Einen überraschend pragmatischen Zugang wählte Prof. Dr. Enrique Prat, Leiter des IMABE-Instituts/Wien: Politik sei in erster Linie keine Methode der Wahrheits-, sondern der Konsensfindung und bringe mit sich, dass der Politiker zu verhandeln habe. Freilich sei der Verhandlungsspielraum für Katholiken in einigen Bereichen klein. Politische Lösungen in Bezug auf Religionsfreiheit, Lebensrecht und Lebensschutz sowie Ehe, Familie und Erziehung täten Katholiken deshalb oft weh. Andere Bereiche seien dagegen voll verhandelbar. Da gebe es mehr oder weniger sachgerechte Lösungen, aber auch die überstimmte Minderheit könne oft recht gut mit den ihrer Meinung nach "suboptimalen" Lösungen leben.
Auch für die Auseinandersetzung in den Grundsatzfragen müsse gelten: nicht Konfrontation, ziviler Ungehorsam und Abschottung, sondern Dialog, Kommunikation, Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. Notwendig sei die Suche nach möglichen, verbesserten Lösungen, um auch in jenen Grundlagen zu einem Konsens zu gelangen, die die Demokratie nicht selbst schaffen kann, sondern voraussetzt.
Der historische Weg zu dieser Einstellung sei nicht leicht gewesen. Das Verhältnis der Katholiken zum modernen demokratischen Verfassungsstaat habe lange unter Skepsis und Berührungsängsten gelitten. Zu verfestigt sei die jahrhundertealte Haltung gewesen, die Freiheit des einzelnen dem Anspruch auf Wahrheit eindeutig unterzuordnen und seine Rechte von der Akzeptanz der religiösen Wahrheit abhängig zu machen. Nach dem Zusammenbruch des Ancien Regime habe es immer noch bis zum Zweiten Vatikanum gebraucht, um die Rolle der Christen in der Gestaltung der Welt und ihrer autonomen Wirklichkeiten neu zu definieren.
Auf Grundlage der Konzilskonstitution „Gaudium et Spes“ behandelte Prat dann einige Grundzüge des Verhaltens der Katholiken im heutigen politischen Leben: Der Diskurs mit den anderen gesellschaftlichen Gruppen und Meinungen innerhalb des Staates sei unverzichtbar. Die Katholiken dürften sich nicht zurückziehen. "Diese Kultur ist unsere Kultur, diese Gesellschaft ist unsere Gesellschaft, dieser Staat ist unser Staat!“ Der Diskurs müsse nüchtern, sachlich, ja letztlich liebevoll geführt werden, da die Christen nur auf diese Weise kohärent die christliche Botschaft vermitteln könnten. Auch die heute allgemein anerkannten Grundwerte wie Freiheit und Menschenwürde seien letztlich ohne das Christentum nicht denkbar.
In der an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde die Notwendigkeit des Einsatzes und des Beispiels christlicher Politiker betont. Prat warnte davor, politische Absenz mit eher theoretischen Gewissenskonflikten zu entschuldigen. Unter Hinweis auf konkrete Aktivitäten einiger Mitglieder des Opus Dei gemeinsam mit zahlreichen anderen Personen (etwa die Initiative "f21" über das Frauenbild im 21. Jahrhundert) wurde illustriert, was auch derzeit machbar sei. Politiker seien dankbar dafür, auf gut durchdachte Konzepte zurückgreifen zu können, die die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ohne Scheuklappen in den Blick nehmen und in christlichem Geist zu lösen versuchen.