Das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde und wird immer wieder als eine völlige Neuerung ausgegeben – doch schon die Heilige Schrift berichtet ganz klar vom wirksamen Gebet Christi für die Einheit der Seinen, und auch der Konzilstext bezieht sich durchgängig auf die ständige Überlieferung der Kirche.
Wenn der Begriff Ökumenismus heute geradezu ein theologisches Modewort ist und daher vielen Fehldeutungen ausgesetzt, so scheint er vor dem Konzil auch bei manchen bekannten Theologen eher bedeutungslos gewesen zu sein. Doch von wirklich großen Theologen muß gelten, daß sie die Zeichen der Zeit recht zu deuten wissen.
Der am 17. Mai 1992 seliggesprochene Gründer des Opus Dei – so hat Kardinal J. Ratzinger einmal festgestellt – »wollte nicht sein Werk schaffen, das Werk des Josemaría Escrivá: nicht für sich ein Monument bauen. Mein Werk ist nicht mein Werk, konnte und wollte er auf der Linie Christi, in der Gleichgestaltung mit ihm sagen (vgl. Joh 7,16): Nicht das Eigene wollte er tun, sondern Gott Raum geben, damit sein Werk geschehe. Sicher war ihm auch bewußt, daß Jesus im Johannes-Evangelium zu uns sagt: Das ist das Werk Gottes, der Glaube (Joh 6,29) – das heißt, das Sich-Übereignen an Gott, damit er durch uns handeln könne.« 1
Josemaría Escrivá 2 war gewiß kein typischer Theologieprofessor – obwohl unter anderem die Gründung der Universität Navarra in Pamplona (1954) auf ihn zurückgeht und er ihr als Großkanzler angehörte (1964).3 Er hat das Thema Ökumenismus auch nicht systematisch abgehandelt. Doch einige Erklärungen von ihm haben wie Initialzündungen gewirkt und weltweite Verbreitung gefunden – u. a. auch in Schriften mit Millionenauflage. Wenn man ihm vor dem Konzil in Rom einmal gesagt hat: Sie kommen um 100 Jahre zu früh, dann gilt das nicht nur von seinen Vorstellungen von Berufung und Apostolat der Laien in der katholischen Kirche. Auch sein Verhältnis zu Nichtkatholiken und Nichtchristen ist für viele Tausende maßgebend geworden. Das Opus Dei war die erste katholische Vereinigung, die mit Zustimmung des Heiligen Stuhls seit 1950 auch Nichtkatholiken und Nichtchristen als Mitarbeiter aufnahm.
Eines ist besonders kennzeichnend für ihn: Es fehlt jedes aufdringliche In-Szene-Setzen, jedes besserwisserische oder rechthaberische Getue; der offensichtliche Segen Gottes für »sein« Werk wäre nicht möglich gewesen ohne seine persönliche Bescheidenheit, die Liebe zur Wahrheit und die klare Entschiedenheit des nüchternen Wollens, dem niemals der apostolische Eifer und das »Sentire cum ecclesia« gefehlt hat. Das Leben aus dem Geist der Gotteskindschaft 4, das Apostolat der Freundschaft sind die Grundlagen für seine ökumenische Haltung.
So konnte er manche akuten Gefahren für den christlichen Ökumenismus vermeiden, wie beispielsweise Einheit nur zu verstehen als Einheit einer unsichtbaren Idee, Ideologie, Formel oder einheitlichen Organisation und nicht als Einheit in der Wahrheit 5 – zugleich sichtbar und unsichtbar wie es der inkarnatorischen Struktur des Christentums entspricht; oder als Einheit mehrerer Zweige, mit gleichberechtigten »Kirchen« aus demselben Stamm (vgl. die oft zurückgewiesene Branch-Theorie der Anglikaner); oder als pluralistische Einheit 6 etwa im Sinne des Synkretismus (z. B. beim sogenannten »katholischen Hinduismus«); oder nur als praktisches Erfordernis einer pragmatischen Strategie der Aktion, z.B. aus dem Selbsterhaltungstrieb und der gemeinsamen Frontstellung des Christentums gegenüber seinen Feinden; oder als demokratische Einheit durch Kompromisse, wofür jeder etwas nachzugeben hätte, und Verzicht auf Apostolat. Demgegenüber stellt ja das Ökumenismus-Dekret fest: »Nichts ist dem ökumenischen Geist so fern wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird.«7
Es ist nicht schwierig, wichtige Passagen in den Schriften des seligen Josemaría Escrivá als Veranschaulichungen und Erklärungen, ja manchmal auch als Vorwegnahme von Konzilsaussagen zu verstehen. Auch die Aufzeichnungen mancher nur sporadischer Bemerkungen sprechen für sich. Unermüdlich kämpfte er nicht gegen andersdenkende Personen oder christliche Gruppierungen, sondern gegen die Unwissenheit überhaupt und suchte ein vertieftes Glaubensverständnis ganz im Sinne des Konzils zu vermitteln.8 Im Folgenden sollen einige Zitate aus seinen Werken mit grundlegenden Aussagen des Vatikanum II zusammengesehen werden.
1. Der Mensch hat das Recht auf religiöse Freiheit, und er muß frei sein von jeglicher menschlichen Gewalt (vgl. Dignitatis humanae, 2).
»Niemals Gewalt. Ich verstehe sie nicht, sie scheint mir weder geeignet zu sein, um zu überzeugen, noch um zu siegen. Eine Seele, die den Glauben empfängt, fühlt sich immer als Sieger. Den Irrtum bekämpft man mit dem Gebet, mit der Gnade Gottes, mit leidenschaftslosen Argumenten – indem man studiert und studieren läßt – und, ich wiederhole es, mit der Liebe. Ihr könnt sicher sein: Wenn jemand seine Mitmenschen schlecht behandelt, weil sie im Irrtum sind, dann fühle ich innerlich den Wunsch, mich auf ihre Seite zu stellen, um aus Liebe zu Gott ihr Schicksal mit ihnen zu teilen.«9
2. Der Mensch hat die Pflicht, die Wahrheit zu suchen (vgl. Dignitatis humanae, 2).
»Der Irrtum verdunkelt nicht nur den Verstand, sondern er entzweit auch den Willen der Menschen. Nur wenn die Menschen sich daran gewöhnen, die Wahrheit zu sagen und zu hören, wird es Verständnis und Eintracht geben. Und darauf wollen wir hinaus: Wir wollen für die übernatürliche Wahrheit des Glaubens arbeiten, indem wir zugleich loyal allen menschlichen Teilwahrheiten dienen; wir wollen alle Wege der Erde mit Liebe und Licht erfüllen – mit Beständigkeit, mit Sachverstand, ohne Entmutigungen und Unterlassungen.«10
3. Der Mensch darf nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln (vgl. Dignitatis humanae, 3).
»Ich trete mit allem Nachdruck für die Freiheit der Gewissen ein, zu der auch wesentlich gehört, daß niemand einen Menschen daran hindern darf, Gott zu verehren. Das legitime Verlangen nach der Wahrheit muß respektiert werden: Zwar hat der Mensch die unerläßliche Pflicht, den Herrn zu suchen, ihn zu erkennen und ihn anzubeten, aber niemand auf Erden darf einem anderen die Ausübung eines Glaubens aufzwingen, den dieser nicht hat; und ebenso wenig darf sich jemand das Recht herausnehmen, den zu behelligen, der diesen Glauben von Gott empfangen hat.«11
»Was die Religionsfreiheit angeht, hat das Opus Dei seit dem ersten Tag seiner Gründung niemals irgendeinen Menschen diskriminiert; es lebt und arbeitet zusammen mit allen, denn in allen sieht es den Menschen, den es zu lieben und zu respektieren gilt. Das sind keine Redensarten. Unser Werk ist die erste katholische Organisation, die mit Zustimmung des Heiligen Stuhls auch Nichtkatholiken und Nichtchristen als Mitarbeiter aufnimmt. Ich habe immer die Freiheit der Gewissen verteidigt. Denn Gewalt verstehe ich nicht. Sie erscheint mir weder geeignet zu überzeugen noch zu siegen. Den Irrtum bekämpft man durch das Gebet, mit der Gnade Gottes, durch sachliche Beweisführung; niemals mit Gewalt, immer mit Liebe. Das ist der Geist, den wir von Anfang an gelebt haben, und deshalb werden Sie verstehen, wie ich mich über die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils zu diesem Thema gefreut habe.«12
4. Nur durch die katholische Kirche kann man Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel haben (vgl. Unitatis redintegratio, 3).
»Seht ihr nicht, wie jene, die sich von der Einheit der Kirche trennen, auch wenn sie manchmal voller Blätter sind, sehr bald verdorren und ihre Früchte sich in lebende Fäulnis verwandeln? Liebt die heilige, die apostolische, die römische Kirche – die eine Kirche! Denn, so schreibt der heilige Cyprian, wer woanders, außerhalb der Kirche sammelt, der zerstreut die Kirche Christi. Und der heilige Chrysostomus besteht darauf: Trenne dich nicht von der Kirche. Nichts ist stärker als die Kirche. Deine Hoffnung ist die Kirche, dein Heil ist die Kirche, deine Zuflucht ist die Kirche. Sie ist höher als der Himmel und weiter als die Erde; sie altert nie, ihre Kraft währt ewig. (…) Die Einheit der Christen? Ja. Mehr noch: die Einheit aller, die an Gott glauben. Aber es gibt nur eine wahre Kirche. Man braucht sie nicht aus Bestandteilen, die über die ganze Erde verstreut sind, wieder aufzubauen. Und sie braucht keinerlei Läuterung, um endlich rein zu werden. Die Braut Christi kann keine Ehebrecherin sein, denn sie ist unzerstörbar und lauter. (…) Die Kirche bewahrt uns für Gott, sie führt die Kinder, die sie zur Welt gebracht hat, in das Reich. Wer immer sich von der Kirche trennt, verbindet sich mit einer Ehebrecherin, entfernt sich von den Verheißungen der Kirche. Den Lohn Christi wird nicht erlangen können, wer die Kirche Christi verläßt.«13
In einem Beisammensein in Barcelona am 23. November 1972 stellte eine Frau aus der Schweiz folgende Frage: »Vater, gerade in der Schweiz kommen viele protestantische Mädchen im Alter von 8 bis 10 Jahren in einen Jugendclub in Zürich. Wie sollen wir mit ihnen umgehen?«
[Antwort]: »Seid sehr loyal zu ihnen. Schau, wenn ich nach Genf komme, bete ich für meinen Vorfahren aus der Nebenlinie meiner Familie. Er war nämlich ein Bruder eines direkten Vorfahren von mir [gemeint ist Miguel Servet, der von Calvin auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde]. Aber den Protestanten gegenüber, die im Laufe des Jahres zu mir kommen – es sind viele, sehr viele –, versuche ich sehr freundlich und sehr loyal zu sein, so loyal, daß ich am Anfang gewöhnlich zu ihnen sage: Schaut, ihr seht, daß ich das hier [er weist auf seine Soutane] trage, und ich trage sie, weil ich davon überzeugt bin, in der Wahrheit zu sein. Ihr seid daher im Irrtum. Aber seid mir nicht böse, ich respektiere eure Haltung, und ich werde nicht über die Religion sprechen, wenn ihr mich nicht darum bittet. Wir werden von anderen Dingen sprechen und gute Freunde sein. Und gewöhnlich füge ich hinzu: Mit der Gnade Gottes bin ich bereit, hundertmal mein Leben hinzugeben, um die Freiheit eurer Gewissen zu verteidigen.«
»Schließe keine Kompromisse, wenn es um die Lehre der Kirche geht. Bei jeder Legierung ist es immer das edlere Metall, das wertgemindert wird …
Außerdem – dieser Schatz gehört ja nicht dir. Das Evangelium mahnt uns, daß der Eigentümer von dir Rechenschaft verlangen wird, wenn du es am wenigsten erwartest …«14
5. Die Kirche Christi stützt sich auf Petrus, auf das Kollegium der Zwölf und auf ihre Nachfolger (vgl. Unitatis redintegratio, 2).
»Ubi Petrus, ibi Ecclesia, ibi Deus. Wir möchten auf der Seite Petri stehen, denn wo er ist, ist die Kirche, ist Gott (…). Liebt den Heiligen Vater sehr. Betet viel für den Papst. Habt ihn sehr gern, denn er braucht die ganze Zuneigung seiner Kinder.«15
»Unser Herr gründet die Kirche auf die Schwäche – aber auch auf die Treue – einiger Männer, der Apostel, und er verspricht ihnen den beständigen Beistand des Heiligen Geistes. (…) Die Predigt des Evangeliums in Palästina ist nicht Ergebnis der persönlichen Initiative einiger Schwärmer. Was konnten die Apostel tun? Zu ihrer Zeit galten sie nichts. Sie waren weder reich noch gebildet, noch waren sie Helden im menschlichen Sinn. Jesus legt auf die Schultern dieser kleinen Schar von Männern eine riesige, göttliche Aufgabe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestellt, daß ihr hingeht und Frucht bringt, und daß euere Frucht bleibt (Joh 15,16). (…) Die oberste Hirtengewalt des Papstes und seine Unfehlbarkeit, wenn er ex cathedra spricht, sind nicht menschliche Erfindung, sondern ergeben sich aus dem ausdrücklichen Stiftungswillen Christi. Wie wenig sinnvoll ist es aber dann, zwischen der Regierung des Papstes und der der Bischöfe einen Gegensatz zu konstruieren oder die Gültigkeit der päpstlichen Lehrentscheide von der Zustimmung der Gläubigen abhängig zu machen! Nichts paßt da weniger als ein Mächtegleichgewicht. Die menschlichen Denkformen sind hier unbrauchbar, so attraktiv und funktionell sie auch sein mögen. Niemand besitzt in der Kirche aus sich selbst, als Mensch, absolute Gewalt; in der Kirche gibt es kein anderes Oberhaupt als Christus; und Christus hat für seine pilgernde Braut einen Stellvertreter einsetzen wollen – den Papst.«16
6. Die Katholiken müssen den Dialog mit den getrennten Brüdern fördern (vgl. Unitatis redintegratio, 4).
»Dieser Dialog ist nicht immer leicht. Denn es kann sein, daß Meinungen aufeinanderprallen. Aber sogar ein solcher Zusammenprall ist eine weitere Art vernünftigen Diskurses, es hilft uns, nachzudenken; denn es erinnert uns daran, daß wir irren können und manchmal meinen, im Recht zu sein, obwohl wir nur sehr relative Erklärungen besitzen.
Ein Gegenstand, der für die einen konkav ist, ist für andere konvex, habe ich euch oft gesagt. Vieles hängt vom Blickwinkel ab, und es ist nötig, daß solche Blickwinkel, solche Teilwahrheiten, sich addieren, um uns Schritt für Schritt zu einem freundschaftlichen, konstruktiven Gespräch zu führen, das sich durch die Generationen fortsetzt und zur Vertiefung der Wahrheit beiträgt.«17
7. Die Zwietracht unter den Katholiken hat die Trennung gefördert (vgl. Unitatis redintegratio, 4).
»Wie kann man erwarten, daß Andersgläubige zur Heiligen Kirche heimfinden, wenn sie den lieblosen gegenseitigen Umgang unter denen sehen, die in der Nachfolge Christi zu leben meinen?«18
»Wie peinlich ist das Wort Ökumenismus im Munde von Katholiken, die andere Katholiken schlecht behandeln!«19
»Unter anderem habe ich mich auch deshalb so gefreut, weil damit eine vom Opus Dei bevorzugte apostolische Arbeit wie das Apostolat ad fidem erneut bestätigt wurde: ein Apostolat, das keinen Menschen zurückweist und sich den Nichtchristen, den Atheisten und den Heiden öffnet, damit sie soweit wie möglich an den geistlichen Gütern unserer Vereinigung teilhaben. Bei anderen Gelegenheiten habe ich euch von dieser langen Geschichte erzählt, einer Geschichte des Leidens und der Treue. Deshalb darf ich dies jetzt unumwunden sagen: Einen Eifer, der zu einer besonders fürsorglichen Behandlung der Fernstehenden drängt und dabei gleichzeitig unsere Brüder im gemeinsamen Glauben heruntersetzt oder verachtet, halte ich für heuchlerisch und lügenhaft. Ich glaube auch nicht daran, daß du dich für den Bettler an der Straßenecke wirklich interessierst, wenn du zu Hause die Deinen peinigst, ihren Freuden, Sorgen und Schmerzen gegenüber unbeteiligt bleibst und dich nicht bemühst, ihre Fehler zu verstehen und – falls sie keine Beleidigung Gottes sind – über sie hinwegzusehen.«20
»Unser wichtigstes Apostolat als Christen, das beste Glaubenszeugnis gegenüber der Welt, besteht darin, daß wir innerhalb der Kirche für eine Atmosphäre echter Liebe sorgen. Wenn wir uns nicht wirklich lieben und statt dessen Anfeindungen, Verleumdungen und Intrigen Raum geben, wie kann sich dann jemand von solchen angeblichen Verkündern der frohen Botschaft des Evangeliums angezogen fühlen? Es ist leicht und gängig, die Liebe zu allen, Gläubigen wie Ungläubigen, mit dem Mund zu bekennen. Ich zweifle aber, ob in solchem Bekennen mehr als heuchlerisches Gerede steckt, wenn der so Bekennende seine Glaubensbrüder mißhandelt. Lieben wir hingegen in dem Herzen Christi jene, die Kinder desselben Vaters, im selben Glauben vereint und Erben derselben Hoffnung sind, dann wird die Seele weit und glüht vor Eifer, damit alle Menschen dem Herrn näherkommen.«21
8. Die Erneuerung der Kirche besteht im Wachstum der Treue gegenüber ihrer eigenen Berufung (vgl. Unitatis redintegratio, 6).
Über den Sinn des Wortes aggiornamento:
»Für mich bedeutet aggiornamento vor allem Treue. Jemand ist ein um so besserer Ehegatte, Verwalter oder Soldat, je treuer er in jedem Augenblick in den verschiedensten Situationen des Lebens zu den festen Bindungen der Liebe und der Gerechtigkeit steht, die er einmal eingegangen ist. Diese feinfühlige, praktisch gelebte und beständige Treue ist schwer, so wie jede Anwendung von Grundsätzen schwer ist. Sie ist jedoch auch das beste Mittel gegen geistiges Altwerden, Kälte des Herzens und Starrköpfigkeit im Denken.
Ganz das Gleiche gilt für das Leben der Institutionen und in besonderer Weise für das Leben der Kirche, der ja nicht beschränkte, menschliche Pläne zugrunde liegen, sondern der Ratschluß Gottes. Die Erlösung, das Heil der Welt, ist die Frucht der liebevollen und kindlichen Treue Christi zum Willen des himmlischen Vaters, der ihn gesandt hat, und zusammen mit Christus ist sie auch das Werk unserer Treue. Daher bedeutet aggiornamento der Kirche heute, wie zu jeder anderen Epoche, im wesentlichen ein erneuertes, freudiges Ja des Volkes Gottes zu der Sendung, die es erhalten hat, zum Evangelium.
Natürlich kann diese Treue, da sie immer aktuell und allen Lebensumständen der Menschen gegenüber aufgeschlossen sein muß, eine echte, lehrmäßige Weiterentwicklung in der Darlegung des depositum fidei erforderlich machen und nach Änderungen und Reformen verlangen, durch die die organisatorischen Strukturen sowie die Missions- und Apostolatsmethoden in ihren menschlichen und daher verbesserungsfähigen Elementen erneuert werden. So ist es tatsächlich in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche oft geschehen und gerade jetzt wieder im Zweiten Vatikanischen Konzil. Aber es wäre zumindest oberflächlich zu meinen, aggiornamento bedeute hauptsächlich Änderung, oder jede Änderung bereits aggiornamento. Es genügt hier, daran zu erinnern, daß einige Leute am Rande des Konzils und im Widerspruch zu seiner Lehre am liebsten Änderungen einführen möchten, die das Volk Gottes auf seinem Wege vorwärts, in die Zukunft, um viele Jahrhunderte – zumindest aber auf den Stand des feudalistischen Mittelalters – zurückwerfen würden.«22
»Wenn wir die Einheit der Kirche verteidigen wollen, müssen wir eng mit Christus vereint leben, der unser Weinstock ist. Wie? Indem wir unsere Treue zum immerwährenden Lehramt der Kirche vertiefen, ›denn den Nachfolgern Petri wurde der Heilige Geist nicht verheißen, damit sie auf Grund seiner Offenbarung eine neue Lehre verkündigen, sondern damit sie kraft seines Beistandes die durch die Apostel überlieferte Offenbarung beziehungsweise die Glaubenshinterlage heilig bewahren und treu darlegen‹ (Vatikanum I, DS 3070). So werden wir die Einheit bewahren: durch die Ehrfurcht vor dieser unserer fleckenlosen Mutter. Durch die Liebe zum Papst. (…) Man hört wiederholt, wir sollten ökumenisch sein. Gewiß. Ich fürchte jedoch, daß hinter einigen selbsternannten ökumenischen Initiativen ein Betrug steckt; handelt es sich doch um Tätigkeiten, die nicht zur Liebe Christi, zum wahren Weinstock führen. Deshalb zeitigen sie keine Frucht. Ich bitte den Herrn jeden Tag darum, er möge mein Herz weiten, er möge weiterhin die Liebe in eine übernatürliche verwandeln, die er meine Seele für alle Menschen empfinden läßt ohne Unterschied der Rasse, des Volkes, der kulturellen Umstände und des Vermögens. Ich schätze alle aufrichtig, Katholiken und Nichtkatholiken, jene, die an etwas glauben, und jene, die nichts glauben und die mich traurig stimmen. Aber Christus hat eine einzige Kirche gegründet, Christus hat eine einzige Braut.«23
»Es scheint, daß verschiedene Ereignisse und Schwierigkeiten zusammengekommen sind und das reine Antlitz der Kirche entstellt haben. Einige behaupten: Hier ist die Kirche – im Eifer, sich an die sogenannte moderne Zeit anzupassen. Andere schreien: Die Kirche ist nichts anderes als das Streben der Menschen nach Solidarität; wir müssen sie umgestalten, wie es die heutige Situation erfordert.
Sie irren sich. Die Kirche ist heute dieselbe, die Christus gestiftet hat, und sie kann keine andere sein. Die Apostel und ihre Nachfolger sind Stellvertreter Gottes für die Regierung der Kirche, die auf den Glauben und auf die Sakramente des Glaubens gegründet ist. Und so, wie es ihnen nicht gestattet ist, eine andere Kirche zu stiften, dürfen sie auch keinen anderen Glauben verkünden oder andere Sakramente einsetzen; denn es heißt, daß die Kirche aus den Sakramenten, die aus der Seite des am Kreuz hängenden Christus geflossen sind, gebildet worden ist. Die Kirche muß an jenen vier Merkmalen erkannt werden können, die im Glaubensbekenntnis eines der ersten Konzilien zum Ausdruck gebracht werden und die wir im Credo der Messe betend wiederholen. Sie ist die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Das sind die Wesenseigenschaften der Kirche, die sich aus ihrer Natur, wie Christus sie gewollt hat, ableiten. Und als Wesenseigenschaften sind sie auch Merkmale, Zeichen, die sie von allen anderen menschlichen Gemeinschaften unterscheiden, selbst wenn in diesen der Name Christi ausgesprochen wird.«24
9. Katholiken und getrennte Brüder können sehr gut mitarbeiten (vgl. Unitatis redintegratio, 12).
»Natürlich sind die Mitglieder (des Opus Dei) katholisch, und zwar Katholiken, die sich bemühen, ihren Glauben konsequent zu leben. Mit diesem Namen kann man sie insgesamt bezeichnen, wenn man will, aber ohne zu vergessen, daß katholisch sein nicht bedeutet, daß man zu einer bestimmten Gruppierung gehört, nicht einmal im kulturellen oder intellektuellen Bereich, und schon gar nicht im Bereich der Politik. Seit dem Anfang des Werkes, und nicht erst seit dem Konzil, haben wir uns bemüht, einen offenen katholischen Geist zu leben: die legitime Freiheit der Gewissen zu verteidigen, allen Menschen, seien sie katholisch oder nicht, in brüderlicher Liebe zu begegnen und mit allen zusammenzuarbeiten bei der Lösung der vielen Fragen, die die Welt bewegen. (…)
Gerade diese für uns so lebenswichtige Achtung vor der persönlichen Freiheit erklärt die Tatsache, daß so viele spanische Mitglieder des Opus Dei den Gesetzentwurf über die Religionsfreiheit in ihrem Land, so wie er vor kurzem vorgelegt wurde, befürworten. Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine persönliche Stellungnahme, wie auch diejenigen ebenso persönlich Stellung nehmen, die den Gesetzentwurf kritisieren. Aber alle haben aus dem Geist des Opus Dei gelernt, die Freiheit zu lieben und die Menschen aller Bekenntnisse zu verstehen.«25
10. Katholiken und getrennte Brüder sollen aus dem Wunsch zur Vereinigung mit Christus die Einheit suchen (vgl. Unitatis redintegratio, 19).
»Ihr wißt, wie offen unsere Sichtweise ist und welche Liebe wir immer denjenigen entgegengebracht haben, die unseren Glauben nicht mit uns teilen, die nicht zur einen, heiligen, katholischen, apostolischen, römischen Kirche gehören. Von Anfang an haben wir diese Seelen zu Freunden gehabt, und oftmals waren sie Mitarbeiter unserer apostolischen Arbeit (…).
Ich habe euch hin und wieder erzählt, wie wir vor zwanzig Jahren offiziell beim Heiligen Stuhl um die Erlaubnis nachgesucht haben, Nichtkatholiken und sogar Nichtchristen als Mitarbeiter in unser Werk aufzunehmen. Die erste Antwort war, das sei unmöglich. Ich bestand nochmals darauf, und die Antwort war ein dilata, was einer Anerkennung der Berechtigung unserer Bitte gleichkam, während man uns gleichzeitig riet, noch abzuwarten. 1950 kam schließlich die Zustimmung. So war das Werk die erste Institution der katholischen Kirche, die ihre Arme brüderlich für alle Menschen öffnete, ohne sie nach ihrem Glaubensbekenntnis oder ihrer Konfession zu unterscheiden.
Wir haben nie jemanden abgewiesen, wir haben alle mit der Liebe Christi und mit einer menschlichen Zuneigung aufgenommen, die sie oft nicht einmal unter ihresgleichen gefunden haben, und sie haben sich an unserer Seite wohlgefühlt, weil sie sahen, daß wir ihre Freiheit achteten, daß wir sie schätzten, daß wir sie verstanden.«26
»›Wie steht das Opus Dei zum Ökumenismus‹, fragten Sie außerdem. Im vergangenen Jahr habe ich einem französischen Journalisten von einer Begegnung mit Johannes XXIII. erzählt, und diese Anekdote hat meines Wissens ein Echo selbst in den Publikationen unserer getrennten Brüder ausgelöst. Damals sagte ich unter dem Eindruck seiner väterlichen Liebenswürdigkeit zu Papst Johannes: ›Heiliger Vater, im Werk haben schon immer alle Menschen, ob sie nun katholisch sind oder nicht, einen Platz gefunden, an dem sie sich wohlfühlen; den Ökumenismus habe ich nicht erst von Eurer Heiligkeit gelernt.‹ Und Papst Johannes lachte gerührt, denn es war ihm bekannt, daß der Heilige Stuhl dem Opus Dei bereits im Jahre 1950 die Erlaubnis gegeben hatte, Nichtkatholiken und selbst Nichtchristen als Mitarbeiter aufzunehmen.
In der Tat, nicht wenige unserer getrennten Brüder, unter ihnen auch Geistliche und sogar Bischöfe verschiedener Konfessionen, fühlen sich vom Geist des Opus Dei angezogen und arbeiten in unseren apostolischen Unternehmungen mit. Und im gleichen Maße wie sich diese Kontakte verstärken, mehren sich die Zeichen von Sympathie und herzlichem Verständnis, weil die Mitglieder des Opus Dei es als Zentrum ihrer Spiritualität betrachten, verantwortungsbewußt jene Anforderungen und Pflichten zu leben, die für den Christen aus der Taufe erwachsen.
Der Geist und die Arbeitsweise des Opus Dei tragen in der Tat wesentlich zur Begegnung bei. So etwa der Wunsch, nach christlicher Vollkommenheit zu streben und apostolisch zu wirken gerade durch die Heiligung der eigenen beruflichen Arbeit, unser Leben mitten in den irdischen Realitäten, die – bei voller Achtung vor ihrer Eigengesetzlichkeit – durch Geist und Liebe kontemplativ lebender Menschen beseelt werden, der Vorrang, den wir in unserer Arbeit der menschlichen Person, dem Wirken des Heiligen Geistes im Menschen und der Achtung vor der aus der Gotteskindschaft stammenden Würde und Freiheit des Christen beimessen und schließlich die Tatsache, daß wir, innerhalb der notwendigen Achtung vor dem Gemeinwohl, gegen jede monolithische und institutionalistische Auffassung vom Laienapostolat die Legitimität der Eigeninitiative verteidigen. In all dem finden unsere getrennten Brüder seit Jahren einen guten Teil jener theologischen Voraussetzungen praktisch gelebt vor, auf die sie und wir Katholiken berechtigterweise so viele ökumenische Hoffnungen setzen.«27
11. Die Kirche weiß sich verbunden mit dem Stamm Abrahams (vgl. Nostra aetate, 4).
Dialog zwischen dem seligen Josemaría und einem bärtigen jungen Mann während eines Beisammenseins mit vielen Menschen in Caracas (Venezuela) am 14. Februar 1975:
»Vater, mit allem Respekt …«
»Mit allem Respekt und mit einem Bart …«
»Aber mit einem Bart, der wieder gestutzt werden muß …«
»Er steht dir gut, mein Sohn …«
»Danke, Vater. – Ich bin Jude.«
»Ich liebe die Juden über alles. Denn über alles liebe ich Jesus Christus, und der ist Jude. Ich sage nicht: war, sondern ist. Denn Jesus Christus heri et hodie, ipse et in saecula. Jesus Christus lebt, und er ist Jude wie du. Und die zweite Liebe meines Lebens ist eine Jüdin, die seligste Jungfrau, die Mutter Jesu Christi. Also schaue ich auf dich voller Liebe; fahre fort.«
»Ich glaube, Vater, Sie haben meine Frage schon beantwortet.«
Während eines Beisammenseins in Santiago de Chile am 5. Juli 1974 stand ein junges Mädchen auf und es entwickelte sich folgender Dialog mit dem seligen Josemaría:
»Vater, ich bin Jüdin, aber ich glaube an die katholische Religion. Mein glühender Wunsch ist es, katholisch zu werden, aber ich bin minderjährig, und meine Eltern erlauben es mir nicht.«
»Schau, ich werde dir etwas sagen, das dich sehr froh machen wird. Ich muß dir sagen, daß die erste Liebe meines Lebens ein Jude ist: Jesus, Jesus von Nazareth. Von deiner Rasse! Und die zweite, die heilige Maria, Jungfrau und Mutter; Mutter dieses Juden und meine Mutter und deine Mutter. Ist das gut so? Und dann sage ich dir: Sei sehr gut zu deinen Eltern, hab Geduld, bete, begehre nicht auf, ist das klar?
Und der Herr von Nazareth, der Jude Jesus, Jesus, der König aller Herzen und aller Willen, wird deine Eltern dazu bewegen, dich ruhig und gelassen den Weg gehen zu lassen, den du schon verborgen in deinem Herzen trägst, diese vita abscondita cum Christo in Deo.
Hab deine Eltern sehr gern, und lerne unterdessen die Lehre Jesu Christi. Bete, bete, meine Tochter. Die Wunschtaufe hast du schon. Bete und kritisiere nie deine Eltern. Denn das ist sehr klar: Du mußt sie aus ganzer Seele lieben und das durch Taten zeigen. Einverstanden?«
»Ja, Vater.«
»Du wirst eine gute Tochter Christi sein, wenn du eine gute Tochter deiner Eltern bist.«
Epilog
Ein besonderes Anliegen für den Gründer des Opus Dei war von Anfang an die Notwendigkeit eines eigenverantwortlichen Apostolates der Laien auch als Voraussetzung eines authentischen Ökumenismus – entsprechend den Impulsen des Konzils (vgl. Unitatis redintegratio, 5; Apostolican actuositatem, 2–4). Er wandte sich einerseits immer wieder gegen die früher noch häufigere Vorstellung, das Apostolat der Laien sei einfach eine von oben nach unten durchorganisierte Seelsorgetätigkeit, und betonte gleichzeitig die notwendige feinfühlige Verbundenheit mit der Hierarchie.28
Das individuelle Apostolat ist notwendige Voraussetzung des gemeinschaftlichen Apostolates. Der erste Weg der Evangelisierung ist das Zeugnis des persönlichen christlichen Lebens – so stellt auch Papst Paul VI. in der Enzyklika Evangelii nuntiandi fest. Perfektionistisch durchorganisierte Strukturen, erstarrte Verbände mit etablierten Funktionären, ungesunder Parlamentarismus und Gremienfetischismus scheinen gerade bei uns in Deutschland manchmal schon die Ansätze einer Neuevangelisierung zu behindern. Erneuerung und apostolische Ausstrahlung muß anders beginnen: nicht so wie dies mit dem Etikett »Kirche von unten« oft gefordert wird (im Sinne billiger Klischees des Klassenkampfes): gegen »oben«, aufmüpfig, deklamatorisch und mit besserwisserischen Forderungen für andere, vielmehr besser: »von innen«, so daß wirklich der einzelne bei sich selbst anfängt, sich zu erneuern und umzukehren – in seinem unmittelbaren Umfeld, besonders in Familie und Beruf, wo sich ihm greifbare und erfüllbare Gestaltungsmöglichkeiten und Pflichten darbieten. Ökumenische Effizienz setzt voraus, daß es Menschen gibt, die ohne plakativ zu wirken, ganz natürlich den Glauben zu verwirklichen suchen und ihn anderen mitteilen – zuerst durch die eigene Lebensführung, erst an zweiter Stelle durch das Wort und ganz zuletzt durch organisierte Aktionen. So hat das persönliche Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens den Vorrang. »Wäre der Vollzug sozialer Handlungen in der Gemeinde, im katholischen Verband oder in der Gruppe der einzige oder auch nur der wichtigste aktuelle Kristallisationspunkt und Anlaß christlichen Zeugnisses, dann wären nicht Taufe oder Firmung des einzelnen Christen, sondern Präsenz und Wirken der ›Hauptamtlichen‹ sowie das strukturell verfaßte kirchliche Kollektiv in Gemeinde oder Verband das Entscheidende.«29
Ein weiteres Anliegen des Seligen sei besonders hervorgehoben: Das Miteinander von christlicher Einheit und Liebe zur Wahrheit – ähnlich wie es auch im Ökumenismusdekret erklärt wird (vgl. Unitatis redintegratio, 11).
Das entscheidende Kennzeichen der ersten Christen war ihre Einheit in der Liebe. Weniger an bestimmten anderen Tugenden konnte man sie gleich erkennen, an Werthaltungen, die sie auch besaßen und die zweifellos auch wichtig und hervorragend sind. Doch was an ihnen besonders auffiel und überzeugend wirkte, war ihr Miteinander: Seht wie sie einander lieben!
Aber: Eine solche Liebe, christlich-übernatürliche Liebe, ist alles andere als ein unklares Gefühl, sie hat nichts zu tun mit Sentimentalität und Illusion. Von ihrem Wesen her ist sie caritas ordinata, auf ein klares Ziel hingerichtet. Glaube und Liebe sind untrennbar. Somit gilt: Liebe ohne Orientierung an der Wahrheit ist blind, ist unecht. In allen Einheitsaufforderungen des Neuen Testamentes wird immer auch an die Wahrheit appelliert; die Kirche ist ja die Säule und Grundfeste der Wahrheit (1 Tim 3,15). Wahre Liebe zur Kirche muß sich auf die Wirklichkeit beziehen, wie sie Christus begründet und geoffenbart hat und wie sie letztlich nur mit den Augen des Glaubens zu erkennen ist – sie richtet sich nicht auf ein selbstkonstruiertes Ideal oder verzerrtes Wunschbild. Sie kann auch nicht verzichten auf ein qualitätsbewußtes Apostolat.
Dieser unlösliche Zusammenhang zwischen Einheit und Wahrheit ist vom Papst immer wieder betont worden: »Die von Gott gewollte Einheit kann nur in der gemeinsamen Zustimmung zur Unversehrtheit des Inhalts des geoffenbarten Glaubens Wirklichkeit werden. Was den Glauben betrifft, steht der Kompromiß im Widerspruch zu Gott, der die Wahrheit ist.«30 Frühere Aussagen dazu sind in der Enzyklika Ut unum sint zusammengefaßt: »Die Konstitution Lumen Gentium schreibt in einer Grundsatzaussage, die das Dekret Unitatis redintegratio aufgreift, daß die einzige Kirche Christi in der katholischen Kirche fortbesteht. Das Dekret über den Ökumenismus unterstreicht die Gegenwart der Fülle (plenitudo) der Heilsmittel in ihr. Die volle Einheit wird dann Wirklichkeit werden, wenn alle an der Fülle der Heilsmittel teilhaben werden, die Christus seiner Kirche anvertraut hat.«31
Für den Fortschritt auf dem Weg zur Einheit sind weniger immer neue Kommissionen, Resolutionen, Programme und Massenaktionen wichtig, als vielmehr zuerst die innere Erneuerung und Heiligung. Dabei kann uns der Blick auf den seligen Josemaría Escrivá besonders ermutigen. Denn das Wirken Gottes im Leben seiner Heiligen kann nach den Worten von Johannes Paul II. zum Paradigma für sein Wirken für die Einheit in den christlichen Gemeinschaften werden: »Dort, wo der aufrichtige Wille zur Nachfolge Christi besteht, gießt der Geist seine Gnade oft auf anderen als den gewöhnlichen Pfaden aus. Die ökumenische Erfahrung hat uns dies besser begreifen lassen. Wenn es die Gemeinschaften in dem inneren geistlichen Raum, den ich beschrieben habe, tatsächlich fertig bringen, sich zur Suche nach der vollen und sichtbaren Gemeinschaft ›zu bekehren‹, wird Gott für sie das tun, was er für ihre Heiligen getan hat. Er wird die aus der Vergangenheit ererbten Hindernisse überwinden und wird die Gemeinschaften auf seinen Wegen führen, wohin er will: zur sichtbaren koinonia, die zugleich Lobpreis seiner Herrlichkeit und Dienst an seinem Heilsplan ist.«32
Anmerkungen
1 Josef Kardinal Ratzinger, Wollen, was Gott will. Der selige Josemaría Escrivá, in: K. M. Becker, J. Eberle, (Hrsg.), Die Welt – eine Leidenschaft. Chance und Charisma des Seligen Josemaría Escrivá, St. Ottilien 1993, S. 10–17.
2 Peter Berglar, Opus Dei. Leben und Werk des Gründers, 3. erw. Auflage, Köln 1992; Salvador Bernal, Msgr. Josemaría Escrivá de Balaguer. Aufzeichnungen über den Gründer des Opus Dei, Köln 1978; François Gondrand, Au pas de Dieu. Josemaría Escrivá de Balaguer, fondateur de l’Opus Dei, Paris 1982; Dennis Helming, Fußspuren im Schnee, St. Ottilien 1991; Fernándo Ocáriz, El Beato Josemaría Escrivá de Balaguer y la teología, Scripta Theologica 26 (1994) 977–991; Alvaro del Portillo, Über den Gründer des Opus Dei, Köln 1996; Ders., Una vida para Dios: Reflexiones en torno a la figura de Monseñor Josemaría Escrivá de Balaguer; Discursos, Homilías y otros escritos, Madrid 1992; Claudio Sorgi, Il Padre. Josemaría Escrivá de Balaguer, Casale Monferrato 1992; Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei Josemaría Escrivá, Köln 2001; Verschiedene, Testimonios sobre el Fundador del Opus Dei, Madrid 1994.
3 Pedro Rodríguez, Mons. Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás. Fundador y primer Gran Canciller de la Universidad de Navarra (1902–1975), in: La personalidad del Beato Josemaría Escrivá de Balaguer, Pamplona 1994, S. 23–56; Verschiedene, Josemaría Escrivá de Balaguer y la Universidad, Pamplona 1993; Verschiedene, Homenaje a Mons. Escrivá de Balaguer, Pamplona 1986.
4 Jutta Burggraf, Fernando Ocáriz, Abba Vater. Als Kinder Gottes leben nach der Lehre des seligen Josemaría Escrivá, Köln 1999.
5 Vgl. Vatikanum II, Unitatis Redintegratio, 11.
6 Vgl. Paul VI. über wahren und falschen Pluralismus in der Generalaudienz vom 28.8.1974, L’Osservatore Romano (1974) Nr. 36, S. 1–2; Grenzen des theologischen Pluralismus, L’Osservatore Romano 12.8/1.9./2.9.1977; dt. Ausgabe 21.9.1979, Nr. 38.
7 Unitatis Redintegratio, 11.
8 »Du hast recht: es gibt Katholiken, die praktizieren und fromm sind in den Augen der Leute und vielleicht auch wirklich ehrlich – aber sie stellen sich naiv in den Dienst der Kirchenfeinde … Unter so verschiedenen und von ihnen mißverstandenen Begriffen wie etwa ›Ökumenismus‹, ›Pluralismus‹ oder ›Demokratie‹ hat sich in ihr eigenes Zuhause der ärgste Feind eingeschlichen: die ›Unwissenheit‹« (Die Spur des Sämanns, 359).
9 Brief vom 31.5.1954.
10 Brief vom 2.10.1939.
11 Freunde Gottes, 32.
12 Gespräche, 44.
13 Loyal zur Kirche, Homilie vom 4.6.1972, in: Antworten, Schriftenreihe der Karlskirche, Heft 7, Wien 1991, S. 8–9.
14 Die Spur des Sämanns, 358.
15 Aus einem Beisammensein am 11.5.1965.
16 Loyal zur Kirche, S. 17–18
17 Aus einem Text des Seligen, veröffentlicht am Tag seiner Seligsprechung, dem 17. Mai 1992, in der Madrider Tageszeitung ABC.
18 Die Spur des Sämanns, 751.
19 Die Spur des Sämanns, 643.
20 Freunde Gottes, 227.
21 Freunde Gottes, 226.
22 Gespräche, 1.
23 Loyal zur Kirche, S. 8–9.
24 Loyal zur Kirche, S. 6 mit Zitat Thomas von Aquin, S. th. III, q. 64 a 2 ad 3.
25 Gespräche, 29.
26 Brief vom 24.10.1965.
27 Gespräche, 22.
28 Vgl. Gespräche, 21; Ateneo Romano della Santa Croce (Hrsg.), Santità e mondo. Atti del Convegno teologico di studio sugli insegnamenti del beato Josemaría Escrivá (Roma, 12–14 ottobre 1993), Rom 1994, S. 240; Luis Alonso, La vocación apostólica del cristiano en la enseñanza de Mons. Escrivá de Balaguer, Scripta Theologica 13 (1981) 567–628.
29 Stephan Puhl, Apostolat als Herausforderung im Alltag, in: Becker, Eberle (Hrsg.), Die Welt – eine Leidenschaft, S. 103.
30 Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 18.
31 Ebd., 86.
32 Ebd., 84.
Karl Braun: Der Ökumenismus bei Josemaria Escriva. In: Josemaría Escrivá, Profile einer Gründergestalt, Hrsg von César Ortiz, Adamas Verlag, Köln 2002