Kinder brauchen Aufgaben

Elisabeth Lukas, die bekannte Psychotherapeutin und Viktor Frankl-Schülerin, sprach am 23. Mai 2007 im Wiener Kulturzentrum Währing über das Problem der Suchtgefährdung bei Jugendlichen und die Frage nach dem sinnvollen Leben.

Medien in Österreich schlagen Alarm: Sucht ist zur Volkskrankheit geworden. Ob Drogen, Alkohol, Ess-, Kauf- oder Internetsucht: Jugendliche diverser sozialer Schichten sind heute extrem gefährdet, in Abhängigkeiten zu geraten, die ihr Leben zerstören. Was können Eltern tun, um ihr Kind stark zu machen? Welche Rolle spielen Selbstachtung und die Sinnfrage für ein geglücktes Leben?

Die Gefahr, von einem „sich gut Fühlen“ abhängig zu werden, wird heute gesteigert durch Reizüberflutung und den Trend, das eigene Wohlbefinden zum höchsten Wert zu erheben, analysiert Elisabeth Lukas. Deshalb sei es für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig, ein Maß an „Freiheit von psychischem Wohlbefinden“ zu erreichen, betonte die Psychotherapeutin. Wer eine Sucht entwickelt, ist in Wirklichkeit nicht von einem bestimmten Suchtmittel abhängig, sondern vielmehr von einem inneren psychischen Zustand des Wohlgefühls, das permanent durch das Mittel künstlich hergestellt werden muss, erklärte Lukas. Wie auch die Gehirnforschung zeigt: Sinkt das Hochgefühl, muss die Dosis erhöht werden. Wenn jemand aus einer Sucht herauskommen will, „sitzt er zunächst im Keller seiner Stimmung“ und verfällt in eine tiefe Depression. Schafft er es, diese Phase zu überwinden, sei er ein „richtiger Held“, so Lukas aus ihrer eigenen langjährigen psychotherapeutischen Erfahrung. 

Was können Eltern nun in der Erziehung tun, um ihre Kinder möglichst gut vor einem möglichen Suchtverhalten zu schützen? 

In der Erziehung gehe es nicht darum, Kindern das Leben so angenehm wie möglich zu machen und ihnen alles zu bieten. Kinder wollen gebraucht werden. Man müsse daher, so Lukas, Jugendliche stark machen, indem man ihnen vermittelt, dass sie wichtig sind für die Welt, dass sie durch persönliche Aufgaben herausgefordert werden. Das fördere das Selbstwertgefühl. „Das Glück besteht nicht darin zu sagen ‚mir geht es gut’, sondern sagen zu können ‚ich bin für etwas gut’.“ Darin bestehe die „Paradoxie des Glücks“: Es fließt dann, wenn man ihm nicht direkt nachjagt, es stellt sich als „positiver, unintendierter Nebeneffekt“ ein, wo Menschen sich für jemand oder etwas einsetzen.

Dieser Einsatz fordere Kontakt mit der realen Welt, nicht bloß mit der virtuellen. „Die Außenwelt ist überreich, während die Innenwelt immer mehr verarmt“, stellte die Logotherapeutin fest. Werteverwirklichung sei nur in der realen Welt möglich. Als weitere Richtschnur in der Erziehungsarbeit hob Lukas hervor, „Verzicht und Opfer zu erlernen“, nicht als Strafe, sondern, „für etwas, das wichtig ist“, für einen Wert. Das mache Kinder stark, ebenso das Erlernen, „Unabänderliches mutig und elegant zu ertragen“. 

Und was, wenn nicht alles so glatt geht? Weder Menschen noch unsere Welt seien vollkommen perfekt. „Jeder von uns ist ein Puzzle-Stein, jeder ist anders.“ Man müsse die Jugendlichen deshalb darin bestärken, dass Fehler dazugehören und sie ermutigen, trotz Niederlagen an sich weiter zu arbeiten. Nicht zuletzt sei das Wichtigste, was Eltern ihren Kindern mitgeben können, ihr gutes Vorbild. „Eltern wirken durch das, was sie sind mehr als durch das, was sie reden.“

Studentinnenheim & Kulturzentrum Währing