Betrachtungstext: 24. Woche im Jahreskreis – Freitag

Ein an alle gerichtetes Evangelium – Einen Schatz teilen – Die Frauen, die Jesus begleiteten

JESUS WANDERTE VON Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes (Lk 8,1). Und die ersten, die das Wort Christi vernahmen, waren auf Wunsch des Herrn die verlorenen Schafe des Hauses Israel (Mt 10,6). Jesus hätte seine Verkündigung an jedem beliebigen Ort beginnen können, etwa am Hof des Tempels in Jerusalem, doch er entschied sich für Galiläa, eine gegenüber Judäa entlegene und religiös gesehen „dunkle“ Gegend. Damit erfüllte sich die Prophezeiung des Jesaja: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen (Mt 4,15-16). Sebulon und Naftali sind die beiden Stämme Israels, die als erste von den feindlichen Assyrern vernichtet wurden. Ausradiert von der Landkarte des jüdischen Lebens. Und mit den Bewohnern war auch der jüdische Glaube ausgelöscht worden im Norden Israels. In dieses Land wollte Jesus als erstes gehen, in ein Randgebiet, in dem sich Völker, Sprachen und Kulturen mischten.

Von Anfang an richtet Jesus seine Botschaft an Frauen und Männern aus allen Nationen (vgl. Mt 8,11; 28,19). Um den Glauben frei von lokalen Besonderheiten zu verkünden, wies er oftmals Vorschriften zurück, die im Laufe der Zeit dem ursprünglichen Gesetz hinzugefügt worden waren. Die Aufgabe, die wesentlichen Aspekte der Botschaft Christi zu identifizieren, damit sie alle, auch die Fernstehenden erreichen kann, ist immer aktuell. Papst Franziskus bekräftigt in seinem Schreiben über die Verkündigung des Evangeliums: „Die Evangelisierung ist wesentlich verbunden mit der Verkündigung des Evangeliums an diejenigen, die Jesus Christus nicht kennen oder ihn stets abgelehnt haben. Viele von ihnen suchen Gott insgeheim, bewegt von der Sehnsucht nach seinem Angesicht, auch in Ländern mit alter christlicher Tradition. Alle haben das Recht, das Evangelium zu empfangen. Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos allen zu verkünden, nicht wie jemand, der ihnen eine zusätzliche Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der mit ihnen eine Freude teilt, ihnen einen wunderbaren Horizont eröffnet, sie zu einem begehrenswerten Festmahl führt“1


DER HERR ließ es zu, dass ihm zahlreiche Menschen folgten, denen er auf seinem Weg entlang des Ufers des Sees Gennesaret begegnete. Es war keine Gegend, die von einflussreichen Staatsmännern oder Kulturschaffenden bewohnt wurde, hier lebten einfache Leute: Fischer und Händler. Jesus scheint von Anfang an umsetzen zu wollen, was er später im Gleichnis vom Hochzeitsmahl deutlich machte: Geht an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein! Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen (Mt 22,9-10).

Wie konnte diese kleine Gruppe von Männern so viele Menschen für die Botschaft Christi begeistern? Der heilige Josefmaria erklärt dazu: „Das waren die vom Herrn erwählten Jünger, (...) so traten sie auf, bevor sie, voll des Heiligen Geistes, zu Säulen der Kirche wurden (vgl. Gal 2,9): Es sind gewöhnliche Menschen, mit Fehlern und Schwächen, mit Worten, die weiter reichten als ihre Taten. Und dennoch: Jesus ruft sie, um aus ihnen Menschenfischer (Mt 4,19) (...) zu machen.“2

Die Stärke der Jünger lag nicht in ihren persönlichen Eigenschaften, sondern in ihrer Erfahrung, die Liebe Gottes empfangen zu haben. Das Bewusstsein um diese Begegnung mit Jesus begleitete sie stets und ließ sie ausrufen: Wir haben den Messias gefunden (Joh 1,41). Papst Franziskus schreibt in diesem Zusammenhang: „Wir alle wurden für das erschaffen, was das Evangelium uns anbietet: die Freundschaft mit Jesus und die brüderliche Liebe. Wenn es gelingt, den wesentlichen Inhalt des Evangeliums angemessen und schön zum Ausdruck zu bringen, wird diese Botschaft zu den tiefsten Sehnsüchten der Herzen sprechen.“3 Das Bewusstsein, Träger eines solchen Schatzes zu sein, und der Wunsch, ihn nicht in Vergessenheit geraten lassen, wird unseren Blick weniger auf unsere eigenen Fähigkeiten lenken als darauf, die Begegnung mit Jesus lebendig zu halten, damit Gott durch uns viele weitere Menschen erreichen kann.


NEBEN DEN APOSTELN nennt das Evangelium mehrere Frauen, die Jesus auf seinem Weg begleiteten: Maria, genannt Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie unterstützten Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen (Lk 8,2-3). Auch hier sehen wir, dass es sich nicht um prominente oder einflussreiche Frauen handelte, sondern um solche, die sich Jesus genähert hatten, um Heilung von körperlichen und seelischen Leiden zu erfahren.

Diese Frauen begleiteten den Herrn während seiner ganzen Predigttätigkeit. Und wir wissen, dass sie ihm bis zum letzten Moment seines Lebens treu blieben, als fast alle Apostel ihn verlassen hatten: Viele Frauen waren dort und sahen von Weitem zu; sie waren Jesus von Galiläa aus nachgefolgt und hatten ihm gedient (Mt 27,55). Ihre Liebe zu ihm war stark, vereinbar mit dem Schmerz. Sie suchten weder Ruhm noch Ansehen, noch waren sie an einem vermeintlichen weltlichen Erfolg interessiert. Sie wollten lediglich bei dem bleiben, der ihr Leben grundlegend verändert hatte. Ihre Hingabe entsprang einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit, da Jesus sie ohne jede Gegenleistung von ihren Leiden befreit hatte.

Diese Frauen bewahrten sich ihre hoffnungsvolle, von Liebe geprägte Haltung und tun dies bis heute in der Kirche. Nur so ist es zu erklären, dass Maria Magdalena und Johanna am Morgen nach Jesu Tod erneut zum Grab gingen, während andere alles für verloren hielten. Die Gewissheit der Auferstehung ermutigt uns, in dieser Hoffnung und Liebe zu leben – einer Hoffnung, die auch Maria, die Mutter Jesu, erfüllte.


1 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 14.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 2.

3 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 265.

Foto: Jacek Dylag (unsplash)