MEINE SEELE dürstet nach Gott (Ps 42,3), mein Herz und mein Fleisch, sie jubeln dem lebendigen Gott entgegen (Ps 84,3). Immer wieder sprechen die Psalmen von einem Gott, der die Sehnsüchte nicht nur unserer Seele, sondern auch unseres Herzens und selbst unseres Leibes kennt – und zu stillen vermag. Wir sind geschaffen, um Gott zu genießen. Mit dieser Gewissheit gehen wir zur Heiligen Messe, wo Gott selbst sich uns schenkt und unser tiefes Verlangen stillt. Doch vielleicht spüren wir diese Begeisterung nicht immer. Vielleicht nähern wir uns dem eucharistischen Tisch mit einem verwirrten Herzen, einer zerstreuten Seele und einem erschöpften Körper. Dann scheint der innere Jubel des Psalmisten weit entfernt.
Unsere Verfassung erinnert dann mehr an Naaman, den Syrer. Er war der Feldherr des Königs von Aram, galt viel bei seinem Herrn und war angesehen; denn durch ihn hatte ... Gott den Aramäern den Sieg verliehen. Der Mann war tapfer, aber an Aussatz erkrankt (2 Kön 5,1). Naaman war ein Mann voller Tatkraft und auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als alle Freuden des Lebens für ihn über Nacht zur Qual wurden – nicht, weil sich die Dinge verändert hätten, sondern weil er krank war. Er hatte die Fähigkeit verloren, das Leben zu genießen, nicht aber die Sehnsucht danach.
In der Eucharistie finden wir alles, was wir brauchen. Sie ist Nahrung, die uns sättigt, Medizin für unsere Krankheiten. Im Tagesgebet bitten wir: „Barmherziger Gott, deine Kirche kann nicht bestehen ohne dich, sie lebt allein von deiner Gnade. Reinige und festige sie und führe sie mit starker Hand.“1 Darum mahnt der heilige Johannes Paul II.: „Würden wir die Eucharistie vernachlässigen, wie könnten wir unserer Armut abhelfen?“2 Und der heilige Josefmaria rät: „Liebt die heilige Messe. Geht voll Verlangen zur Kommunion. Auch wenn ihr innerlich kalt seid, auch wenn das Gefühl nicht antwortet, kommuniziert mit Glauben, mit Hoffnung, mit brennender Liebe.“3
VIELE AUSSÄTZIGE gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman (Lk 4,27). Warum wurde gerade er geheilt, bei so vielen Aussätzigen Israels? Und warum richtet der Herr gerade an uns erneut seinen liebevollen Aufruf zur Umkehr, unter so vielen Bedürftigen? Es bleibt ein Geheimnis. Wir wissen es nicht. Wir haben uns keine besonderen Verdienste erworben. Im Gegenteil – vielleicht haben wir uns eher widersetzt, so wie Naaman, der zuerst zornig wurde und dann wegging (vgl. 2 Kön 5,11).
Wir haben diese Fastenzeit mit guten Vorsätzen begonnen. Vielleicht sind wir nun ernüchtert, weil wir keine großen Fortschritte erkennen. Vielleicht gleichen wir Naaman oder den Landsleuten Jesu, die auf Wunder warteten, dabei aber übersahen, was ihnen direkt vor Augen stand. Vielleicht sehnen wir uns nach einer spektakulären Bekehrung, nach einer Wende, die unser Leben radikal verändert. Und solange sie ausbleibt, verschieben wir unsere Bekehrung im Kleinen, jene Bekehrung, die wirklich in unserer Reichweite liegt.
Heiligkeit entsteht nicht über Nacht. „Die Heiligung ist ein Werk für das ganze Leben,“4 erinnert uns der heilige Josefmaria, und es ist Gott selbst, der dieses Werk in uns vollbringt – ohne dass wir genau wissen, wie. Die Bekehrung ist jedoch „Sache eines Augenblicks“5, und wir können sie jetzt vollziehen – jedes Mal, wenn wir uns zum Gebet begeben oder uns in die Gegenwart Gottes versetzen. Wenn Jesus bei uns ist, was brauchen wir noch, um uns zu bekehren und heilen zu lassen?
NAAMAN ließ sich helfen. Er gingzum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie ihm der Gottesmann befohlen hatte. Da wurde sein Leib gesund wie der Leib eines Kindes und er war rein (2 Kön 5,14). An der Heilung Naamans haben auch andere mitgewirkt. Da war das junge israelitische Mädchen, das bei einem Streifzug verschleppt und zur Sklavin gemacht worden war.Es war in den Dienst der Frau Naamans gekommen, heißt es in der Schrift. Und es sagte zu seiner Herrin: Wäre mein Herr doch bei dem Propheten in Samaria! Er würde seinen Aussatz heilen (2 Kön 5,2-3).
Naaman, der Syrer, wurde dank des Glaubens und der Liebe dieses Mädchens geheilt. Es ist bemerkenswert, dass sie trotz ihres Schicksals weit davon entfernt war, Hassgefühle gegen ihre neuen Herren zu hegen, und vielmehr aufrichtig wünscht, dass ihr Herr geheilt wird. Die gleiche Haltung sehen wir später bei Naamans Dienern. Er hatte dem Haus des Propheten im Zorn den Rücken gekehrt, sie aber beruhigten ihn und halfen ihm, zur Vernunft zu kommen. Ohne sie wäre Naaman nicht geheilt worden.
In jeder Bekehrungsgeschichte, auch in unserer eigenen, sind einfache gläubige Menschen im Spiel, die Gott uns an die Seite gestellt hat. Und wir selbst können solche Menschen für andere sein. In diesem Sinne schreibt Papst Franziskus: „Niemand erlangt das Heil allein, das heißt weder als isoliertes Individuum noch aus eigener Kraft. Gott zieht uns an, indem er den vielschichtigen Verlauf der zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigt, den das Leben in einer menschlichen Gemeinschaft mit sich bringt.“6 Und unter allen Menschen ist es Maria, unsere Mutter, die uns am meisten liebt und uns sanft zu ihrem Sohn führt, damit Jesus uns heile.
1 Montag der dritten Fastenwoche, Tagesgebet.
2 Hl. Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia, Nr. 60.
3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 91.
4 Hl. Josefmaria, Weg, Nr. 285.
5 Ebd.
6 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 113.