Spuren unseres Glaubens - Jerusalem - Die Via Dolorosa

Im Lauf der Jahrhunderte haben die Heiligen und mit ihnen unzählige Christen den Erlösertod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung betrachtet: das Ostergeschehen, das das Zentrum unseres Glaubens ist. Mit der Zeit hat die Betrachtung dieses Geschehens in besonderen Formen der Frömmigkeiten ihren Ausdruck gefunden, unter denen der Kreuzweg einen hervorragenden Platz einnimmt.

Karfreitagsprozession durch die Via Dolorosa mit Gläubigen aus Jerusalem. Firma: Marie-Armelle Beaulieu/CTS.

„Willst Du Jesus auf seinem Weg begleiten, Ihm nah, ganz nah sein?... Schlag das heilige Evangelium auf und lies die Leidensgeschichte des Herrn. Aber lies sie nicht nur, sondern erlebe sie. Das ist ein großer Unterschied. Bloß lesen heißt sich Vergangenes in Erinnerung rufen; miterleben bedeutet dabei sein, unmittelbar am Geschehen, das sich hier und jetzt vollzieht, teilnehmen als einer unter den Anwesenden.“ (Der Kreuzweg, 9. Station, Abschnitt 3).

Im Lauf der Jahrhunderte haben die Heiligen und mit ihnen unzählige Christen den Erlösertod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung betrachtet: das Ostergeschehen, das das Zentrum unseres Glaubens ist. (Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 571). Mit der Zeit hat die Betrachtung dieses Geschehens in besonderen Formen der Frömmigkeiten ihren Ausdruck gefunden, unter denen der Kreuzweg einen hervorragenden Platz einnimmt.

Diese Frömmigkeitsübung zielt darauf ab, im Geist der Sühne und des Mitleidens die letzten und besonders schmerzhaften Stationen seines Leidens mitzugehen. Wir legen dabei mit ihm den Weg vom Praetorium des Pilatus bis zum Kalvarienberg zurück und erleben danach den Moment der Kreuzigung bis zur Grablegung mit.

Diese Praxis entstand aus der Verehrung der heiligen Stätten, wo es besonders leicht fällt, sich die Szenen der Passion zu vergegenwärtigen, da man sie ja physisch unmittelbar vor Augen hatte. Eine fromme Legende, die in der Schrift De transitu Mariae, die auf einen apokryphen Syrer des 5. Jahrhunderts zurückgeht, berichtet, dass die Mutter Gottes täglich den Leidensweg des Herrn zurücklegte. (Vgl. Dictionnaire de spiritualité, II, col. 2577) Durch Hieronymus wissen wir von der hl. Paula, dass sie zwischen den Jahren 385 und 386 in Jerusalem „mit solcher Inbrunst und Andacht die heiligen Stätten besuche, dass man sie, hätte sie nicht den Wunsch verspürt, noch andere aufzusuchen, von diesen ersteren kaum losreißen können.

In der Altstadt wird die Via Dolorosa in Arabisch, Hebräisch und Latein angezeigt. Firma: Leobard Hinfelaar.

Sie fiel auf die Knie vor dem Kreuz und betete den Herrn an, als wenn sie ihn leibhaftig vor sich sähe. Sie betrat den Raum zwischen dem Grab und der Anástasis und küsste dort den Stein, den der Engel wegbewegt hatte. Den Ort, auf dem der Leib des Herrn geruht hatte liebkoste sie und küsste ihn wie jemand der durstig nach frischem Wasser lechzt“ ( Hl. Hieronymus, Epitaphium sanctae Paulae, 9).

Wir kennen dank der Pilgerin Egeria, die Ende des 4. Jahrhunderts nach Jerusalem fuhr, viele Einzelheiten einiger liturgischer Zeremonien, die in Jerusalem zur damaligen Zeit praktiziert wurden. Oft handelte es sich um die Lektüre der Evangelienberichte oder um Psalmen oder Hymnen, die einen Bezug zu dem betreffenden Ort hatten. Bei der Beschreibung der Riten am Gründonnerstag und Karfreitag, erzählte sie, dass die Gläubigen in Prozession den Weg zwischen dem Ölgarten und dem Kalvarienberg zurücklegten. „Man legt den Weg bis zur Stadt unter Hymnen zu Fuß zurück und gelangt beim Anbruch der Helligkeit zum Stadtinneren. In der Prozession gibt es Große und Kleine, Reiche und Arme; alle versuchen, gerade an der Vigil im Morgengrauen dabei zu sein. Der Bischof wird so von Getsemani bis zum Eingang der Stadt und durch die Stadt fort bis zum Kalvarienberg begleitet.“ (Itinerarium Egeriae, XXXVI, 3 (CCL 175, 80)).

Schematische Darstellung des Weges, den man auf der Via Dolorosa zurücklegt

Anderen späteren Zeugnissen zufolge wurde nach und nach der Weg, den Jesus während seiner Passion durch die Straßen von Jerusalem zurücklegte, klarer umrissen und es wurde bestimmten Stationen festgelegt, an denen die Gläubigen bestimmte Episoden der Passion betrachteten. Im 11. und 12. Jahrhundert trugen die Kreuzfahrer und ab dem 16. Jahrhundert die Franziskaner in großem Maße dazu bei, dass diese Traditionen sich verfestigten. So benutzte man schon im Verlauf des 16. Jahrhunderts im Großen und Ganzen demselben Weg, der jetzt für die Via Dolorosa mit ihren vierzehn Stationen gilt.

Eine Gewohnheit entsteht

Bald darauf festigte sich die Gewohnheit, auch außerhalb von Jerusalem Kreuzwege anzulegen, um den Gläubigen die Betrachtung des Geschehens zu erleichtern. So konnten sie, ohne selbst in Jerusalem zu sein, das Geschehen nachvollziehen. Dank des Seligen Alvaro de Cordoba, einem Dominikaner, verbreitete sich der Kreuzweg zunächst in Spanien, gelangte später nach Sardinien und von dort in das übrige Europa. Zu den besonderen Förderern dieser Frömmigkeitsübung gehört der hl. Leonardo de Puerto Mauricio, der zwischen 1731 und 1751 während der Missionen in Italien 570 Kreuzwege errichtet hat. Benedikt XIV. ließ am 27.12.1750 einen Kreuzweg im Kolosseum errichten und hielt während der Zeremonie eine Predigt dazu. Viele Päpste haben die fromme Übung besonders gefördert und mit Ablässen versehen.

Die Betrachtung des Leidens des Herrn bewegt zur Reue über die eigenen Verfehlungen, zur Sühne und Wiedergutmachung.

Wenn man den Kreuzweg auf der Via Dolorosa betet, wird man durch die Ortsnähe des Geschehens noch mehr in der Gottesliebe entzündet. Trotzdem ist es völlig unmöglich zu wissen, ob dieser Weg genau dem vom Herrn zurückgelegten Weg entspricht, da der heutige Straßenverlauf auf den von den Römern vorgenommen Wiederaufbau Jerusalems zurückgeht, der um das Jahr 135 zur Zeit Kaiser Hadrians vorgenommen wurde. Auch wenn man durch archäologische Untersuchungen ungefähr den Zustand der Stadt in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts wieder herstellen konnte, blieben danach doch weiterhin viele Fragen ungelöst. Da es keine absolute Sicherheit über den von Jesus zurückgelegten Weg gibt, bleibt so die Via Dolorosa als die Erinnerung an den wahren Kreuzweg bestehen, den die Christen über viele Jahrhunderte hindurch zurückgelegt haben. Was die 14 Stationen betrifft, so stammen viele aus dem im Evangelium beschriebenen Verlauf des Kreuzwegs, andere sind einer frommen Tradition folgend hinzugefügt worden. Wir möchten ihn jetzt an der Hand des hl. Josefmaria zurücklegen, der ihn mit ausgesprochener Tiefe durchlebt hat.

1. Station: Jesus wird zum Tode verurteilt

An jedem Freitag wird um drei Uhr nachmittags in Jerusalem eine Prozession abgehalten, die den Weg über die Via Dolorosa nimmt. Sie wird angeführt vom Kustos des Heiligen Landes oder einem Vertreter. Zahlreiche Pilger nehmen daran teil sowie Gläubige aus Jerusalem und Angehörige des Franziskanerordens. Ausgangspunkt ist der Hof der Islamschule El-Omariye, die im nordwestlichen Winkel des Tempelbezirks liegt. Dort befand sich im 1. Jahrhundert der Antonia-Turm, in dem die römische Garnison untergebracht war. Von der Tradition wird dieser Ort mit dem Prätorium identifiziert, wo Pilatus das Urteil über Jesus verhängte.

Hof der Islamschule El-Omariye. Firma: Israel Tourism (Flickr).

“Bald wird das Urteil gesprochen. Auf die höhnische Bemerkung des Pilatus: ecce rex vester! (Joh 19,14) reagieren die Hohenpriester voll Wut: Wir haben keinen anderen König als den Kaiser.( Joh 19.15)

Wo sind Deine Freunde, Herr? Wo Deine Untertanen? Alle haben Dich verlassen. Ein Sich-aus-dem-Staube-Machen, das schon zweitausend Jahre andauert… Wir alle fliehen vor dem Kreuz, vor Deinem heiligen Kreuz.

Blut, Angst, Einsamkeit und ein unstillbares Verlangen nach Seelen…., nichts sonst gibt Deinem Königszug das Geleit.“ (Der Kreuzweg, 1. Station, Punkt 4)

2. Station: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Wenn man die Islamschule verlässt und die Via Dolorosa überquert gelangt man zum Konvent der Franziskaner mit der sogenannten Geißelungskapelle. Es handelt sich um einen Gebäudekomplex, der um ein weitläufiges Kloster angelegt ist, in dem das Studium Biblicum Franciscanum untergebracht ist sowie zwei Kirchen an den beiden Seiten des Instituts. An der rechten Seite die Geißelungskapelle, die 1927 auf den Überresten der Kirche aus dem 12. Jahrhundert neu errichtet wurde; und an der linken Seite die Verurteilungskapelle, die schon 1903 gebaut wurde. An der Außenmauer dieser Kirche, die zur Via Dolorosa zeigt, ist die zweite Station des Kreuzweges angezeigt: mit dem Kreuz beladen ging er zur sogenannten Schädelhöhe hinaus, die auf Hebräisch Golgota heißt (Joh 19,17).

„Ein langer Zug ist es, ein großes Aufgebot, wie zur Feier eines Festtages. Die Jesus verurteilt haben, sie wollen ihren Sieg in einer langsamen und grausamen Tortur auskosten.

Der Tod Jesu wird nicht die Sache eines Augenblicks sein…Viel Zeit wird ihm noch bleiben, in der Schmerz und Liebe vollkommen mit dem liebenswerten Willen des Vaters verschmelzen.“ (Der Kreuzweg, 2. Station, Punkt 2)

Der Ecce Homo-Bogen, der über die Via Dolorosa gespannt ist, ist der mittlerer Teil eines Triumphbogens. Firma: Benjamin E. Wood (Flickr).

Ein wenig weiter erhebt sich über die Via Dolorosa ein Rundbogen mit einem darüber liegenden überdachten Laufgang. Er wird volkstümlich Ecce Homo-Bogen genannt und erinnert an den Ort, wo Jesus nach der Geißelung und Dornenkrönung von Pilatus dem Volk vorgeführt wird .In Wirklichkeit handelt es sich um den mittleren Teil eines Triumphbogens, dessen nördliche Zugangstür sich im Inneren des Konvents der Kirche Notre Dame de Sion befindet. Er stellt das Altarbild der Basilika Ecce Homo dar, die im 19. Jahrhundert vollendet wurde.

In ähnlicher Weise wie man diese Überreste als Überbleibsel des ehemaligen Antonia-Turmes betrachtete, werden ebenfalls verschiedene im Boden eingelassene Steine der gleichen Zone mit dem Litóstrotos ( Joh 19, 13) verbunden. Sie sind in der Verurteilungskirche und im Konvent „Notre Dame de Sion“ zu sehen. Sowohl der Bogen wie die Fliesen sind römischen Ursprungs, aber aus einem späteren Jahrhundert, vermutlich aus der Zeit des Hadrian.

Wenn man an diesen Punkt der Via Dolorosa kommt, wird einem klar, wie viel Jesus gelitten hat schon bevor er mit dem Tragen des Kreuzes zusätzlich belastet wurde. Pilatus, der das Volk zufrieden stellen wollte, lässt Barrabás frei und befiehlt, dass Jesus gegeißelt wird.

An die Säule geschnürt. Mit Wunden übersät. Die Schläge der Riemen sausen nieder auf seinen zerfetzten Leib, auf seinen makellosen Leib, der für deinen sündigen Leib leidet. – Weitere Schläge. Weiter die Raserei. Noch mehr. Es ist der Ausbund menschlicher Grausamkeit.

Schließlich, als sie erschöpft sind, binden sie Jesus los. – Und Christi Leib, ausgezehrt vor Schmerz, sinkt wie ein Wurm zerfleischt und halb tot zusammen. (Der Rosenkranz, 2. Geheimnis des schmerzreichen Rosenkranzes)

Sie führen meinen Herrn in das Innere des Palastes, und dort rufen sie die ganze Kohorte zusammen (Mk 15,16)

Die brutalen Soldaten haben seinen ganz reinen Leib entblößt.- Mit einem Purpurfetzen, alt und schmutzig, bekleiden sie Jesus. Ein Rohr als Zepter in seiner Rechten….

Die Dornenkrone, ins Blut getrieben, macht ihn zum König des Hohns….“Ave Rex Judaeorum!“- Sei gegrüßt König der Juden( Mk 15,18)!

Mit Schlägen verwunden sie sein Haupt. Und sie ohrfeigen Ihn und spucken Ihn an.

Mit Dornen gekrönt und mit Lumpen aus Purpur bekleidet wird Jesus den Juden vorgeführt: „Ecce homo!“ Seht, welch ein Mensch!“ (Ebd., 3. Geheimnis)

Das Herz erschaudert beim Anblick der heiligsten Menschheit unseres Herrn, zu einer einzigen Wunde geworden…..Blicke auf Jesus. Jede Wunde klagt an, jede Geißelstrieme mahnt zur Reue wegen der Beleidigungen, die du und ich ihm zugefügt haben. (Der Kreuzweg, 1. Station, Punkt 5)

Die Via Dolorosa verläuft leicht ansteigend bis zur Straßenkreuzung mit einer vom Damaskustor kommenden Straße, die „El-Wad“ – das Tal – heißt und dem Flussbett des Tiropeón folgt. Zur Linken erhebt sich eine kleine Kapelle, die dem katholischen armenischen Patriarchen gehört und die dritte Station anzeigt.

3. Station: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Der entkräftete Leib Jesu schwankt schon unter der schweren Last des Kreuzes. Und sein Herz, dieses Herz voller Liebe, vermag kaum mehr die zerschundenen Glieder zu beleben.

In der Kapelle ist in dem Altarbild die Szene der dritten Station festgehalten. Firma: Alfred Driessen.

Rechts und links von sich sieht der Herr die Volksmenge dahin treiben, wie eine Herde ohne Hirt. Jeden einzelnen könnte Er bei seinem Namen rufen, jeden einzelnen, auch uns. Hier sind sie, die Er bei der wunderbaren Vermehrung der Brote und Fische sättigte; die Er von ihren Leiden heilte; die Er am See, auf dem Berge und in der Halle des Tempels lehrte.

Ein schneidender Schmerz durchdringt die Seele Jesu. Erschöpft bricht der Herr zusammen.

Du und ich wir können nichts sagen: aber wir begreifen jetzt, warum das Kreuz Jesu so schwer wiegt. Wir weinen über unsere Erbärmlichkeit und über die erschreckende Undankbarkeit des menschlichen Herzens. Aus tiefster Seele steigt ein Gebet echter Reue auf, das uns aus der Niedergeschlagenheit der Sünde befreit. Jesus ist gefallen, damit wir uns erheben: einmal und immer wieder. (Der Kreuzweg, 3. Station)

4. Station: Jesus begegnet seiner heiligsten Mutter

Nur wenige Meter entfernt beginnt die 4. Station an der Kirche der Armenier, in deren Krypta ewige Anbetung gehalten wird. Maria verlässt ihren Sohn während der Passion nicht. Wir begegnen ihr erneut auf dem Golgota.

Die dritte und vierte Station gehören zum Patriarchat der katholischen Armenier. Firma: J. Paniello.

Kaum hat der Herr sich nach seinem ersten Sturz wieder erhoben, da begegnet Er seiner heiligsten Mutter, die am Wegesrand steht.

Mit unermesslicher Liebe schaut Maria auf Jesus, und Jesus auf seine Mutter. Ihre Blicke begegnen sich und jeder ergießt seinen Schmerz in das Herz des anderen... In der dunklen Verlassenheit der Passion schenkt Unsere Liebe Frau ihrem Sohn den Balsam der Zärtlichkeit, der Treue, ein Ja zum göttlichen Willen.

An der Hand Mariens wollen auch wir- du und ich- Jesus Trost spenden, indem wir immer und in allem den Willen seines Vaters, der auch unser Vater ist, annehmen.“ (Der Kreuzweg, 4. Station)

Sobald man sich von der Straße El-Wad nach rechts wendet, um erneut die Via Dolorosa zu betreten, gelangt man zu einem sehr charakteristischen Teil der Altstadt, der eng und steil ist und viele Treppen und zahlreiche Bögen enthält, die über die Straße gespannt sind, um die Gebäude miteinander zu verbinden. Vor dem steileren Wegstück erhebt sich zur Linken eine Kapelle aus dem 13. Jahrhundert, die früher den Franziskanern gehörte. In ihr wird an die 5. Station erinnert, an einen, der vom Felde kommend vorbeiging, Simon von Cyrene, den Vater des Alexander und Rufus, der gezwungen wurde, ihm das Kreuz zu tragen (Mk 15, 21).

5. Station: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
Innenansicht der Kapelle der fünften Station. Firma: J. Paniello.

„Auf das Ganze der Passion gesehen, bedeutet diese Hilfeleistung nur sehr wenig. Aber Jesus genügt ein Lächeln. Ein Wort, ein Zeichen, eine Spur Liebe, um die Fülle seiner Gnade über die Seele des Freundes auszugießen….

Manchmal ragt plötzlich das Kreuz vor uns auf, ohne dass wir es gesucht haben: es ist Christus, der nach uns fragt. Wohl mag sich das Herz gegen dieses Kreuz sträuben, das uns- weil wir nicht mit ihm rechneten- vielleicht um so dunkler erscheint…Versuche nicht, dein Herz zu trösten. Wenn es darauf besteht, dann sage ihm langsam und mitfühlend, wie in einer vertraulichen Zwiesprache: Herz, du Herz am Kreuz! Du Herz am Kreuz!“ (Der Kreuzweg, 5. Station)

Eigentlich wissen wir sehr wenig über diese Frau. Die Tradition identifiziert sie, wobei sie sich auf apokryphe Schriften beruft, mit der blutflüssigen Frau aus Kafarnaum, namens Berenice. Bei der Übersetzung ins Lateinische wurde ihr Namen mit Veronika übersetzt. Im Mittelalter vermutete man in ihr Haus an der Wegstrecke ungefähr in der Mitte der Straße, wo heute eine kleine Kapelle steht, die direkten Zugang zur Straße hin ha und wohl über einer ehemals griechisch- katholischen Kirche errichtet worden ist.

6. Station: Eine fromme Frau reicht Jesus das Schweißtuch

Eine Frau mit Namen Veronika drängt sich durch die Menge. Sie trägt zusammen gefaltet, ein weißes Leinentuch bei sich, mit dem sie ehrfürchtig das Angesicht Christi abwischt.

„Ein Schleier des Schmerzes verhüllt jetzt dieses liebenswerte Antlitz Jesu, das einmal Kindern zugelächelt hat und auf dem Berg Tabor im Glanz der Verklärung erstrahlt war. Aber dieser Schmerz ist unsere Läuterung; dieser Schweiß und dieses Blut, die die Züge seines Antlitzes entstellen, machen uns rein.

Eine Säule, die sich neben der sechsten Station befindet. Firma: Leobard Hinfelaar.

Herr, gib, dass ich mich dazu entschließe, durch Buße endlich die elende Maske herunterzureißen, die ich mir selbst aus meinen Erbärmlichkeiten gebildet habe….Dann, und nur dann, werde ich in meinem Leben, auf meinem Weg der Beschauung und der Sühne, die Züge deines Lebens getreu nachzeichnen können. Dann werden wir Dir mehr und mehr ähnlich werden.

Wir werden ein anderer Christus, Christus selbst sein, ipse Christus. (Ebd., 6. Station)

Am Ende der Steigung mündet die Via Dolorosa in den Khan ez-Zait, den Ölmarkt. Es handelt sich um einen sehr frequentierten Markt, der am Damaskus-Tor beginnt und das moslemische vom christlichen Viertel trennt. Er bezieht teilweise die alte ehemalige Hauptstraße aus römisch- byzantinischer Zeit ein. Die siebte Station beginnt an einer Kreuzung bei einer Kapelle, die Eigentum der Franziskaner ist.

7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
Die Kapelle der siebten Station ist zweigeteilt; auch sie gehört dem Verein des Heiligen Landes. Firma: Israel Tourism (Flickr).

Jesus fällt, erdrückt von der Last des Kreuzes...Wir fallen, in den Sog des irdischen gerissen. Er will lieber unter dem Kreuz zusammenbrechen, als es loslassen. So heilt Jesus die Lieblosigkeit, die uns niederwirft. (Ebd., 7. Station, Punkt 1)

Wenige Meter nach der Stelle des 2. Falls verläuft der Kreuzweg weiter über die nach Westen verlaufende Straße San Francisco und setzt sich auf der Via Dolorosa fort. Dort gelangt man zur achten Station.

8. Station: Jesus tröstet die weinenden Frauen
An der Stelle der achten Station ist ein kleiner runder Stein eingelassen, der mit einem Kreuz und eingemeißelten Schriftzeichen versehen ist: Jesus Christus siegt. Firma: Alfred Driessen.

Unter den Zuschauern am Wege des Herrn sind einige Frauen, die von Mitleid überwältigt, in Tränen ausbrechen.

Der Herr will ihrem Weinen einen tieferen, einen übernatürlichen Beweggrund verleihen. Und so fordert er sie auf, um der Sünden willen zu weinen, denn sie sind die Ursache seines Leidens und werden die Strenge des göttlichen Gerichtes nach sich ziehen:

—Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch und über eure Kinder…Denn wenn es so dem grünen Holz ergeht, was wird dann mit dem dürren geschehen? (Lk 23, 28 und 31)

Deine und meine Sünden, die Sünden aller Menschen stehen vor uns auf. Alles böse, das wir getan, alles Gute, das wir unterlassen haben. Und dazu noch die Erkenntnis, dass wir weitere unzählige Gemeinheiten und Bosheiten begannen haben würden, wenn uns Jesus nicht immer wieder mit seinem liebevollen Blick Licht geschenkt hätte.

Wie wenig ist ein Leben, um zu sühnen! (Ebd., 8. Station)

Um die neunte Station zu erreichen, zu der es möglicherweise früher einen direkten Zugang gab, muss man ein paar Schritte bis zum Marktplatz zurückgehen. Man folgt dann dem Weg in südlicher Richtung und ersteigt auf einer Treppe, die rechts abgeht, die Straße. Am Ende der Gasse zeigt eine Säule den dritten Fall des Herrn an. Die Säule ist in einer Ecke zwischen dem Zugang zur Terrasse des äthiopischen Konvents und der Tür zum Eingang der koptischen Kirche St. Antonius aufgestellt.

9. Station. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Auf dem Weg nach Kalvaria, nur noch vierzig oder fünfzig Schritte vom Gipfel entfernt, fällt der Herr zum 3. Mal. Er kann sich nicht mehr aufrecht halten. In ihm ist keine Kraft mehr, erschöpft bleibt Er am Boden liegen. (Ebd., 9. Station).

Nun begreifst du, wie viele Leiden auch du Jesus zugefügt hast, und Schmerz erfüllt dich. Wie einfach ist es ihn um Vergebung zu bitten und Verrat von früher zu beweinen. Du spürst das sehnsüchtige Verlangen, Sühne zu leisten.

Gut. Aber vergiss nicht, dass der Geist der Buße vor allem darin besteht, dass wir- mag es auch noch so schwerfallen- die Pflicht eines jeden Augenblicks erfüllen“ (Ebd., Punkt 5).

Von der neunten Station kann man über die Terrasse des äthiopischen Konvents in den Innenhof der Grabeskirche kommen. Firma: Marie-Armelle Beaulieu/CTS.

Der Ort, wo man des letzten Falls des Herrn gedenkt, ist nur wenige Meter von der Grabeskirche entfernt. Die letzten 5 Stationen des Kreuzweges liegen im Inneren der Grabeskirche. Um dorthin zu gelangen gibt es zwei Möglichkeiten: eine ist es den Weg bis zum Markt zurückzugehen und vor dort durch einige Straßen zurück zum dem Platz vor der Grabeskirche zu gelangen, der an der Südseite liegt. Die andere Möglichkeit ist, den Weg so zu wählen, wie er in der Freitagsprozession zurückgelegt wird. Die schnellste Lösung ist es, die Terrasse des äthiopischen Konvents zu überqueren – der gleichzeitig das Dach der darunter liegenden Kapellen der Grabeskirche bildet –, dort hinunter zu gehen und durch das Gebäude zum Kalvarienberg zu gelangen. Wir schlagen diesen Weg ein und betrachten dann von da aus die weiteren Kreuzwegstationen.