Betrachtungstext: 7. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Berufen, ein lebendiges Evangelium zu sein – Kohärente Glaubenszeugen sein – Die Sünde kann unser Herz nicht erfüllen

WER EUCH auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen (Mk 9,41). Ein Becher Wasser scheint nichts Großes zu sein, auch wenn er nach einer Wanderung unter der heißen Sonne Judäas sehr nötig sein kann. Doch Jesus interessiert nicht der materielle Wert der Geste, sondern ihre Bedeutung: Einem seiner Jünger einen Becher Wasser zu geben, ist ein Zeichen der Offenheit, des Willkommenheißens. Wenn er Palästina durchquerte, um das Reich Gottes zu verkünden, war Jesus dankbar für die Zeichen der Gastfreundschaft und Zuneigung, die er von seinen Freunden erhielt, sowohl in Bethanien ‒ im Haus von Martha, Maria und Lazarus ‒ als auch anderswo. Vielleicht wären wir gerne eine dieser Gestalten aus dem Evangelium gewesen: Freunde Jesu, Menschen, die das Glück hatten, ihn bei sich zu Hause aufnehmen zu dürfen und ihm mit schlichter, aber echter Zuneigung etwas anzubieten. Viele von ihnen öffneten die Türen ihrer Häuser, vor allem aber die Türen ihrer Herzen.

Jesus klopft auch an unsere Tür. Er kommt uns nahe in den Sakramenten, in der Heiligen Schrift, in den Menschen in Not in unserer Umgebung ... Es fehlt in unserem Leben aber auch nicht an Personen, die Jesus vorausgeschickt hat, um an unser Herz zu klopfen. Vielleicht befinden sie sich in unserer Familie, im Freundeskreis, in einem Lehrer, in einem Katecheten ... Es sind Menschen in unserem Leben, die wichtig waren, gerade weil sie Frauen und Männer Gottes waren. Das ist es, wozu jeder Jünger Jesu berufen ist: jemand zu sein, der zu Christus gehört und deshalb in seinem Namen die frohe Botschaft bringt. Papst Franziskus betonte: „Wir alle, die wir getauft sind, sind missionarische Jünger und berufen, in der Welt ein lebendiges Evangelium zu werden.“1


NACHDEM der Herr betont hat, wie wichtig es ist, den anderen seinen Namen und seine Gegenwart nahe zu bringen, warnt er vor der enormen Verfehlung des gegenteiligen Verhaltens: Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde (Mk 9,42). Ein Mensch, der sich zum Christsein bekennt, aber nicht denkt, fühlt und handelt wie jemand, der unterwegs ist zu Gott, ist inkohärent und macht es auch anderen schwer, sich Christus zu nähern. Er entstellt sein liebenswertes Antlitz und errichtet Hürden statt Brücken, die zum Heil führen. Das Zweite Vatikanische Konzil stellt fest, dass es häufig vorkommt, dass Christen „das wahre Antlitz Gottes und der Religion eher verhüllen als offenbaren“2.

Die negative Kraft der Inkohärenz ist groß. Wir alle sind Menschen begegnet, die aus der Kirche ausgetreten sind, weil sie bei manchen Christen ein Doppelleben festgestellt haben, weil sie das Gefühl hatten, hart oder zu streng behandelt worden zu sein, oder weil sie Opfer von Ungerechtigkeit im persönlichen, beruflichen oder sozialen Bereich geworden sind. Es stimmt, dass wir aufgrund der Sünde alle schwach sind und in gewissem Maße dazu neigen, uns nicht richtig zu verhalten. Aus diesem Grund ist Gebet nötig, wie Papst Franziskus sagte, „denn die christliche Kohärenz ist ein Geschenk Gottes. (...) Gib, dass ich ein Mensch bin, der denkt wie ein Christ, der fühlt wie ein Christ, der handelt wie ein Christ!“3 So wie die Inkohärenz großen Schaden anrichtet, stiftet die christliche Kohärenz großen Nutzen. Das christliche Zeugnis bewegt die Herzen im Stillen. Es sät in den Mitmenschen eine heilige Unruhe, aus der heraus der Heilige Geist sein Werk beginnen kann.


WENN DIR deine Hand Ärgernis gibt, sagt Jesus, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt (Mk 9,43.45.47-48). Nachdem Jesus vor dem Irrweg der Inkohärenz des Lebens gewarnt hat, der andere vom Heil abhält, sucht er uns mit plakativen Beispielen davon zu überzeugen, unser gegenwärtiges Leben mit den Augen der Ewigkeit zu betrachten. Denn was nötig ist, damit wir diese Worte umsetzen – und wovon Jesus ausgeht, wenn er sie ausspricht –, ist unsere Sehnsucht, mit Gott glücklich zu sein: die Sehnsucht, „in das Leben“ oder „in das Reich“ einzugehen.

Der Herr möchte, dass wir die Sünde von uns fernhalten – was einschließt, dass wir jede Gelegenheit meiden, Gott zu beleidigen –, denn er weiß, dass sie unser Herz nicht erfüllt. Wenn wir die Erfahrung machen, dass es „nichts Besseres auf der Welt gibt, als in der Gnade Gottes zu leben“4, wie der heilige Josefmaria sagte, werden wir mit Demut und Stärke die notwendigen Mittel einsetzen wollen, um alles von uns fernzuhalten, was uns von unserem Herrn entfernen kann. Der heilige Josefmaria ermunterte uns, nie den Mut zu verlieren, wenn wir die Neigung zum Bösen in uns entdecken. „Schäme dich nicht“, sagte er, „denn der allmächtige und barmherzige Herr hat uns alle geeigneten Mittel gegeben, um diese Neigung in uns zu überwinden: die Sakramente, das Gebetsleben, die Gott dargebrachte Arbeit. Nutze sie beharrlich und sei bereit, immer wieder neu zu beginnen.“5

Maria hilft uns auf dem Weg zum wahren Glück. „Im Salve Regina nennen wir sie ,unser Leben‘“, lehrte Papst Franziskus und fuhr fort: „Dies scheint übertrieben, denn Christus ist das Leben (vgl. Joh 14,6). Doch Maria ist so sehr eins mit ihm und uns so nahe, dass es nichts Besseres gibt, als unser Leben in ihre Hände zu geben und sie als ,unser Leben, unsre Wonne und unsre Hoffnung‘ zu bekennen.“6


1 Franziskus, Angelus, 9.2.2014.

2 Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 19.

3 Franziskus, Tagesmeditation, 27.2.2014.

4 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 286.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 119.

6 Franziskus, Predigt, 1.1.2019.