„KIRCHE IM AUFBRUCH – UND WIR?“

Bischof DDr. Klaus Küng, Diözese St. Pölten, sprach am 27.11.05 im Wiener Studentinnenheim Währing.

Eine Million Jugendliche kamen im August 2005 zum Kölner Weltjugendtag, um den Papst zu hören und in ihrem Glauben zu wachsen. Sie wirkten lebenslustig und selbstbewusst. „Ich bin katholisch“ stand vorne auf dem T-Shirt. Und auf der Rückseite: „Wenn man sich sonst schon nichts gönnt…“ Sind Jugendliche von heute ein Zeichen der Hoffnung für die Kirche? „Natürlich gibt es viele, die abseits stehen oder auch weggehen. Aber zugleich erleben wir Jugendliche, die auf der Suche nach der Fülle des Lebens sind, die hören wollen, was die Kirche lehrt und nicht bloß, was sie meint. Fragt jemand, was die Kirche zu sagen habe, müsse er sich die Gegenfrage gefallen lassen: Wer gibt Orientierung, wenn nicht die Kirche? Jugendliche, die nach Gott fragen, sind deshalb für die Kirche, für die Hirten eine Art ‚Provokation’“, erklärte der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng bei einem Vortrag zum Adventbeginn im Wiener Kulturzentrum und Studentinnenheim Währing.

Jugendliche – eine Provokation für die Kirche? „Sie stellen uns Fragen und erwarten klare Antworten. Das fordert uns heraus.“ Inzwischen wachse eine neue Generation von Glaubenden heran, die selbst kein katholisches Milieu um sich erlebt habe. Diese Situation fordert die Kirche zu einer neuen Art der Glaubensvermittlung, so Bischof Küng. Für den Familienbischof, der seit etlichen Jahren in direktem Kontakt mit vielen Bewegungen steht, lassen sich bereits jetzt einige Merkmale erkennen:

1. „Es läuft über die Wirksamkeit der Person.“ In der Pastoral spricht man inzwischen von der Notwendigkeit von „burning persons“: Nur Menschen, die selbst „brennen“, seien glaubhafte Zeugen des Glaubens für Jugendliche. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür war Papst Johannes Paul II., so Bischof Küng: „Er hatte eine große Liebe zu den Jugendlichen, er hatte Humor, er war ein Mann des Gebetes und er hat selbst gelebt, was er gelehrt hat. Das überzeugt mehr als tausend Papiere.“

2. „Eine neuer Trend zur eucharistischen Anbetung.“ Dies entspräche, so Küng, der zentralen Frage nach Gott und einer neuen „Sehnsucht nach dem Geheimnis“. Wo Anbetung ein Teil der Jugendkatechese wird, stelle sich ein „atmosphärischer Wechsel“ ein. Es gehe nicht darum, dass jemand einen anderen von etwas überzeuge, sondern ihn zu einer Begegnung mit Jesus Christus, mit Gott als Person hinzuführen. Wenn der „Funke der Begegnung“ übergesprungen sei, setze ein Bedürfnis ein, mehr von der Lehre Jesu wissen.

3. „Katechesen, die mehr als bloße Wissensvermittlung sind.“ Dies sei ausdrücklicher Wunsch von Papst Benedikt XVI. In der Vermittlung der Glaubensinhalte würden Jugendliche das direkte, offene, ehrliche und lebensnahe Wort lieben. „Und ehrlich heißt auch: die Probleme ansprechen“, betonte Küng. Eine verständnisvolle Freundschaft ist dafür eine wertvolle Basis. Die Aufarbeitung des Vergangenen, die Heilung von Verletzungen, die Jugendliche vielleicht schon früh in ihrem Leben erfahren haben, brauche Zeit. Geistliche Begleitung sei die Grundlage für Nachhaltigkeit: „In drei Tagen Gebet schafft man noch keine Grundlagen“ so der Familienbischof.

Die Wiederbelebung des Sakraments der Versöhnung, die Liturgiefeier in Gemeinschaft, das Erleben der Katholizität („Fröhliche Gesichter strahlen einfach aus“) und die „Vernetzung“ von christlichen Familien und Jugendlichen untereinander nannte Küng als weitere wichtige Elemente für die Arbeit in den „Missionsländern wie Deutschland und Österreich“. Nicht zuletzt aufgrund der Weltjugendtage sieht Bischof Küng Anzeichen eines Umbruchs: „Es ist etwas im Gange, wir müssen die Herausforderung erkennen. Jeder von uns kann ein Anfang sein!“, so sein dringender Appell.