Zum Seligsprechungsprozeß für Msgr. Josemaría Escrivá

Zur Zeit der Seligsprechung von Josefmaria Escrivá im Mai 1992 wurden in der Öffentlichkeit kritische Fragen zum vorangegangenen Seligsprechungsverfahren gestellt. Der damalige Präfekt und der Sekretär der Kongregation für die Heiligsprechungsprozesse antworteten darauf im L’Osservatore Romano (italienische Tagesausgabe) am 13.05.1992. Eine Übersetzung erschien in der deutschen Wochenausgabe vom 22.05.1992; hier eine leicht gekürzte Fassung.

Bekanntlich ist für den 17. Mai die Feier der Seligsprechung des ehrwürdigen Dieners Gottes, Josemaría Escrivá de Balaguer vorgesehen. Die Ankündigung hat nicht nur bei den Angehörigen des Opus Dei, einer Gründung des Dieners Gottes Freude geweckt, sondern bei allen, die seine Spiritualität und sein Werk kennengelernt haben.

Es hat jedoch auch nicht an Gegenstimmen gefehlt, und das war angesichts der Verbreitung der Mitglieder des Opus Dei und der Arbeit, die sie im Dienst der Kirche leisten, vorauszusehen. Es hat auch einige Unterstellungen zur Verfahrensweise gegeben, die von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse in diesem besonderen Falle befolgt wurde. Solchen Unterstellungen fehlt jedes Fundament, wie eine genaue Kenntnisnahme vom Verlauf des Prozesses zeigt, der hier dargestellt werden soll.

I. Die Einleitungsphase des Prozesses

Nach dem Tod des Dieners Gottes am 26. Juni 1975 in Rom hat sich der Ruf der Heiligkeit, dessen er sich schon im Leben erfreute, immer weiter verbreitet. In den fünf folgenden Jahren konnte die Postulatur in zwei Bänden von 428 und 390 Seiten viele Zeugnisse zur Ausbreitung und Begründung dieses Rufes sammeln. Die Postulatur veröffentlichte einen weiteren Band mit den von den Interessierten unterzeichneten 1500 Berichten über Gebetserhörungen, die der Fürbitte von Msgr. Escrivá zugeschrieben werden. Bis heute haben die schriftlichen Berichte über Gebetserhörungen und erhaltene Gnadenerweise die Zahl 70000 erreicht. Außerdem wurden an den Papst gegen 6000 Briefe mit der Bitte um die Seligsprechung gesandt, die unter anderen von 69 Kardinälen, 1228 Bischöfen und 41 Generaloberen von religiösen Orden und Kongregationen, dazu von zahlreichen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs unterzeichnet waren, von denen viele den Diener Gottes noch persönlich gekannt hatten oder wenigstens die Bedingungen erfüllten, die in der Instruktion der Ritenkongregation vom 15. Januar 1935 vorgesehen sind.

Das Motu proprio Sanctitas clarior, das von 1969 bis 1983 galt, legte fest – wie im übrigen auch von den heute geltenden Normen vorgesehen ist –, daß ein Prozeß erst begonnen werden darf, wenn fünf Jahre seit dem Tod des Dieners Gottes verflossen sind. Dies soll eine Überprüfung der Fortdauer und Festigung des Rufs der Heiligkeit möglich machen. Der Prozeß für Msgr. Escrivá begann am 19. Februar 1981, hielt also die vom Recht vorgesehenen Grenzen ein, und vorher gaben auch die Kongregation für die Glaubenslehre und die für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse ihre Unbedenklichkeitserklärung ab, die vom Papst bestätigt wurde.

II. Die Phase der Beweisaufnahme

Über Leben und Tugenden des Dieners Gottes wurden seit Mai 1981 sechseinhalb Jahre hindurch gleichzeitig zwei Prozesse geführt, einer in Rom, der andere in Madrid für die Zeugen spanischer Sprache. Nach der damals geltenden Praxis wurden die sehr ins Einzelne gehenden Formulare für die Befragungen von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse bereitgestellt, die auch die kritischen Ausführungen der Gegner vor Augen hatte, denn die Postulatur hatte ihr diese zur Verfügung gestellt. Es fanden insgesamt 980 Sitzungen statt, bei denen 92 Zeugen, lauter Augenzeugen, verhört wurden. Ein Drittel von ihnen hatte zwischen vierzig und zwanzig Jahre Umgang mit Msgr. Escrivá de Balaguer. Die Anhörung eines der Zeugen zog sich über 60 Anhörungen hin, und die Prozeßakten füllen etwa 11000 mit Schreibmaschine abgefaßte Seiten. Außerdem liegen Dokumente als Ergebnis von Forschungen in 390 Archiven vor, die in 11 Bänden zusammengestellt sind.

Über 50 Prozent der [Zeugen] (Anm.: statt „Texte“) haben nichts mit dem Opus Dei zu tun, und die Gerichte haben auch einige ehemalige Mitglieder des Opus Dei befragt. (Anm.: Es wurden 11 ehemalige Mitglieder befragt.) Außerdem hat die Postulatur dafür gesorgt, die Namen der Personen anzugeben, die offenkundig gegen den Seligsprechungsprozeß waren, und vorgeschlagen, einige von ihnen vor den Gerichten zu verhören; bei einer von diesen Personen kam das Gericht zum Entscheid, sie von der Zeugnisabgabe ausschließen zu müssen, weil sie für unglaubwürdig und ungeeignet betrachtet wurde, um vor einem kirchlichen Gericht zu erscheinen. Diese Entscheidung wurde mit der ausdrücklichen Billigung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse getroffen.

Ein wichtiger Beweis für die Beurteilung der Heiligkeit einer Person ergibt sich aus ihren Schriften. Die des Dieners Gottes Josemaría Escrivá de Balaguer wurden von vier Theologen als Zensoren geprüft, zwei prüften die veröffentlichten und zwei die unveröffentlichten Schriften. Hier einige von ihren Urteilen:

– »Escrivá besitzt die Kraft der Klassiker: das Format eines Kirchenvaters.«

(...)

III. Die Prüfung durch die Kongregation

Die letzte Sitzung des Gerichts fand am 8. November 1986 in Rom statt. Nach Ausstellung des Dekrets über die Gültigkeit der Prozesse am 3. April 1987 wurde der hochwürdige P. Ambrosius Eszer OP zum Relator ernannt. Sofort machte sich eine Gruppe von Fachleuten in Theologie, Kirchenrecht und Kirchengeschichte unter Mitarbeit von Spezialisten für Informatik an die Erarbeitung der »Positio super virtutibus« oder der systematischen Darlegung der Ergebnisse des bisherigen Prozesses.

In seiner amtlichen Darstellung sagte der Relator der Kongregation:

»Wir sind zu der begründeten Überzeugung von der Vollständigkeit dieser Positio gelangt: eventuelle ergänzende Studien könnten nicht nennenswert das Urteil bereichern, das die hochwürdigsten Konsultoren dem hier vorgelegten Material entnehmen können, daß nämlich mit Sicherheit feststeht: Der Diener Gottes hat die Tugenden in heroischem Maße geübt.«

Die Positio wurde der Kongregation im Juni 1988 überreicht und von dieser den theologischen Konsultoren im März 1989 zum Studium übergeben. Eine solche Zeitspanne bildet keine Ausnahme, zumal wenn man sich vor Augen hält, daß für den Seligsprechungsprozeß bereits zwei Prozesse über angebliche Wunder vorlagen. Nach weiteren sechs Monaten, das heißt am 19. September 1989 fand die Sondersitzung der Konsultoren unter Vorsitz des Generalanwalts des Glaubens statt. Die theologischen Konsultoren wurden entsprechend der Geschäftsordnung vom Sekretär der Kongregation in Absprache mit dem Glaubensanwalt bestellt, wobei angesichts der Wichtigkeit des Prozesses auch der Kardinalpräfekt angehört wurde. Aus Achtung vor ihren eigenen Aufgaben, im Interesse der Transparenz des Prozesses und aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den Prozeßführern mußte die Kongregation um die Sicherstellung eines objektiven und unparteiischen Urteils bemüht sein, das nicht durch dem Prozeß fremde Erwägungen getrübt werden durfte. Zwei Konsultoren haben sich für eine Aufschiebung ausgesprochen. Ihre Argumente wurden vom Relator geprüft, der umfangreiche und erschöpfende Aufklärung gab. Nach einer Entscheidung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse bei der Sitzung ihres Kongresses im Jahre 1986 wurde eine der aufschiebenden Stellungnahmen nicht veröffentlicht, weil ihr Verfasser an der Diskussion der Konsultoren nicht teilgenommen hat.

Hier einige Urteile der übrigen theologisch Konsultoren:

(...)

Die ordentliche Versammlung der Kardinäle und Bischöfe am 20. März 1990 sprach sich einmütig für den heroischen Tugendgrad aus.

(...)

IV. Die Bestätigung des Wunders

Das für die Seligsprechung vorgelegte Wunder hat sich 1976 ereignet, und der entsprechende Prozeß wurde von der diözesanen Kurie in Madrid 1982 eröffnet.

Die Versammlung des Ärzteteams für das behauptete Wunder fand am 30. Juni 1990 statt. Es wurde festgestellt, daß einer der Ärzte dieses Teams mit dem Opus Dei verbunden war. Aber das ist nichts Besonderes: Auch wenn es um die Prüfung des heroischen Tugendgrads eines Dieners Gottes geht, kann ein Mitglied des Ordens oder der Kongregation, der er angehörte, unter den Konsultoren sein. Beim Wunderprozeß sind bei der Sitzung der Ärzte der Sekretär und der Untersekretär der Kongregation anwesend, ferner der Generalanwalt des Glaubens und ein »ad hoc« beauftragter Offizial. Andererseits stehen sowohl die Ärzte als auch alle, die an der Sitzung teilnehmen, wie auch die theologischen Konsultoren unter Eid, und das garantiert die Objektivität. Auch die spätere Zusammenkunft der theologischen Konsultoren am 14. Juli 1990 sprach sich einhellig für die Echtheit des Wunders aus, ebenso wieder danach die Versammlung der Kardinäle und Bischöfe.

(...)

Endlich halten wir es für unsere Pflicht, darauf hinzuweisen, daß der Papst vor seiner Entscheidung für die Seligsprechung eine besondere Kommission hat prüfen lassen, ob man diese Seligsprechung ruhig vornehmen könne.

Nach reiflicher Überlegung hat diese Kommission dem Papst für die vorgesehene Feier ihr positive Stellungnahme vorgelegt.

Angelo Kardinal Felici und Edward Nowak