Betrachtungstext: 1. Woche der Fastenzeit – Montag

Der Sünde entsagen, ist ein Gewinn – Christus in den anderen sehen – Der Himmel ist für diejenigen, die alles von Gott erhalten

DIE BEFEHLE des Herrn sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude, so singt der Psalmist. Das Gebot des Herrn ist rein, es erleuchtet die Augen (Ps 19,9). Freude für das Herz und Licht für die Augen: Das sind die Früchte, die der Herr uns schenkt, wenn wir uns in dieser Fastenzeit für die Umkehr zu ihm öffnen. Gott will, dass wir glücklich sind – daran erinnert uns gleich der erste Punkt des Katechismus der Katholischen Kirche: „Gott ist in sich unendlich vollkommen und glücklich. In einem aus reiner Güte gefassten Ratschluss hat er den Menschen aus freiem Willen erschaffen, damit dieser an seinem glückseligen Leben teilhabe.1

Bitten wir Gott um Erleuchtung, damit wir nicht oberflächlich bleiben im Umgang mit Dingen, Menschen und Aufgaben. Bekehrung bedeutet, Vertrautes mit neuen Augen zu sehen. Es ist der Heilige Geist, der unsere Augen reinigt und unser Herz läutert, damit wir Gott und unsere Mitmenschen mehr lieben können. Der Feind versucht uns einzureden, dass Gott nur Verzicht von uns fordert. Doch in Wahrheit ist der Verzicht auf die Sünde ein Gewinn, ein unschätzbarer Vorteil und, wie der heilige Josefmaria schrieb, „nur scheinbar ein Opfer“, denn mit dem Rücken zu ihr zu leben, „befreit uns von vielen Fesseln und lässt uns im Innersten unseres Herzens die ganze Liebe Gottes auskosten.“2

Papst Franziskus erinnert uns: ,„Die österliche Bußzeit ist ein Neuanfang, ein Weg mit einem sicheren Ziel – dem Pascha der Auferstehung, dem Sieg Christi über den Tod. Diese Zeit lädt uns stets eindringlich zur Umkehr ein: Der Christ ist aufgerufen, von ganzem Herzen (Joel 2,12) zu Gott zurückzukehren und sich nicht mit einem mittelmäßigen Leben zufriedenzugeben, sondern in der Freundschaft mit Jesus zu wachsen. (...) Die österliche Bußzeit ist ein günstiger Moment, das Leben des Geistes (...) zu intensivieren.“3


DENN ICH war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen (Mt 25,35). Jesus lehrt seine Jünger, dass diejenigen, die sich um ihre Mitmenschen kümmern, am Ende zu den Gesegneten gehören. Gott erwartet uns in jedem Menschen, dem wir begegnen – das allein ist Grund genug zur Dankbarkeit. Öffnen wir uns seiner Gnade, werden wir lernen, das göttliche Bild in jeder Seele zu erkennen, besonders in den bedürftigen. Zu wissen, dass der Herr jene Kollegen, Freunde oder Verwandten nicht nur liebt, sondern in ihnen gegenwärtig ist, ermutigt uns, das Antlitz Jesu Christi in ihnen zu suchen. Unsere Mitmenschen sind ein Geschenk Gottes.

Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40). Gott fordert uns auf, Liebe, Verständnis und Frieden zu säen, wo immer wir sind. Manchmal reicht schon ein einfaches Lächeln – oft verändert es den Tag derjenigen, die es empfangen. „Vergiss nicht, dass es manchmal einfach notwendig ist, frohe Gesichter um sich zu haben4, schreibt der heilige Josefmaria. Doch um Frieden und Freude um uns herum zu verbreiten, müssen wir sie zuerst in uns selbst tragen. Dafür ist Aufrichtigkeit gegenüber Gott, uns selbst und jenen, die uns helfen, unerlässlich. Papst Franziskus mahnt: „Haben wir keine Angst, wahrhaftig zu sein, die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit zu spüren, uns der Wahrheit anzupassen. So werden wir lieben können.5 Wenn wir den Hungrigen speisen, dem Durstigen zu trinken geben und den Fremden aufnehmen wollen, muss in unserem Inneren Frieden herrschen – denn nur so können wir Christus in den anderen erkennen.


KOMMT HER, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! (Mt 25,34). In gewisser Weise, so betont Papst Franziskus, „findet das Jüngste Gericht bereits statt – es beginnt jetzt, mitten in unserem Leben. In jedem Augenblick wird das Urteil gefällt: ob wir das in Christus gegenwärtige Heil gläubig annehmen oder uns durch Unglauben in uns selbst verschließen.6 Ein Irrtum wäre es, unser Leben als einen Kampf um Gottes Liebe zu betrachten, anstatt zu erkennen, dass seine Liebe uns längst vorausgeht. Dieser Irrweg führt in „die Tiefe, die wir Hölle nennen“, wie Papst Benedikt schrieb – „sie besteht darin, dass der Mensch nichts empfangen und völlig autark sein will. Sie ist Ausdruck der Verschließung ins bloß Eigene. Hingegen ist der Himmel „von seinem Wesen her etwas, das man nicht selbst gemacht hat und auch nicht selbst machen kann.“7

Wie schwer es ist, die Liebe Gottes zu begreifen, zeigt das Gleichnis vom barmherzigen Vater. Beide Söhne versuchen, ihr Glück durch Ansprüche zu sichern: Der Jüngere fordert: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! (Lk 15,12). Der Ältere hingegen klagt: Mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte (Lk 15,29). Beide berechnen, was sie zu verdienen meinen – und beide liegen falsch. Der Jüngere hat seinen Satz noch nicht ausgesprochen, als der Vater schon sagt: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein (Lk 15,22-23). Und dem Älteren verspricht der Vater sogar noch mehr: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein (Lk 15,31). Erst als sie lernen zu empfangen, können sie den Himmel erreichen und die unendliche Liebe Gottes annehmen.

In unserem Wunsch, Gott in unserer Seele wirken zu lassen, schließen wir uns dem Gebet des heiligen Josefmaria an: „Ja, Herr, mit der Hilfe unserer himmlischen Mutter werden wir treu sein, werden wir demütig sein. Und wir werden nie vergessen, dass unsere Füße aus Ton sind und dass alles, was an uns glänzt, von dir ist, Gnade ist, jene Vergöttlichung, die du uns gewährst, weil du es so willst, weil du gut bist.8


1 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1.

2 Hl Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 84.

3 Franziskus, Botschaft für die Fastenzeit 2017, 18.10.2016.

4 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 57.

5 Franziskus, Audienz, 25.8.2021.

6 Franziskus, Audienz, 11.12.2013.

7 Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, Kösel, S. 295.

8 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 62.