Betrachtungstext: Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu

Wir sind das Blut Christi wert – Ein Herz, das uns unentwegt sucht – Den Heimweg antreten

„DER RATSCHLUSS des Herrn bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens überdauern die Zeiten: Er will uns dem Tod entreißen und in der Hungersnot unser Leben erhalten.“1 Mit diesen Psalmversen führt uns die heutige Liturgie in das Geheimnis des Heiligsten Herzens Jesu und seiner Liebe zu uns ein. Sie erinnern uns daran, dass das Herz Gottes Projekte birgt, die die persönliche Geschichte eines jeden Menschen berühren; und dass es sich dabei um Projekte der Freiheit und des Lebens handelt. Wir sind eben nicht „das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution“, wie Papst Benedikt betonte, vielmehr ist jeder von uns „Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.“2

Im durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz finden wir einen weiteren Hinweis auf seine grenzenlose Liebe. Der heilige Ambrosius erkannte folgende Parallele: „Wie Eva aus der Seite des schlafenden Adam geformt wurde, so ist die Kirche aus dem durchbohrten Herzen des am Kreuz gestorbenen Christus geboren.“3 Wir können somit sagen, dass wir unseren Ursprung im verwundeten Herzen Jesu haben. Unser Leben als Christen entspringt dieser Seite. Sie ist wie eine Quelle, zu der wir immer wieder zurückkehren können, um Kraft für unseren Weg zu schöpfen.

Der heilige Josefmaria schrieb: „Jesus am Kreuz, sein Herz durchbohrt aus Liebe zu den Menschen: Das ist die beredte Antwort – Worte sind überflüssig – auf die Frage nach dem Wert der Dinge und der Menschen. So viel sind die Menschen, ihr Leben und ihr Glück wert, dass der Sohn Gottes sich selbst hingibt, um sie zu erlösen, zu reinigen, zu erheben.“4 Wenn wir heute das Heiligste Herz des Herrn feiern, wird uns einmal mehr klar, dass es über allem Leid und allen Niederlagen jemanden gibt, für den wir unersetzlich sind. Deshalb können wir im Gebet, im Dialog mit Christus von Herz zu Herz, die Freude und das Vertrauen immer wieder zurückgewinnen.


UNSER INNERER FRIEDE kann gelegentlich dadurch gefährdet sein, dass wir die Gegenwart der Sünde in unserem Leben erkennen. Vielleicht geschieht dies in Momenten, in denen wir die Versuchung spüren und nachgiebig werden; wir hassen die Sünde, die uns von Gott entfernt und uns und anderen schadet, doch wir scheinen ihr nicht entkommen zu können. In solchen Momenten scheint unser Wille schläfrig zu sein und unser geistliches Leben wie gelähmt. Wenn wir den Eindruck haben, dass unser Herz nicht reagiert, können wir uns daran erinnern, dass das Herz Jesu sanftmütig und demütig ist, ein Ruheplatz und eine Erfrischung für diejenigen, die zu ihm Zuflucht nehmen: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken (Mt 11,28). Christus ist zudem der gute Hirte, der immer wieder nach uns Ausschau hält, der sich auf den Weg macht, um uns zu suchen und auf seine Schultern zu nehmen. Zu wissen, dass sein Herz nicht schläft, selbst wenn das unsere weit entfernt zu sein scheint, erfüllt uns mit Zuversicht, unseren täglichen Kampf wieder aufnehmen zu können.

Die liebende Fürsorge des Herzens Jesu schilderte Papst Franziskus einmal so: „Das Herz des Guten Hirten sagt uns, dass seine Liebe keine Grenzen kennt, dass es nicht müde wird und niemals aufgibt. (…) Es streckt sich uns entgegen, es ist auf den ,gepolt‘, der am weitesten entfernt ist; hartnäckig zeigt die Nadel seines Kompasses auf ihn, in ihm zeigt sich die Schwäche einer Sonderliebe, denn es möchte alle erreichen und niemanden verlieren.“5 Unsere Sünden sind kein Grund mehr, uns in unserem Wunsch, bei Gott zu sein, entmutigen zu lassen. Der Herr lässt zu, dass wir die Schwäche erfahren, und eröffnet uns dadurch die Möglichkeit, demütig zu sein; er rechnet mit unseren Bemühungen, angestoßen von seiner Gnade immer wieder aufzustehen. „Die Heilsgeschichte erfüllt sich“, so schrieb Papst Franziskus, „gegen alle Hoffnung (…) voll Hoffnung (Röm 4,18) durch unsere Schwachheit hindurch. Allzu oft denken wir, dass Gott sich nur auf unsere guten und starken Seiten verlässt, während sich in Wahrheit die meisten seiner Pläne durch und trotz unserer Schwachheit verwirklichen.“6


AM KREUZ hängend lässt Jesus zu, dass eine Lanze ihn durchbohrt, sodass „das Herz des Erlösers für alle offen steht“, wie die Liturgie heute betet, „damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heils“7. Christus mit geöffneter Seite zu betrachten, wird uns helfen, erneut Mut zu fassen und die Freundschaft mit Gott zu suchen. „Birg dich in den Wunden seiner Hände, seiner Füße, seiner Seite“, rät der heilige Josefmaria. „Dein Wille, neu zu beginnen, wird erstarken. Und du wirst dich von neuem auf den Weg machen, mit mehr Entschlossenheit, mit mehr Wirksamkeit.“8 Wenn wir aus der Falle der Entmutigung herauskommen wollen, ist das beste Mittel das, weniger an unsere Grenzen zu denken und mit Ruhe auf jenes Herz zu schauen, das sich wegen der Sünden aller durchbohren ließ.

„Unzulänglichkeiten und Fehltritte“, sagte ebenfalls der heilige Josefmaria, „begleiten dich ständig, und sie tun weh! Gleichzeitig aber gehst du deinen Weg weiter, und dein Herz möchte vor Freude zerspringen. Und gerade deswegen: weil deine Niederlagen dich schmerzen – Schmerz aus Liebe –, können sie dir nicht mehr den Frieden rauben.“9 Gott möchte nicht, dass unsere Sünden uns mit Traurigkeit erfüllen oder eine drückende Last darstellen, die wir schwer tragen können. Deshalb hat er uns die Beichte hinterlassen, damit wir die Freude wiedererlangen können, so oft wir es nötig haben. Die Zerknirschung, die Reue über die eigenen Fehler, ist Zeichen eines liebenden Herzens; es ist kein Gefühl, hinter dem sich eine gewisse Entmutigung darüber verbirgt, dass wir unseren eigenen oder den Erwartungen anderer nicht entsprochen haben: Es ist ein Schmerz, der Frucht der Liebe ist zu einem Gott, der alles, was nötig ist, für uns tut.

Im Herzen Christi werden wir immer einen Platz haben, an den wir zurückkehren können. Es genügt, dass wir uns klein machen und demütig eintreten. Und wenn es uns einmal schwerfällt, den Heimweg zu finden, können wir auf die Hilfe Marias zählen: Sie zeigt uns mit ihrem mütterlichen Blick den Weg, um durch die offene Seite ihres Sohnes in sein Herz zu gelangen.


1 Schott-Messbuch, Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu, Eröffnungsvers.

2 Benedikt XVI., Predigt, 24.4.2005.

3 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 766, vgl. Hl. Ambrosius, Lukaskommentar, 2, 85-89.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 165.

5 Franziskus, Predigt, 3.6.2016.

6 Franziskus, Patris Corde, Nr. 2.

7 Römisches Messbuch, Präfation des Hochfestes vom Heiligsten Herzen Jesu.

8 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, XII. Station, Nr. 2.

9 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 861.

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