Betrachtungstext: 24. Woche im Jahreskreis – Montag

Verbundenheit und Respekt bei unterschiedlichen Ansichten – Für eine Seele bis zu den Toren der Hölle gehen – Von den anderen lernen

EIN RÖMISCHER Hauptmann hatte einen Diener, der schwer krank war und im Sterben lag. Als er hörte, dass Jesus nach Kafarnaum gekommen war, schickte er jüdische Älteste zu ihm mit der Bitte, zu kommen und seinen Diener zu retten (Lk 7,3). Sie traten an den Herrn heran, und baten ihn inständig: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst; denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut (Lk 7,4-5). Jesus war wahrscheinlich angenehm überrascht, als er diese Rede hörte. Zumeist spürte er, wenn er in eine Stadt kam, dass Spannungen und Misstrauen zwischen dem jüdischen Volk und den römischen Soldaten herrschten. In diesem Fall jedoch nahm er eine andere Atmosphäre wahr. Dieser Zenturio hatte seine Stellung nicht mit Gewalt durchgesetzt, sondern war dem jüdischen Volk und seinen Traditionen mit Wertschätzung begegnet. Die Juden hatten diese Verbundenheit erkannt, weshalb sie nicht zögerten, Jesus im Namen des Hauptmanns um die Heilung seines Dieners zu bitten. Die Unterschiede zwischen dem römischen und dem jüdischen Volk waren kein Hindernis für die Entstehung einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts.

Papst Franziskus sagte in einer Ansprache vor Fachleuten des interreligiösen Dialogs: „Jeder Mann und jede Frau ist wie ein Mosaiksteinchen, das schon an sich schön ist, jedoch nur gemeinsam mit den anderen Steinchen ein Bild ergibt, im freundschaftlichen Zusammenleben der Unterschiede. Mit jemandem freundschaftlich zusammenleben bedeutet auch, eine glückliche Zukunft mit dem anderen im Sinn zu haben und aufzubauen.“1 Der Wunsch nach aufrichtiger Freundschaft und der Eifer, den anderen zu dienen, kennzeichnen die Beziehung eines Christen zu allen Menschen, auch zu jenen, die möglicherweise eine andere Denk- oder Lebensweise haben. Und so wird, wie der heilige Josefmaria sagte, „durch den persönlichen Umgang, durch eine echte und aufrichtige Freundschaft, in unseren Mitmenschen der Hunger nach Gott geweckt und ihnen geholfen, einen ungeahnten Horizont zu entdecken: mit Natürlichkeit, Einfachheit, mit dem Beispiel eines gut gelebten Glaubens, mit einem freundlichen Wort, das aber von der Kraft der göttlichen Wahrheit erfüllt ist.“2


AUF DIE Bitte der Ältesten hin traf Jesus eine Entscheidung, die in den Augen mancher der Anwesenden verwunderlich war: das Haus des Hauptmanns aufzusuchen. Der jüdischen Tradition nach war es Juden verboten, das Haus von Heiden zu betreten, und wenn sie es taten, mussten sie sich anschließend reinigen. In diesem Fall war es Jesus selbst, der das Haus eines Römers betrat, um neues Leben zu bringen, und dadurch lehrte, dass das Wohl und Heil eines Menschen das Allerwichtigste war.

Dem heilige Josefmaria war es ein Anliegen, dass niemand, den er betreute, starb, ohne die Sakramente empfangen zu haben, selbst wenn dies mit Schwierigkeiten verbunden war. So erfuhr er einmal von einem jungen Mann, der an einem Ort lebte, an dem Gott beleidigt wurde, und nur noch wenige Tage zu leben hatte. Nachdem er die Situation dem Generalvikar der Diözese dargelegt hatte, erhielt er die Erlaubnis, sich in dieses Haus zu begeben, um dem Kranken, wenn er es wünschte, die Beichte abzunehmen und ihm die Krankensalbung und die Kommunion zu spenden. Und so ging er in Begleitung eines Freundes hin und verabreichte dem Kranken nach der entsprechenden Vorbereitung die Sterbesakramente.

„Folgen wir dem Beispiel Jesu Christi“, schrieb der Gründer des Opus Dei, „weisen wir niemanden ab: Um eine Seele zu retten, müssen wir bis an die Pforten der Hölle gehen. Weiter nicht, denn dahinter ist es unmöglich, Gott zu lieben.“3 Der Herr verkündete das Evangelium nicht nur dem jüdischen Volk, sondern brachte es der ganzen Welt. Don Fernando Ocáriz betonte: „Die Universalität der Sendung der Kirche bedeutet, dass niemand von ihrem apostolischen Horizont ausgeschlossen ist.“4 Bitten wir Jesus, in uns den Wunsch und den Tatendrang zu wecken, dass alle Menschen zum Heil gelangen können, das der Herr ihnen anbietet. Papst Benedikt betonte bei seiner Amtseinführung: „Es gibt nichts Schöneres, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken.“5


DER ZENTURIO wollte Jesus nicht belästigen, vielleicht weil er wusste, dass er sich reinigen musste, wenn er sein Haus betrat oder in seine Nähe kam. Deshalb schickte er Freunde zu Jesus, als er hörte, dass dieser in der Nähe seines Hauses war, um ihm zu sagen: Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach einkehrst. Deshalb habe ich mich selbst auch nicht für würdig gehalten, zu dir zu kommen. Aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund (Lk 7,6-7). Der Evangelist hielt fest, dass Jesus erstaunt war über ihn, als er das hörte. Und er wandte sich um und sagte zu den Leuten, die ihm folgten: Ich sage euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden (Lk 7,9).

Die Erklärung Jesu ist tröstlich. Sie zeigt uns, in welchem Ausmaß der Herr das Gute in unseren Herzen erkennt. Und noch dazu lobt er den Glauben eines Menschen, der in den Augen des jüdischen Volkes keinen Glauben hatte. So lehrte er die Anwesenden, dass sie auch von jenen lernen können, die scheinbar weit von Gott entfernt sind. Schließlich zeigt sich Gott in allen Kulturen, wie Papst Franziskus sagte, „in den Völkern, die einen anderen geschichtlichen Weg eingeschlagen haben, in den Völkern, die den Weg auf andere Weise zurückgelegt haben, aber es ist derselbe Gott. Und er, der der Vater aller ist, führt uns hin zum Dialog miteinander.“6

Der Christ weiß, dass alles, was er vom Herrn erhalten hat, nicht Frucht seiner eigenen Anstrengung oder Fähigkeiten ist, „sondern“, wie der heilige Josefmaria sagte, „das Wort Gottes, das zu uns gekommen ist: nicht weil wir besser wären als die anderen oder bessere Voraussetzungen hätten, sondern weil der Herr uns als seine Werkzeuge gebrauchen wollte.“7 Deshalb ist der Christ nicht der Besitzer der Wahrheit, sondern ihr Mitarbeiter (vgl. 3 Joh 1,8). Maria, unsere Mutter, kann uns helfen, eine hoffnungsvolle Sicht auf die Welt zu haben und ein Herz, in dem alle unsere Brüder und Schwestern Platz finden.


1 Franziskus, Ansprache, 6.6.2022.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 149.

3 Hl. Josefmaria, Brief 4, Nr. 24.

4 Msgr. Fernando Ocáriz, “La prelatura del Opus Dei: apostolado ad fidem y ecumenismo”, S. 3.

5 Benedikt XVI., Predigt, 24.4.2005.

6 Franziskus, Ansprache, 5.5.2023.

7 Hl. Josefmaria, Brief 37, Nr. 25.