Hier auf Erden haben die Heiligen versucht Gott und den Nächsten zu lieben, indem sie Christus nachzuahmen suchten, der bestrebt war, allen Gutes zu tun. Wenn sie jedoch im Himmel ankommen „hören sie nicht auf“, wie der Katechismus der Katholischen Kirche sagt „für diejenigen, die sie auf der Erde zurück gelassen haben, Sorge zu tragen. Ihre Fürsprache ist der erhabenste Dienst im Plane Gottes. Wir können und müssen sie anrufen, damit sie für uns und für die ganze Welt Fürsprache einlegen“.
Es scheint in der Tat, als sei ihnen im Himmel von Gott die Möglichkeit verliehen, ihre Aufgabe fortzusetzen, die sie schon auf der Erde wahrnahmen, und dazu noch fruchtbarer. Vom Himmel aus, werde ich euch besser helfen können, sagte der hl. Josefmaria gegen Ende seines Lebens immer öfter. Im gleichen Atemzug bat er uns, für ihn zu beten, damit er das Fegefeuer mit einem Satz "überspringen" könne.
Es ist mir vor allem aufgefallen, dass alle Wohltaten, die der hl. Josefmaria erwirkt, quasi zwei Seiten haben: Sie beschränken sich nicht auf die Lösung des anstehenden Problems, sondern hinterlassen gleichzeitig Licht und eine geistliche Frucht in den Herzen derer, die ihn anrufen.
Nachdem ich 20 Jahre an seiner Seite arbeiten durfte, kann ich bezeugen, dass er Recht hatte. Die Hilfe, die sein heiliges Leben für diejenigen darstellte, die ihn umgaben sowie für die Millionen Menschen, die ihn durch seine Bücher kannten, war außerordentlich groß. Seit er aber im Himmel ist, hat sich seine Hilfe noch verstärkt und gelangt zu einer unübersehbaren Schar von Herzen auf Grund seiner Fürsprache bei Gott für alle großen und kleinen Nöte vieler Menschen. Und das Interessanteste an dieser Fürsprache ist, dass er nicht nur einem Mädchen – beispielsweise – hilft, seine verlorene Kontaktlinse im Bus wieder zu finden. Er berührt dabei gleichzeitig ihr Herz, damit sie Christus Zutritt zu ihrem Leben gewährt.
Eine altbekannte Weisheit in neuem Licht
Die Aufgabe, die Gott dem hl. Josefmaria am 2.Oktober 1928 anvertraute, bestand darin, das Opus Dei zu gründen d.h. einen Weg der Heiligung durch die berufliche Arbeit und die treue Erfüllung der Alltagspflichten zu erschließen. Durch Jesus Christus gewinnt das altbekannte Panorama des täglichen Lebens eine unerwartete Neuheit und Größe, da es vom Licht der erlösenden Liebe Christi erleuchtet wird.
Wenn man die Briefe liest, die von Gnadenerweisen durch die Fürsprache von Josemaría Escrivá berichten, stellt man eine große Spannbreite an Situationen fest. Sie reicht von Hausfrauen, die sich von ihrer Arbeit im Haushalt überfordert sehen bis zu Drogenabhängigen oder Leuten, die sich mit Selbstmordgedanken tragen. Einige Briefe schildern verheerende Lebensumstände, die sich als scheinbar ausweglos darstellen. Oder sie schildern den Kampf gegen Krankheiten, während andere um einen Arbeitsplatz bitten; andere möchten verlorene Gegenstände wieder finden. Die Mehrzahl von ihnen kommt auf eine erneute Hinwendung zu Gott zu sprechen, manchmal nach einem Leben, das sich weit vom Glauben entfernt abspielte.
Ganz ... normale Gunsterweise
Was haben alle diese Bitten gemeinsam? Zunächst, dass sie kaum „Außergewöhnliches“ beinhalten; sie sprechen nicht von einem spektakulären Eingreifen, obwohl es unter den Gunsterweisen, die auf die Fürsprache des hl. Josefmaria erfolgten solche gibt, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen; vor allem betrifft das außerordentliche Heilungen, die sich durch Nachprüfung bestätigen ließen und von denen einige in einem anderen Buch veröffentlicht wurden. Generell handelt es sich aber, darauf lege ich Wert, um ganz gewöhnliche „normale“ Gunsterweise, die Josemaría Escrivá zugesprochen werden.
Frömmigkeit ja – aber kein Aberglaube!
Das passt zur Botschaft und zum Wesen des Gründers des Opus Dei. Er war wirklich ein „Apostel des gewöhnlichen Lebens“. Er hielt sich nicht für einen Wundertäter und hielt instinktiv Abstand zu allem, was ihm „außergewöhnlich“ und “wunderbar” erschien. Im Weg, dem meist verbreitetesten Buch von ihm, schreibt er: „Ich bin nicht wundersüchtig“ - Ich sagte dir, dass mir die Wunder der hl. Schrift vollauf genügen, um meinen Glauben stark zu machen.“ (Der Weg, 583). Er glaubte allem zuvor an das tägliche Wunder der Eucharistie, der Sakramente und der Gnade. Vom Himmel aus lehrt er uns weiter, Jesus Christus im gewöhnlichen Leben zu entdecken, damit keiner in tollkühner Weise glaube, dass Gott interveniert, um die Folgen menschlicher Unfähigkeit oder übertriebener Bequemlichkeit zu lösen. "Das Wunder, das der Herr von euch erwartet, ist die Beharrlichkeit in eurer gottgewollten christlichen Berufung, die Heiligung der alltäglichen Arbeit. Er erwartet von euch das Wunder, dass ihr durch die Liebe, mit der ihr eure gewohnte Arbeit erfüllt, die Prosa des Alltags in epische Dichtung verwandelt.“(Christus begegnen, 50).
Besonders typisch für ihn war die Einheit zwischen Leben und Glauben. Es schien für ihn wie ein Widerspruch, sich an die Heiligen zu wenden, damit sie ein Problem lösen, und dabei gleichzeitig ein Leben in der Gottferne zu führen, ohne den Wunsch, das zu ändern. Genau diese Haltung bringt viele Menschen dazu, Frömmigkeit mit Aberglauben zu verwechseln.
Die Heiligen sind “die Arme Christi”
Gott übersieht nicht unsere Nöte: immer hält uns seine helfenden Hände entgegen. In Münster gibt es in einer Kirche ein großes hölzernes Kruzifix. Bei einem Bombenangriff wurden die Arme beschädigt. Neben dem Kreuz stehen die folgende Worte: „Ich habe keine anderen Hände als die euren.“ Die Heiligen sind die Hände, deren Gott sich bedient, um uns zu helfen. Vielleicht lässt uns der Herr durch dieses Buch entdecken, dass auch wir ihm unsere Hände leihen können.
Quelle: Msgr. Joaquín Alonso, Vorwort zu dem Buch Favores que pedimos a los santos, Ed. Palabra, von Msgr. Flavio Capucci
Msgr. Joaquín Alonso war theologischer Berater der Kongregation für die Heiligsprechungen. Während vieler Jahre war er einer der engsten Mitarbeiter des hl. Josefmaria in der Leitung des Opus Dei.