Dora ist gestorben

Diese Nachricht hat mich - und viele andere in der ganzen Welt - sehr bewegt. Wer ist Dora? Sie war kein Filmstar, keine Sängerin oder Sportlerin, keine der sonstigen Berühmtheiten: Dora war eine Hausangesteilte.

In den Vierzigerjahren wird einem soeben eröffneten Studentenheim in Madrid eine Hausangestellte vermittelt. Die Umstände sind schwierig, es ist die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Es fehlt an Geld, an Lebensmitteln, an allem. Dora nimmt diese Stelle an, «vorläufig», weil sie Mitleid hat mit den jungen, noch unerfahrenen Frauen, die sich der Hauswirtschaft des Studentenheims widmen. Am 11. Januar 2004 stirbt sie in Rom, nach 57 Jahren Dienst in verschiedenen Studentenheimen und Bildungseinrichtungen, deren geistliche Betreuung dem Opus Dei anvertraut ist. Die «vorläufige» Stelle wurde ihre Lebensstelle im vollen Sinne des Wortes.

Der 2002 heilig gesprochene Gründer des Opus Dei, Josefmaria Escrivá de Balaguer, schreibt in «Der Weg» unter Punkt 590: «Wünsche nicht, die vergoldete Wetterfahne auf dem grossen Gebäude zu sein: so sehr sie glänzt und so hoch sie steht, sie bedeutet nichts für die Festigkeit des Baues. Wärest du doch wie ein alter Quaderstein, verborgen im Fundament, unter der Erde, wo niemand dich sieht. Deinetwegen stürzt das Haus nicht ein.»

Dora war ein solcher Quaderstein: Sie war die erste von denjenigen im Opus Dei, die sich beruflich vor allem den hauswirtschaftlichen Belangen der korporativen Werke - Studentenheime, Ausbildungszentren usw. - widmen. Das Opus Dei ist seinem Wesen nach eine grosse christliche Familie, und wie in einer «gewöhnlichen Familie» hängt sehr viel, fast möchte ich sagen: alles, davon ab, wie und in welchem Geist die täglich anfallende, immer wiederkehrende Arbeit verrichtet wird. Der Gründer des Werkes sagt unter anderem im Buch «Im Feuer der Schmiede» (Punkt 689): «Preise die Güte Gottes, unseres Vaters! Denn Er schenkt dir die Gewissheit, dass dein Zuhause, deine Familie und die Heimat, die du so sehr liebst, eine Wirklichkeit sind, die du heiligen sollst und die dich heiligt. Ist das nicht ein Grund, dich sehr zu freuen?»

Nach dem Hinschied von Dora kommentierte der jetzige Prälat des Opus Dei, Bischof Javier Echevarria, dass sie ein hohes berufliches Niveau erreicht hatte. Er erklärte, dass diese Arbeit für die ganze Prälatur von höchster Wichtigkeit sei. Sie «schaffe Familie», stärke die Einheit und erfülle die Zentren mit einer frohen Atmosphäre.

Dora hat den Geist des Opus Dei - vom Gründer kurz und prägnant ausgedrückt mit den Worten «die Arbeit heiligen, sich durch die Arbeit heiligen, andere durch die Arbeit heiligen» (Christus begegnen, Nr. 45) - sehr gut verstanden und ihr Leben darnach gerichtet. Seit 1946 - dem Jahr, in dem sie dem Werk beitrat - haben Tausende von Seelen sich durch die stille Arbeit von Dora Gott genähert. Dora dachte in ihrer Einfachheit stets, es sei wenig, was sie beitragen könne. Sie war immer bereit, die strengsten Arbeiten zu übernehmen; eine starke Frau, die nie Zeit verlor, an sich selbst zu denken, sondern bestrebt war, für die andern da zu sein.

Der heilige Josefmariá schreibt in «Der Weg» unter Punkt 544: «Gemeinschaft der Heiligen. - Wie soll ich dir das erklären? - Kennst du die Bedeutung einer Bluttransfusion für den Körper? Ungefähr das ist die Gemeinschaft der Heiligen für die Seele.» In diesem Sinne charakterisierte Bischof Echevarría den Einfluss von Dora: «Sie war eine Frau, die in ihrem verborgenen Leben eine grosse Wirksamkeit entfaltete. Alle im Opus Dei - Männer und Frauen - schuIden ihr viel. Der Gründer bahnte den Weg des Werkes mit dem Glauben der ersten Gläubigen im Werk, mit dem Glauben von Dora. Er fand in ihr eine Stütze auf jeder Ebene, der übernatürlichen wie der menschlichen. Wo sie war, verbreitete sie Frieden, Sicherheit und das Bewusstsein der Dringlichkeit, dem Herrn zu dienen.»

Dora wurde, wie viele nach ihr, von Gott berufen, sich in ihrem Beruf als Hausangestellte zu heiligen. So hat sie ihre Arbeit geheiligt, hat sie dir und mir ein Beispiel gegeben, wie es trotz unserer Fehler «einfach» ist, heilig zu werden.

A. Schneider, 8050 Zürich