Betrachtungstext: 1. Sonntag des heiligen Josef

Die Andacht der Sieben Sonntage des heiligen Josef – Die Sendung des Vaters Jesu – Josef, Schutzpatron der Kirche und des Werkes

ALS JESUS während seines öffentlichen Wirkens in seine Heimatstadt Nazaret kam, um auch hier in der Synagoge zu predigen, gerieten die Menschen außer sich vor Staunen (Mt 13,54). Die Reaktion seiner Mitbürger zeigt, welchen Eindruck jener Mann auf sie machte, den sie einst auf den Straßen und Plätzen ihres Dorfes aufwachsen sahen. Sie fragten sich: Woher hat er diese Weisheit und die Machttaten? Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder? Leben nicht auch alle seine Schwestern unter uns? Woher also hat er das alles? (Mt 13,54-56).

Sich dieser „heiligen Neugier“ nach mehr Einblick in das familiäre Umfeld Christi anschließend, hat die kirchliche Tradition sieben Momente im Leben des heiligen Josef identifiziert. Sie sind alle in der Heiligen Schrift grundgelegt und spiegeln – wie auch unser Leben – eine Mischung von Schmerz und Freude wider. Einer alten Tradition gemäß werden diese „Schmerzen und Freuden des heiligen Josef“ vielerorts an den sieben Sonntagen vor seinem Fest am 19. März betrachtet. Der heilige Josefmaria empfahl diese Andacht wärmstens. Als ihn jemand in einem Land, in dem der Mann Marias besonders verehrt wird, fragte, wie man sich Jesus nähern könne, antwortete er: „Denke an diesen herrlichen Menschen, den Gott erwählte, sein Vater auf Erden zu werden; denke an seine Sorgen und Freuden. Machst du die sieben Sonntage? Wenn nicht, rate ich dir, sie zu leben.“1

Die Verehrung des heiligen Josef hat in der Kunst, in der Volksfrömmigkeit und in der Geschichte der Kirche einen festen Platz. Bereits im 17. Jahrhundert richtete Papst Gregor XV. ein liturgisches Fest zu seinen Ehren ein. Später, 1870, erklärte Papst Pius IX. den heiligen Josef zum Patron der gesamten Kirche. Papst Leo XIII. widmete ihm eine Enzyklika, und 100 Jahre später veröffentlichte Johannes Paul II. das Apostolische Schreiben Redemptoris Custos. Im dritten Jahrtausend knüpfte Papst Franziskus an diese Tradition an und verfasste den Brief Patris corde – „Mit dem Herzen eines Vaters“. Dieses wiederholte Interesse der Kirche an der Gestalt des heiligen Josef, insbesondere in jüngerer Zeit, kann uns zum Nachdenken anregen: Wie ist meine Dankbarkeit und Bewunderung für diesen großen Heiligen? Und welche Rolle nimmt der heilige Josef in meinem Herzen ein?


JOSEF, SOHN DAVIDS, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen (Mt 1,20-21). Mit diesen Worten zerstreute der Engel auf einfache und unmissverständliche Weise die Zweifel und Ängste Josefs. Was genau in diesem Moment in Josefs Herz und Gedanken vor sich ging, wissen wir nicht. Doch eines ist sicher: Er zweifelte nicht an der Unschuld Marias. Der Engel bestätigte vielmehr, was Josef bereits tief in seiner Seele spürte: dass das, was geschehen war, von Gott kam.

Josef war sich der bedeutenden und edlen Aufgabe bewusst, die Gott ihm durch den Engel anvertraut hatte: Er war dazu berufen, der Vater Jesu zu sein. Diesen Auftrag setzte er mit Demut und Besonnenheit um. So pries ihn etwa der heilige Johannes XXIII.: „Welche Größe erlangt die stille und verborgene Gestalt des heiligen Josef durch den Geist, mit dem er die ihm von Gott anvertraute Sendung erfüllte! Denn die wahre Würde des Menschen misst sich nicht am Glanz auffälliger Ergebnisse, sondern an der inneren Haltung der Ordnung und des guten Willens.“2 In der Stille seines „Sich-Verbergens und Verschwindens“ ließ Josef die Pläne Gottes zur vollen Entfaltung kommen.

Auch heute noch vertraut Gott dem heiligen Josef seine Familie – die Kirche und alle Kinder Gottes – an. Und Josef sorgt für sie mit der gleichen Hingabe und Zärtlichkeit, wie er es einst für den Herrn selbst getan hat. Ein alter jüdischer Aphorismus sagt: „Ein wahrer Vater ist derjenige, der seinen Sohn die Tora – das Gesetz Gottes – lehrt, denn erst dadurch wird er wirklich sein Vater.“ Josef sorgte nicht nur für den Sohn Gottes, sondern führte ihn auch, insofern er Mensch war, in die Hoffnung Israels ein. Auf die gleiche Weise führt er uns heute durch seine machtvolle Fürsprache zu Jesus. Der Gründer des Werkes, dessen Verehrung für den heiligen Josef im Laufe seines Lebens immer mehr wuchs, bekräftigte: „Der heilige Josef ist wahrhaft unser Vater und Herr. Er beschützt und begleitet alle, die ihn verehren, auf ihrem irdischen Weg, so wie er den heranwachsenden Jesus beschützt und begleitet hat.“3


„DIE GANZE KIRCHE sieht im heiligen Josef ihren Beschützer und Schirmherrn“, fährt der Gründer des Werkes fort. „Vieles ist im Verlauf der Jahrhunderte über ihn gesagt worden. Man hat die verschiedenen Aspekte seines Lebens beleuchtet, das sich durch ungebrochene Treue gegenüber der ihm von Gott anvertrauten Aufgabe auszeichnet. Deshalb rufe ich ihn gern, schon seit vielen Jahren, mit einem besonders innigen Titel an: Unser Vater und Herr.“4 Gemeinsam mit Maria sorgte Josef für Unterhalt, Schutz und Pflege der Heiligen Familie. Als erweiterte Familie Jesu betrachtet die Kirche den Patriarchen daher als ihren besonderen Schutzpatron: „Nach der seligen Jungfrau hielt die Kirche den heiligen Josef stets hoch in Ehren und wandte sich in ihren Bedrängnissen besonders an ihn.“5

Das Zweite Vatikanische Konzil ermutigte die Kirche dazu, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie zu jeder Generation passend auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens (...) Antwort geben.“6 Als Familie Gottes müssen wir uns immer wieder fragen, was der Herr uns in jeder Situation und an jeder Weggabelung der Geschichte zeigen will. Die Heiligen sind eine wertvolle Hilfe, um Gottes Handeln in allen Ereignissen zu erkennen und seine Macht offenbar zu machen. Der heilige Josef kann hier ein wunderbarer Ratgeber sein.

Er ist auch der Schutzpatron des Werkes. In den Anfangsjahren des Opus Dei wandte sich der heilige Josefmaria konkret an ihn, um Jesus im Tabernakel der Akademie-Residenz DYA in Madrid aufbewahren zu dürfen. Auf die Fürsprache Josefs wurde dies im März 1935 möglich. Auf Wunsch des Gründers des Werkes tragen seither alle Schlüssel zu den Tabernakeln der Zentren des Werkes eine Medaille mit der Inschrift Ite ad Ioseph („Geht zu Josef“). Sie erinnern daran, dass uns der heilige Patriarch die kostbare Nahrung der Eucharistie verschafft hat – so wie es Josef im Alten Testament für sein Volk getan hat.
Bitten wir Josef gemeinsam mit Maria, uns für die Gegenwart Jesu im Allerheiligsten Sakrament stets dankbar zu erweisen.


1 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einem Familientreffen, 15.9.1972.

2 Hl. Johannes XXIII., Radiobotschaft, 1.5.1960.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 39.

4 Ebd.

5 Hl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Redemptoris custos, Nr. 28.

6 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 4.