Die Heiligsprechung Josefmaria Escrivás am 6. Oktober 2002 hat in der Öffentlichkeit vieler Länder zu einem Umdenken bezüglich des Opus Dei geführt. In der Vergangenheit ist man mit dieser kirchlichen Gründung nicht zimperlich umgegangen, aufgrund seiner Originalität - es bietet ein „Handwerkzeug der Heiligung im Alltag“ - wurde das Opus Dei früher zur Zielscheibe von zähen Ressentiments, dumpfen Feindseligkeiten und unguten Kampagnen. Manche sahen das Opus Dei als eine Geheimorganisation an den Schaltstellen der Macht. All diese negativen Sichtweisen lösen sich nun auf wie der Frühnebel unter den Strahlen der aufgehenden Sonne. Das Opus Dei ist kein Machtkartell, sondern ein Werk Gottes, das den Menschen auf dem Weg zu Gott und in den Sinnfragen des Lebens eine echte Hilfe ist. Man kann nun tatsächlich sagen, das Opus Dei sei jetzt "in". Es wird niemand ausgegrenzt. Treffend sagt der heilige Josefmaria: "Von hundert Seelen interessieren uns hundert." Wer sich also an dieser weltzugewandten Spiritualität orientiert, wird die heutige Welt in jedem Beruf und in Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens zu gestalten versuchen. Die Menschen werden befähigt, die Bürde der ihnen zustehenden Autonomie zu tragen, ihre Aufgaben mit Engagement in Angriff zu nehmen und die Welt in Freiheit zu gestalten. Damit hat Escrivá die politische Ethik und das Dekret über das Laienapostolat des zweiten Vatikanischen Konzils vorweggenommen. Er hat viele Christen ermutigt, das politische und soziale Engagement furchtlos als Ort der Nachfolge Christi zu betrachten.
Heute wird zum ersten Mal der liturgische Gedenktag des heiligen Josefmaria Escrivá begangen. Er ist ein neuer und großer Heiliger unserer Kirche.
Josefmaria wurde am 9. Jänner 1902 im nordspanischen Barbastro geboren. Er war etwa fünfzehn Jahre alt, als er seine Berufung durch Gott spürte. Daraufhin fasste er den Entschluss, Priester zu werden.
Am 2. Oktober 1928, dreieinhalb Jahre nach seiner Priesterweihe, ließ Gott ihn sehen, was er bislang nur geahnt hatte: Das Opus Dei.
Seit dem ging er ganz in seiner Sendung als Gründer auf. Er starb am 26. Juni 1975 in Rom. Papst Johannes Paul der II. hat den Gründer des Opus Dei am 6. Oktober 2002 auf dem Petersplatz in Rom heilig gesprochen.
Das sind die wichtigsten Eckdaten seines Lebens, das er mit Gott und in Gott gelebt hat,
I. Das Opus Dei
Es hat mich immer beeindruckt, dass Josefmaria seiner Gründung den Namen Opus Dei (Werk Gottes) gegeben hat. Andrerseits erlaubt uns gerade diese Bezeichnung, dem Gründer in seiner geistlichen Physiognomie besser zu begreifen.
Escrivá wusste, dass er etwas gründen musste, und doch war er sich bewusst, dass es einfach Gott war, der sich seiner bediente. Es war also nicht sein Werk, sondern Gottes Werk, es war das Opus Dei. Er selbst war nur ein Werkzeug, mit dem Gott fortan wirken sollte.
Bei der Betrachtung dieser Tatsache kommen mir die Worte des Herrn in den Sinn, die nun das Johannes Evangelium (Joh 5,17) überliefert: "Mein Vater ist noch immer am Werk." Jesus spricht diese Worte im Zuge einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern, welche nicht zugestehen wollten, dass Gott auch am Sabbat handeln und heilen kann. In der Welt von heute dauert diese Meinung immer noch fort. Einige sagen, Gott habe sich nach der Schöpfung zurückgezogen und interessiere sich nicht mehr für unsere gewöhnlichen Angelegenheiten. Nach dieser Denkweise kann Gott nicht mehr in das Netzwerk und Gewebe unseres Alltags eintreten.
Dem aber widersprechen die Worte Jesu: "Mein Vater ist noch immer am Werk." Ein Mensch, der auf Gottes Gegenwart hin offen ist, erfährt auch heute, dass Gott immer am Werk ist.
So gesehen begreifen wir besser, warum der heilige Josefmaria Escrivá sich nicht als Gründer von irgendetwas verstand, sondern bloß als jemand, der den Willen Gottes erfüllen will, der Gottes Handeln, als Gottes Werk, begleiten will.
Für ihn steht Gott im Zentrum, im Zentrum des menschlichen Lebens, im Zentrum der ganzen Welt. Das Wirken Gottes ist also nicht zum Stillstand gekommen, es dauel1 vielmehr fort, sowohl in der Welt der Natur als auch in der Welt des Menschen.
II. Berufung zu Heiligkeit
Wenn aber Gott immer noch am Werk ist, dann besagt dies, dass er nur liebt, dass er uns bei sich haben möchte, dass er uns den Weg der Heiligkeit führt. In der 2. Lesung (Röm 8,14) haben wir gehört: "Die sich von Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes." Gottes Geist ist der Geist der Liebe, der Geist der Heiligkeit. Er ist der sanctificator, der Heiligmacher.
An einer anderen Stelle sagt Paulus: "Das ist der Wille Gottes, eure Heilung" (1 Thess 4,3). Der Wille Gottes ist im letzten ganz einfach und in seinem Kern für alle das Gleiche, nämlich die Heiligkeit.
Heiligkeit bedeutet, Christus ähnlich zu werden, um mit Christus auch Erben der künftigen Güter zu werden.
Josefmaria Escrivá hat dies als einen Ruf nicht nur ans sich selbst betrachtet, dass er sich heilige, sondern auch als einen Auftrag für die anderen:
- Mut zur Heiligkeit geben
- für Christus eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu sammeln
- sich an Gott übereignen, damit er durch uns handeln kann
Das Wort heilig hat im Laufe der Zeit eine gefährliche Einengung erfahren, die auch heute noch immer wirksam ist. Wir denken dabei an die Heiligen, die auf den Altären dargestellt werden, wir denken an Wunder und heroische Tugendgrade und wissen dann, dass das nur für einige wenige Erwählte gilt, denen wir uns nicht zurechnen können. Wir Oberlassen die Heiligkeit denen, diesen unbekannten Wenigen, und begnügen uns damit, so zu sein, wie wir eben sind.
Aus dieser geistlichen Gleichgültigkeit und Apathie hat Josefmaria die Menschen aufgerüttelt: Nein, Heiligkeit ist nicht das Ungewöhnliche. Sondern das Gewöhnliche, das Normale für jeden Getauften.
Sie besteht nicht an schier unmöglichen Hochleistungen, sie kann an jeder Stelle und in jedem Beruf verwirklicht werden. Sie ist das Normale; sie besteht darin, das gewöhnliche Leben auf Gott hin zu leben und es mit dem Geist des Glaubens zu durchformen.
Mit diesem Auftrag hat unser Heiliger die Kontinente bereist und zu den Menschen gesprochen, um uns Mut zur Heiligkeit, das heißt zum Abenteuer des Christuseins zu geben, wo immer uns das Leben hinstellt.
Immer wieder spricht er von der Heiligung der Arbeit, das ist, wie er sagt, die Achse der Heiligkeit. Die Arbeit wird dann selber zum Gebet: Was immer wir mit Händen, Füßen, Kopf und Herz tun, geschieht zur Ehre Gottes. Das führt zur Selbstheiligung und zur Heiligung der Welt (consecratio mundi).
Der heilige Josefmaria will die Arbeit, den Beruf heiligen. Die Verbundenheit mit Gott gibt uns Strahlkraft- Auf diese Weise werden wir Salz der Erde und Licht der Welt.
Die Spiritualität des Opus Dei schafft eine Einheit des Lebens. Sie gibt uns die Kraft, ein Leben aus einem Guss zu führen. Von daher können wir auch in den Anfechtungen und Herausforderungen unserer Gesellschaft und Kultur der Kirche treu bleiben und ein authentisches Zeugnis für Christus geben.
III. Das heutige Evangelium
Die Kirche hat zum Festtag unseres Heiligen das Evangelium vom reichen Fischfang gewählt. In dieser Perikope wird zum Ausdruck gebracht, dass Christusnachfolge und Einsatz in der Welt von Arbeit und Beruf untrennbar zusammengehören. Wir sollen dem Herrn nachfolgen, indem wir aus seinem Willen heraus täglich neu unseren Platz in dieser Welt ausfüllen. Wir sollen der Welt nicht durch äußere Mittel der Macht, sondern durch unser an Christus orientiel1es Zeugnis das Gütesiegel Gottes aufprägen. Das ist der Weg, den er uns weisen will. Im Sinne des heiligen Josefmaria lehrt uns auch das zweite Vatikanum die Autonomie der irdischen Sachbereiche ernst zu nehmen. Als Christen müssen wir uns in diese Welt und ihre Aufgaben hineinstellen, um so gerade das Wort zum Leuchten zu bringen, das der Schöpfer als Abglanz seines ewigen Wortes in die Dinge hineingelegt hat. Es gilt also: In der Heiligung unseres Alltags Gottes Wort zum Leuchten zu bringen. Welch eine großartige Sendung für die Christen unserer Zeit!
Mit Recht heißt die Gründung des heiligen Josefmaria Opus Dei und nicht Opus nostrum, Werk Gottes und nicht unser Werk. Escrivá wollte nicht sein Werk schaffen und auch nicht für sich ein Monument bauen. Nicht das Eigene wollte er tun, sondern Gott Raum schaffen, damit sein Werk geschehe.
Schluss: Josefmaria Escrivá ist wahrhaftig ein Mann Gottes, der das Opus Dei zur Verherrlichung der Heiligsten Dreifaltigkeit gegründet hat. Die weltweite Verbreitung desselben zeigt uns deutlich, dass Gott dahinter steht. Prägende Merkmale dieses Werkes sind das große Wachstum des Opus Dei, die Heiligkeit des Lebens seiner Mitglieder, ihre Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und ihre Liebe zur Gottesmutter Maria. Wir freuen uns über unseren Heiligen, der uns eine so tiefe christliche Spiritualität geschenkt hat. Heilige weisen über sich hinaus auf Gott, der sich machtvoll erweist in seinen Seligen und Heiligen. Leon Bloy hat einmal das ernste Wort geschrieben: "Es gibt eigentlich nur eine Traurigkeit, nämlich die, kein Heiliger zu sein."
Amen.