Betrachtungstext: 28. Woche im Jahreskreis – Sonntag (C)

Gott wendet sich nicht ab – Wichtiger als die Heilung – Der Wert des Dankes

AUF DEM WEG nach Jerusalem, zwischen Samaria und Galiläa, traf Jesus auf zehn Aussätzige, die ihm schon von Weitem zuriefen: Meister, hab Erbarmen mit uns! (Lk 17,13). Zur Zeit Jesu war Lepra der Sammelbegriff für vielerlei Hautkrankheiten, die als ansteckend galten. Wer betroffen war, musste bewohnte Orte meiden und wurde aus Familie und Gemeinschaft ausgeschlossen. So trugen diese Menschen nicht nur die körperlichen Leiden, sondern auch die Last der Einsamkeit und der gesellschaftlichen Ächtung. Wer mit ihnen in Berührung kam, galt selbst als unrein und durfte nicht am Gottesdienst teilnehmen, bis eine rituelle Reinigung erfolgt war.

Jesus, der das Leid dieser Menschen sieht, geht nicht vorüber. Geht, zeigt euch den Priestern! (Lk 17,14), sagt er ihnen. Und während sie unterwegs sind, geschieht das Wunder: Sie werden rein. Auch wir dürfen gewiss sein, dass Gott unsere Bitten hört – noch bevor wir sie aussprechen. Christus ist unser Leid nicht gleichgültig. Er möchte, dass uns die Prüfungen des Lebens zu ihm führen, dass wir lernen, auf seine Gnade zu vertrauen. Er schämt sich nicht für uns und wendet sich nicht ab, auch wenn unsere Seele von „Lepra“ gezeichnet ist.

Die Szene erinnert – wie Papst Leo XIV. sagte – daran, „dass Gott uns nie den Rücken zudreht, wenn wir uns an ihn wenden (...). Der Herr erhört uns immer, wenn wir zu ihm beten. Und wenn er uns manchmal verzögert oder auf Weisen antwortet, die wir schwer verstehen, dann deshalb, weil er mit einer größeren Weisheit und Vorsehung handelt, die unser Denken übersteigt. Hören wir also in solchen Momenten nicht auf, mit Zuversicht zu beten: In ihm werden wir immer Licht und Kraft finden.“1 Selbst wenn unser Gebet scheinbar ohne Wirkung bleibt, bringt es doch Frucht: Es durchbricht die Isolation unserer „Lepra“ und führt uns näher zu dem Arzt, der allein heilen kann.


VON DEN zehn Geheilten kehrte nur einer zurück, um Gott zu preisen. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm (Lk 17,16) – und ausgerechnet er war ein Samariter, also ein Fremder. Das blieb dem Herrn nicht verborgen: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? (Lk 17,17-18).

Die anderen neun vergaßen, wer sie geheilt hatte. Sie gingen ihres Weges – wie auch wir manchmal Gefahr laufen, die Gaben Gottes als selbstverständlich hinzunehmen. Papst Franziskus warnte: „Dies ist eine hässliche geistliche Krankheit, wenn man alles für selbstverständlich hält – auch den Glauben, sogar unsere Beziehung zu Gott. Das kann so weit gehen, dass wir zu Christen werden, die nicht mehr wissen, wie man staunt, die nicht mehr wissen, wie man ,danke‘ sagt, die keine Dankbarkeit zeigen, die die Wunder des Herrn nicht mehr erkennen.“2 Äußerlich waren jene Männer geheilt, doch sie hatten ihr Herz nicht geöffnet für das größere Geschenk, das Gott für sie vorbereitet hatte: die Begegnung mit dem Messias.

Der Samariter hingegen wollte mehr als nur geheilt werden. Er wollte Jesus kennenlernen, ihm danken, ihn anbeten. Seine Geste war nicht bloße Höflichkeit, sondern der Beginn eines neuen Lebens. Papst Franziskus fuhr fort: „Er erkannte an, dass Jesus der Herr ist und dass er wichtiger war als die Heilung, die er erfahren hatte.“3Der Samariter hatte entdeckt, was er wirklich brauchte: in Gemeinschaft mit dem Messias zu treten. Das war die wichtigste Frucht seines Gebets.


WIE DER SAMARITER sind auch wir eingeladen, unseren Blick auf das zu richten, was wir empfangen haben. Dankbarkeit öffnet die Augen für die Gegenwart Gottes und lässt uns erkennen, dass wir uns selbst nicht genügen. Sie führt uns dazu – so nochmals Worte von Papst Franziskus –, „die Gegenwart des Gottes der Liebe zu bekennen. Und auch dazu, die Bedeutung der anderen zu erkennen und die Unzufriedenheit und Gleichgültigkeit zu überwinden, die das Herz verunstalten“4.

Jeder Tag bietet unzählige Gelegenheiten, Dank zu sagen – für die kleinen Gesten in der Familie, für den kompetenten Dienst eines Verkäufers, für die Hilfe eines Kollegen, für die Nähe und Unterstützung eines Freundes. In all dem können wir die Hand des Herrn entdecken, der uns durch andere Gutes tut. Und wir dürfen ihm danken auch für das, was uns gar nicht bewusst ist: die Fürsorge unserer Eltern, als wir noch klein waren, das stille Gebet eines Freundes, die verborgenen Gnaden, die er uns täglich schenkt.

Oft sind es die Mütter, die ihren Kindern beibringen, dankbar zu sein. Bitten wir heute unsere himmlische Mutter, uns ein Herz wie das des Samariters zu schenken – offen, dankbar und entschlossen, mit ihrem Sohn zu leben. „Hast du gesehen, wie dankbar die Kinder waren?“, fragte der heilige Josefmaria. „Mach es ihnen nach und sage wie sie zu Jesus, in Freude wie in Schmerz: ‚Wie gut du bist!‘“5


1 Leo XIV., Angelus-Gebet, 27.7.2025.

2 Franziskus, Predigt, 9.10.2022.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 894.

Foto: Europeana (unsplash)