Autograph des hl. Josefmaria zum Tod seiner Schwester

Anläßlich des Todestages von Carmen Escrivá, der Schwester des Gründers des Opus Dei, veröffentlichen wir den Text einer handschriftlichen Aufzeichnung des heiligen Josefmaria über ihre Krankheit und ihr Sterben.

Anläßlich des Todestages von Carmen Escrivá, der Schwester des Gründers des Opus Dei, veröffentlichen wir den Text einer handschriftlichen Aufzeichnung des heiligen Josefmaria über ihre Krankheit und ihr Sterben.

Als der Gründer des Opus Dei starb, fand man unter seinen Papieren einen verschlossenen Umschlag, auf den er selbst geschrieben hatte: Nicht vor meinem Tod öffnen. Mariano. 2-VII-1957. Innen befanden sich sechs handgeschriebene Seiten. Hier ist der Text dieses Berichtes:

In der römischen Prälaturkirche Santa Maria de la Paz, wo der Leichnam des heiligen Josefmaria ruht. Dort liegt auch Carmen Escrivá.

Als Don Alvaro mir sagte, dass die Ärzte meiner Schwester Carmen nicht mehr als zwei Monate zu leben gaben, wurde ich sehr traurig. Carmen stellte für die Ersten und für mich so etwas wie die Zusammenfassung von fünfundzwanzig langen Jahren voller Leiden und Freuden im Opus Dei dar.

Nachdem ich den Willen Gottes unter Tränen angenommen hatte, entschloss ich mich, mit Gott einen Kampf des Gebetes aufzunehmen: Ich betete und ließ andere beten. Und ich weinte weiter bittere Tränen, obwohl ich dachte, dass ich dadurch – wenn man es merkte – schlechtes Beispiel geben könnte. Aber diesen Gedanken verwarf ich sofort wieder, denn wir sind menschliche Wesen, denen Gott ein Herz gegeben hat.

Es vergingen mehrere Tage, in denen ich feststellte, dass Carmen wunderbar darauf vorbereitet war, zum Himmel zu gehen. Sie war völlig gelassen und so verstand ich – und sagte es auch –, dass Gottes Logik nicht unbedingt unserer armseligen menschlichen Logik entsprechen muss.

Es kam der Augenblick, wo meiner Schwester die Krankensalbung gespendet wurde. Danach kam ihr Todeskampf, der fast zwei Tage dauerte, da man ihr Sauerstoff und Injektionen gab. Auch dann noch bat ich auf die Fürsprache von Isidoro um Carmens Heilung, bis ich am Ende langsam und in völliger Übereinstimmung mit dem heiligen Willen Gottes jenes Gebete sagte, das vollkommenen Frieden bringt: Fiat, adimpleatur, ...

Ich war völlig erschöpft, mein Zustand erinnerte mich an den Kampf Jakobs mit dem Engel. Als meine Schwester gestorben war – „jetzt“ sagte José Luis Pastor, ihr Hausarzt, der dabei war –, betete ich ein Responso. Und da die Stunde günstig war, ging ich hinunter in die Kapelle, um die heilige Messe zu feiern.

Als ich sie begann, kam mir während einiger Sekunden der Gedanke, Gott zu bitten, er möge mir ein eindeutiges Zeichen geben, ob meine Schwester – für die die ich Messe an diesem Altar aufopfern würden – bereits in der Glorie des Himmels sei. Als ich mir dieser Bitte bewusst wurde, die ohne meinen Willen in mir aufbrach, wies ich sie zurück und ich glaube, dass ich sogar den Herrn für diesen Gedanken um Verzeihung bat, denn er bedeutete fast Gott zu versuchen.

Ich las weiter die Messe und trat an den Altar, wo alles bis zum ersten Memento normal ablief. Da passierte es, dass ich die Messe nicht für meine soeben verstorbene Schwester, sondern für jemand anderes aufopferte. Ich berichtigte das sofort, um das heilige Opfer für Carmens Seele darzubringen. Dann machte ich normal weiter, bis das Memento für die Verstorbenen kam: und wieder hatte ich, ohne es zu merken, die Messe für ein anderes Anliegen aufgeopfert. Aber ich fügte sofort hinzu: für Carmens Seele. Und da fühlte ich eine große Klarheit, eine unwahrscheinliche Freude und eine grenzenlose Dankbarkeit für Gottes Güte, denn ich verstand mit einer Sicherheit, die nicht rein menschlich zu erklären ist, dass Gott mir in seiner Güte ein „klares Zeichen“ hatte geben wollen, dass Carmen schon in gaudium Domini sui eingetreten war.

Von jenem Augenblick an war ich völlig verändert, ich weinte keine einzige Träne mehr, ich fühlte vielmehr eine geradezu körperliche Freude, von der ich ohne einen Schatten von Zweifel schreiben kann, dass sie aus reinem göttlichem Wohlwollen für diesen elenden Sünder heraus eine Frucht des Heiligen Geist ist.

Jetzt fällt es mir schwer, für die Tote zu beten, aber ich tue es, weil es so in der Kirche üblich ist.

In Rom, 25. Juni 1957

Immer wenn der Gründer in Begleitung seiner Söhne zu Carmens Grab kam, beteten sie zusammen ein Responso für die Verstorbenen des Opus Dei und für die Eltern und Geschwister der bereits verstorbenen Gläubigen des Opus Dei. Oberhalb des Eingangs zur Krypta, wo der Leichnam von Carmen ruht, gibt es eine Gedenktafel, dessen erste Zeile lautet: „Ad perpetuam omnium Operis Dei defunctorum memoriam“. Zur Erinnerung an alle Verstorbenen des Opus Dei.

Weitere Informationen im Buch: Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 3, Adamas Verlag, Köln 2008