist, erinnere ich mich an Dich.“ [4]
Gib mir deine Sünden!
Papst Franziskus erzählt gerne folgende Geschichte: „Ich erinnere mich an eine Passage aus dem Leben eines großen Heiligen, Hieronymus, der zwar sehr mürrisch war, aber versuchte, sanftmütig zu werden. Aber bei seinem Temperament ...! Er war eben aus Dalmatien, und die Dalmatiner sind nun mal grantig. Er hatte es also geschafft, sich zu beherrschen. So bot er dem Herrn manches an, viel Arbeit. Schließlich fragte er den Herrn: ‚Was willst du von mir?‘ – ‚Du hast mir immer noch nicht alles gegeben!‘ – ‚Aber Herr, ich habe dir doch dies gegeben und das und jenes!‘ – ‚Es fehlt noch etwas!‘ – ‚Aber was denn?‘ - ‚Gib mir deine Sünden!‘ Wie schön ist es zu hören: ‚Gib mir deine Sünden, deine Schwächen, ich werde dich heilen.‘ “ [5]
In der jetzigen Zeit werden wir die Worte der Lossprechung wohl vermissen müssen, aber wenn wir in unser Inneres lauschen, werden wir die sanfte und liebevolle Stimme Jesu hören, wie er uns tröstet. Unser Leid und unsere Traurigkeit tun Gott weh, weil sie die Folge der Lüge sind, der in jeder Sünde steckt. Wenn wir aber zu ihm zurückkehren, sind sein Schmerz und auch unser Leid zu Ende. Die Macht der Sünde ist begrenzt, das Kreuz Christi hat ihr den Biss genommen. Wir sind gerettet, wenn wir demütig sind – und uns retten lassen.
Oft können wir uns sagen: „Ich brauche mir nur die paar Stunden, seitdem ich heute Morgen aufgestanden bin, zu vergegenwärtigen: wieviel Mangel schon an Liebe und an Treue. Das schmerzt mich wirklich, aber es raubt mir nicht den Frieden. Ich werfe mich vor Gott nieder und sage Ihm klar, wie es mit mir steht. Sofort verspüre ich die Sicherheit seines Beistandes und höre im Grunde meines Herzens, wie Er mir langsam sagt: Meus es tu (Jes 43,1), du bist mein! Ich wusste, wie du bist, und ich weiß es: Vorwärts also!“ [6].
Die besten Akte der Frömmigkeit
Der heilige Josefmaria verglich die Reue manchmal mit einer italienischen Redensart über das Kaffeetrinken: Nicht weniger als drei und nicht mehr als dreiunddreißig! In diesem Sinne schrieb er: „Verrichten wir kurze Stoßgebete der Reue! Je mehr, desto besser!“ [7]
Reue ist der Schmerz, den wir angesichts der begangenen Sünden verspüren.
Reue ist der Schmerz, den wir angesichts der begangenen Sünden verspüren. Zugleich ist Reue stets ein Werk der Gnade Gottes. Die Kirche unterscheidet zwischen vollkommener und unvollkommener Reue. So lehrt der Katechismus: „Wenn die Reue aus der Liebe zu Gott, der über alles geliebt wird, hervorgeht, wird sie ‚vollkommene‘ oder ‚Liebesreue‘ ... genannt. Eine solche Reue lässt die lässlichen Sünden nach; sie erlangt auch die Vergebung der Todsünden, wenn sie mit dem festen Entschluss verbunden ist, sobald als möglich das sakramentale Bekenntnis nachzuholen.“ [8].
Diese Lehre hat Papst Franziskus kürzlich in einer Predigt anschaulich gemacht: „Wenn Sie keinen Priester finden, der Ihnen die Beichte abnimmt, sprechen Sie mit Gott, der Ihr Vater ist, und sagen Sie ihm die Wahrheit: ‚Herr, ich habe dies, das und das getan ... Vergib mir!‘ Dabei bitten Sie ihn von ganzem Herzen – mit einem Akt des Schmerzes – um seine Vergebung und versprechen Sie ihm: „Später werde ich das alles bekennen, aber vergib mir jetzt!“ Und schon sind Sie auf dem Weg zurück zur Gnade Gottes. Wie uns der Katechismus lehrt, können Sie sich der Gottes Vergebung auf diese Weise zuwenden, falls Sie keinen Priester zur Verfügung haben. Denken Sie darüber nach. Es ist Zeit – jetzt ist die richtige Zeit, wirklich die richtige Zeit! Ein Akt der Reue, gut verrichtet, und unsere Seele wird weiß, weiß wie der Schnee“ [9].
Es gibt auch eine unvollkommene Reue. „Sie erwächst aus der Betrachtung der Abscheulichkeit der Sünde oder aus der Furcht vor der ewigen Verdammnis und weiteren Strafen, die dem Sünder drohen." [10] Solche Furchtreue mag unreif erscheinen, und doch ist auch sie „ein Geschenk Gottes, ein Anstoß des Heiligen Geistes“ [11], der uns auf das Sündenbekenntnis und auf die Lossprechung vorbereitet. Allerdings kann uns eine unvollkommene Reue allein nicht von schweren Sünden befreien.
All dies zu bedenken, mag irgendwann nicht mehr ausreichen, um im Herzen Frieden und Freude zu bewahren oder wieder neu zu gewinnen. Dann können wir unsere Mutter Maria drängen, uns mit ihrer Zärtlichkeit zur Hilfe zu kommen: „Es scheint, als ob alle Sünden deines Lebens wieder aufstehen. – Verliere nicht den Mut. – Im Gegenteil: Rufe zu deiner Mutter, der heiligen Maria, mit dem Glauben und Vertrauen eines Kindes. Sie wird Ruhe in deine Seele bringen.“ [12]
Diego Zalbidea
[1] Schreiben des Prälaten des Opus Dei vom 14. März 2020.
[2] Hl. Bernhard, Predigt 61, 3–5.
[3] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 64.
[4] Hl. Bernhard, Predigt 5, 4–5.
[5] Papst Franziskus, Predigt, 7. Juli 2017
[6] Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 215.
[7] Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 480.
[8] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1452.
[9] Papst Franziskus, Predigt, 20. März 2020.
[10] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1453.
[11] Ebenda.
[12] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 498.