Das Wunder, das den Gründer des Opus Dei zum Heiligen machte

Der italienische Schriftsteller Vittorio Messori ist weltweit durch das erste Interviewbuch mit Papst Johannes Paul II. bekannt geworden. In der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera weist er auf einige weitergehende Aspekte des päpstlich anerkannten Heilungswunder auf die Fürsprache des Opus-Dei-Gründers Escrivá hin.

Der italienische Schriftsteller Vittorio Messori ist weltweit durch das erste Interviewbuch mit Papst Johannes Paul II. bekannt geworden. In der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera weist er auf einige weitergehende Aspekte des päpstlich anerkannten Heilungswunder auf die Fürsprache des Opus-Dei-Gründers Escrivá hin. Der spanische Chirurg Dr. Manuel Nevado wurde nach dreißig Jahren von einem fortgeschrittenen Röntgenoderm geheilt, einer Berufskrankheit mit tödlichem Ausgang. Heute kann er seinen Beruf wieder ausüben.

… Seit der Seligsprechung Escrivás vor zehn Jahren hat das Opus Dei tausende Gnadenerweise erhalten, die Escrivás Fürsprache zugeschrieben werden. Aus dieser eindrucksvollen Zahl wurden zwanzig Heilungen ausgewählt, die auf den ersten Blick unerklärlich sind und deshalb als Wunder erschienen. Dazu gehört der Fall eines Kindes, das kurz nach der Seligsprechung plötzlich von einer nichtoperierbaren Verengung der Nierenarterie geheilt wurde.

Am Ende konzentrierte man sich dann auf den Fall Nevado. Warum? Sicherlich, weil das Röntgenoderm auch heutzutage noch unheilbar und letztlich tödlich ist, sobald die Metastasen den ganzen Körper befallen. Der Verdacht einer suggestiven Heilung ist damit ausgeschlossen. Kein Fall eines selbständigen Krankheitsrückgangs ist bekannt. Es schreitet langsam, aber unerbittlich voran – bis zum Tod. Hinzukommt, daß der Patient als Arzt seine Lage selbst einschätzen konnte und eine Reihe Kollegen konsultiert hatte, die dann als Zeugen nach Rom gerufen wurden. Das Dossier war deshalb umfangreich und wissenschaftlich einwandfrei.

Anscheinend hat aber auch ein spirituelles Motiv bei der Auswahl eine Rolle gespielt. Bekanntlich ist das Herzstück der Botschaft des Opus Dei die Heiligung durch die tägliche, möglichst gut getane Arbeit aller Art, vom Handwerk bis zum Bankgeschäft. Nun ist der Geheilte ein Berufstätiger wie viele, ein guter Chirurg in einem Landstädtchen, der sich von Anfang an des Risikos bewußt war, das mit seinem Beruf verbunden war. Gleichwohl nahm dieser Arzt das Risiko bewußt in Kauf. Zum Wohl der Kranken arbeitete er jeden Tag an Röntgengeräten, die seinen Patienten zur Heilung verhalfen, ihn jedoch schädigten. Also sicherlich ein göttliches Wunder, das jedoch auf einen Menschen guten Willens traf, der auf seine Weise die „gewöhnliche Heiligkeit in der Arbeit“ suchte, ohne die Spiritualität des Opus Dei zu kennen, einfach ein praktizierender Christ.

Die Auswahl wird dann auch beeinflußt haben, daß das Wunder einerseits wissenschaftlich unbestreitbar, im Kern aber wenig „spektakulär“ ist. Escrivá („unser Vater“ nennen ihn die Angehörigen des Opus Dei) hatte für die Zurschaustellung von Wunderbarem wenig übrig. Er war davon überzeugt, daß das wahre Wunder in einem Arbeitsleben liegt, das aus Liebe zu Gott nicht nur erduldet, sondern engagiert und froh angegangen wird.

Die Heilung, die ihn nun zur Heiligenehre der Altäre macht, hat nichts von einem Schauspiel an sich. Sie ist kein Melodram, sondern ein Wunder in Stille – Die Hände eines Arbeiters werden geheilt und ermöglichen es ihm, wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren. Ein wirklich geheimnisvolles Geschehen, aber im Rahmen stiller Alltäglichkeit, die Escrivá so schätzte.

Erschienen im Corriere della Sera, Mailand (Italien), 19.12.2001