„Wo gearbeitet wird, kann man sich heiligen, kann man Christus begegnen“

Interview mit Ricardo Estarriol zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung „50 Jahre Opus Dei in Österreich“.

Ricardo Estarriol

WIEN, 21. Mai 2007 ( ZENIT.org ).- „Wenn ich meine berufliche, soziale oder gesellschaftliche Arbeit nicht täglich auf den Altar legen könnte, damit sie Jesus vom Kreuz aus Gott Vater aufopfert, dann hätte ich Schwierigkeiten, einen motivierenden Sinn daran zu finden“, erläutert Dr. Richard Estarriol im vorliegenden ZENIT-Interview zum 50. Jubiläum der Personalprälatur Opus Dei in Österreich. Gerade die Arbeit und der Alltag seien der Ort, an dem man Christus begegnen könne.

Estarriol (70) ist Journalist und Kurator der Ausstellung „Christsein im Alltag“, die vom 21. Mai bis zum 26. Juni in der Krypta der Rektoratskirche Sankt Peter in der Wiener Innenstadt zu sehen ist. Die Schau bietet einen Überblick über die Tätigkeiten des Opus Dei („Werk Gottes“) in Österreich, das 1928 vom heiligen Priester Josefmaria Escrivá gegründet wurde, um den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit zu verbreiten. Seit dem 22. Mai 1957 ist das Opus Dei auch in Österreich vertreten.

„Bei der Vorbereitung dieser Ausstellung habe ich ein Interview mit Kardinal König von 1971 gefunden“, erklärt Estarriol. „Damals lobte der Kardinal das Werk. Er sagte: ‚Ich schätze diese Leute sehr. Sie stehen mitten im Beruf. Das Opus Dei ist die authentische Kraft des Christentums, modern, mit Zukunft.‘ Aber er unterließ es auch nicht, eine Kritik anzubringen: Einige Schwierigkeiten, sagte er, ‚kommen zweifellos (…) aus einem Zuwenig an Öffentlichkeitsarbeit.‘ Ich denke, er hatte Recht. Und die Ausstellung ist eine Antwort darauf.“

ZENIT: Was veranlasste den heiligen Josefmaria Escrivá vor 50 Jahren, mit seinem Werk auch in Österreich zu beginnen? Gibt es für das Opus Dei überhaupt Länder, wo es nicht wirken will oder kann?

-- Estarriol: Unser Gründer fühlte sich seit 1928, dem Gründungsjahr des Werkes, gedrängt, die Botschaft der Nachfolge Christi im Alltag, also sein Charisma, weltweit bekannt zu machen. Anfänglich hinderte ihn der spanische Bürgerkrieg daran, und unmittelbar nach dessen Ende der zweite Weltkrieg. Sobald es möglich war, verlegte er seinen Sitz nach Rom (1946), um von dort aus die Ausbreitung des Werkes zu leiten. Bis 1949 unternahm er sehr wenige Auslandsreisen (nur nach Spanien, Portugal, Österreich und Deutschland). Als er Ende November/ Anfang Dezember nach München fuhr, um Kardinal Faulhaber zu treffen, wollte er auch nach Wien fahren, bekam aber damals keine Reiseerlaubnis der sowjetischen Besatzungsmacht. Danach besuchte er Österreich zwei Mal im Jahr 1955 und einmal im Jahr 1963. Im Nachhinein dürfen wir sagen, dass er Österreich sehr lieb gewonnen hatte: Er freute sich sehr über die Frömmigkeit, die er in Österreich antraf, und er war sich dessen bewusst, dass Österreich aufgrund seiner Geschichte, seiner Kultur und seiner Bevölkerung „das Tor des Ostens“ war.

Prinzipiell gibt es kein Land, in dem das Opus Dei nicht tätig sein kann. Eine Voraussetzung für den Beginn der apostolischen Arbeit ist jedoch, dass die Freiheit der Religionsausübung gewährleistet ist. Deshalb war ihm klar, dass eine apostolische Tätigkeit in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang nicht möglich war. Aber er wartete mit heiliger Ungeduld, bis die unüberwindlich scheinenden Mauern fielen. Und im Falle Polens nicht einmal das, denn die ersten Mitglieder des Opus Dei begannen die Arbeit in Polen, als das Land noch von den Kommunisten regiert wurde.

ZENIT: Was zeichnete jene Personen aus, die das Opus Dei nach Österreich brachten? Wurden sie von der Ortskirche unterstützt? Was waren für sie die größten Herausforderungen?

-- Estarriol: Diese Männer hatten einen großen Glauben an die Gnade Gottes und außerdem ein enormes Vertrauen in den heiligen Josefmaria. Ohne diese Voraussetzungen wäre das Ganze unbegreiflich. Die ersten zwei Mitglieder des Werkes, die nach Wien kamen, waren jung und unerfahren, und sie waren zudem ohne materielle oder sonstige Mittel gekommen. Der erste Leiter des Werkes in Österreich, der Arzt und Priester Joachim Francés, war erst 25 Jahre alt, als er am 22. Mai 1957 am Westbahnhof aus dem Zug stieg. Übrigens war er sechs Jahre spanischer Meister im Turmspringen gewesen, und in Wien spielte er als Stürmer beim „SC Triester“, einem Arbeiter-Fußballverein der 2. Wiener Liga.

Die Beziehungen mit der Ortskirche sind von Anfang an sehr harmonisch verlaufen. Ich kann nicht sagen, welche die größte Herausforderung für sie war. Sie verbreiteten eine Botschaft, die dann unter anderem im Zweiten Vatikanischen Konzil bekräftig wurde: die allgemeine Berufung zur Heiligkeit und die Rolle der Laien. Der Gründer des Opus Dei hatte ihnen gesagt, sie sollten in ihrer Umgebung „kein Fremdkörper sein“, und sich „wie das Salz in einer Speise auflösen“. Das half ihnen, sich rasch zu integrieren.

ZENIT: Wie wurde das Opus Dei auf österreichischem Boden aufgenommen? Was lässt sich dazu rückblickend über die Jahre hin feststellen?

-- Estarriol: Es wurde sehr gut aufgenommen. Wenn Leute Schwierigkeiten gehabt haben, den Geist des Opus Dei zu verstehen, dann waren es nur sehr wenige, und es dauerte meist nur sehr kurz, bis sich die Dinge geklärt hatten. Kardinal König hat uns sehr gut verstanden und sagte mir einmal: „Als ich hörte, dass Joaquin Francés spanischer Staatsmeister im Kunst- und Turmspringen war, habe ich gedacht: Fantastisch! Die Kirche ist also nicht nur im Stephansdom präsent, sondern auch in der Welt des Sports.“

Ich darf erwähnen, dass Bischof Klaus Küng nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Diözese Feldkirch gut angenommen wurde und dass nicht wenige Vorarlberger seine Versetzung nach St. Pölten bedauerten.

ZENIT: Welche apostolische Initiativen sind gerade für Österreich besonders charakteristisch?

-- Estarriol: Das Opus Dei ist hier so sehr „österreichisch“ geworden, daher fällt es mir schwer, etwas Besonderes hervorzuheben. Ich erzähle jedem, der mich hören will, dass ein Großteil unserer ersten österreichischen Freunde liberale Menschen waren. Gäste der kulturellen Rahmenprogramme unserer Studentenheime waren etwa Leute wie Professor Viktor E. Frankl. In einer Zeit, in der in den Schulen der Geschichtsunterricht mit dem Jahr 1918 endete, holten unsere jungen Leute Zeitzeugen in einen Arbeitskreis für Zeitgeschichte des Studentenhauses Birkbrunn. Ich will auch auf das „Phänomen Torelló“ in der Wiener Peterskirche eingehen. Nachdem die Erzdiözese Wien diese Kirche Anfang der 70er-Jahre den Priestern des Opus Dei anvertraut hatte, verwandelte der heute 87-jährige Prälat Johannes B. Torelló die Peterskirche im Lauf der Jahre in ein Zentrum der Spiritualität, der Liturgie, der Kunst und vor allem der geistigen Begleitung in der Innenstadt.

ZENIT: Hat das Opus Dei in allen Teilen der Welt den gleichen Geist, oder gibt es da je nach geographischer Lage Unterschiede?

-- Estarriol: Das ist etwas, was mich immer fasziniert hat: Der Geist ist wirklich überall gleich, und ich kann diesen „gemeinsamen Nenner“ nur einer besonderen Gnade Gottes zuschreiben. Der „Zähler“ ist natürlich verschieden. Als ich 1972 von einer ermüdenden und aufregenden Berufsreise durch das maoistische China in Manila landete, fühlte ich mich nach drei Minuten wie zu Hause. Die dort anwesenden Gläubigen des Werkes bemühten sich in gleicher Weise wie ich, „aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen“.

ZENIT: Was ist die Botschaft des Opus Dei für die österreichische Bevölkerung im gegenwärtigen historischen Moment?

-- Estarriol: Wir wollen den Menschen sagen: Wo gearbeitet wird, kann man sich heiligen, kann man Christus begegnen. Mit voller Überzeugung setzen wir uns deshalb für die Ziele der „Wallfahrt der Völker“ nach Mariazell im Jahr 2004 ein, besonders für ein „neues Europa mit Christus“, indem wir den Menschen Christus zeigen und die Sonntagskultur und die Solidarität der Völker fördern. Derzeit steht die Vorbereitung des Pastoralbesuches des Heiligen Vaters bei uns in Mittelpunkt.

ZENIT: In wiefern hat Sie selbst diese Botschaft geprägt, und wie nimmt sie in Ihrem Leben Gestalt an?

-- Estarriol: Insofern, als ich das Meiste von dem, was ich bin, dem Opus Dei verdanke. Ich kann mir eine Arbeit, die bloß durch die menschliche Eigengesetzlichkeit geleitet ist, nicht mehr vorstellen.

ZENIT: Die Ausstellung endet am 26. Juni. Mir scheint, dass das kein Zufall ist, oder?

-- Estarriol: Natürlich ist es kein Zufall. Dieser Tag fällt auf den Todestag unseres Gründers, der seit dem Jahre 2002 in der ganzen Kirche als Festtag des heiligen Josefmaria begangen wird. Wir erinnern uns dankbar daran, wie er mit seinem Gebet, seinem Opfer und seiner tatkräftigen Unterstützung den Beginn des Werkes in Österreich vorangetrieben hat, und bitten ihn um seine Fürsprache für die eigentlich gerade erst begonnene Arbeit. Von Österreich aus hat sich das Opus Dei außerdem in die Nachbarländer ausgebreitet, die früher unter kommunistischer Herrschaft gestanden waren. In diesem Sinne ist das Ende der Ausstellung ein Neubeginn für uns.

ZENIT: Welche Ziele hat das Opus Dei in und für Österreich?

-- Estarriol: Es liegt nicht an mir, diese Ziele festzulegen, da müssten Sie den Regionalvikar Msgr. Schlag fragen. Ich stelle mir aber vor, wir werden unsere Präsenz in den Bundesländern im Sinne der Neuevangelisierung und im Dienste der Ortskirche stärken. Man wird wahrscheinlich die bereits errichteten Zentren in Oberösterreich ausbauen. Seit fünfzehn Jahren ist die Prälatur im Burgenland aktiv. Und zuletzt auch in Kärnten.

Das Ziel ist, dass jeder in Österreich, der sich vom Geist des Opus Dei angezogen fühlt und pastorale Unterstützung bei uns sucht, sie auch erhalten kann. Die österreichische Leitung des Werkes koordiniert außerdem gerade von Wien aus die Vorbereitungen für den unmittelbaren Beginn der apostolischen Arbeit in Rumänien, wo ein Priester aus Österreich bereits seit zwei Jahren regelmäßig seelsorglich tätig ist.

ZENIT.org