Brief des Prälaten (September 2007)

Um das Gute zu verbreiten, muss man nahe bei Christus sein. Die Ausbildung, die diejenigen erhalten, die sich dem Opus Dei nähern und ihre Frömmigkeit sind eine Hilfe, um das Kreuz des Herrn mittragen zu können. Diese Gedanken führt Bischof Echevarria in seinen Brief näher aus.

   Die Kirche – und das Werk als ein lebendiger Teil der Kirche – ist gerufen, das Licht, das sie beständig von Christus empfängt, in der Welt leuchten zu lassen und zu verbreiten. Die Lehre Christi gilt für alle Christen: Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.[1]

„Wenn wir diese Worte Jesu hören, sagt Benedikt XVI., dann können wir, Glieder der Kirche, uns nur bewußt werden, wie unzureichend unser Menschsein, unsere von der Sünde gekennzeichnete conditio humana ist. Die Kirche ist heilig, aber sie wird gebildet von Männern und Frauen mit Grenzen und Irrtümern. Christus, allein er, kann durch das Geschenk des Heiligen Geistes unsere Armseligkeit verwandeln und uns beständig erneuern. Er ist das Licht der Völker, lumen gentium, der die Welt durch seine Kirche hat erleuchten wollen“ (vgl. Dogm. Konst. Lumen gentium, Nr. 1).

Wie wird das geschehen?, fragen auch wir uns mit den Worten, die die selige Jungfrau Maria an den Erzengel Gabriel richtete. Sie selbst, die Mutter Christi und der Kirche, gibt uns die Antwort mit dem Beispiel ihrer gänzlichen Verfügbarkeit für Gottes Willen – fiat mihi secundum verbum tuum (Lk 1, 38). Sie lehrt uns, „Erscheinung“ des Herrn zu sein, indem wir unsere Herzen der Kraft der Gnade öffnen und treu dem Wort ihres Sohnes anhangen, der das Licht der Welt und das endgültige Ziel der Geschichte ist.[2]

Es gibt eine unverzichtbare Bedingung, um das Leben und die Lehre Christi den anderen Menschen nahezubringen – und das tut in unserer Zeit wirklich not: Wir selbst müssen mit noch größerem Eifer unseren Herrn täglich besser kennenlernen, mit ihm Umgang haben und ihn immer mehr lieben. Die Übungen christlicher Frömmigkeit, die in der Kirche schon Tradition sind und die wir im Opus Dei pflegen, haben genau dieses Ziel. Wir wollen sie so gut wie möglich verrichten, sie sollen Frucht einer Entscheidung aus Liebe sein, auch wenn unser Herz manchmal unter Trockenheit leidet oder nicht reagiert.

Wenn jemand sich an die Prälatur wendet, weil er den Wunsch hat, Gott näherzukommen, vermitteln wir ihm nach Möglichkeit eine theologische, geistliche und apostolische Ausbildung. Sie gibt nicht nur seinem Verstand von Anfang an Klarheit in bezug auf die Verkündigung Christi, sondern er erhält Licht und Kraft, um seine Schritte auf den Weg der Nachfolge Jesu zu lenken. Helfen wir den Menschen, die Sakramente zu schätzen, die Eucharistie und die Beichte häufig zu empfangen, persönlich zu beten, Gott als Vater und Maria als Mutter anzusprechen, die Arbeit Gott aufzuopfern, sich der materiellen und geistlichen Bedürfnisse der anderen anzunehmen und diejenigen, mit denen sie in engerer Beziehung stehen, Gott näherzubringen.

Versuchen wir also, täglich den persönlichen Umgang mit Gott Vater, mit Christus, mit dem Heiligen Geist und mit der seligen Jungfrau Maria zu verbessern. Wir, die wir die geistliche Nahrung des Opus Dei empfangen, verleihen dem Frömmigkeitsleben gerne eine besondere Tönung, die sich auch viele andere Menschen zu eigen machen und die das Bewußtsein unserer Gotteskindschaft ausmacht. Wir versuchen, Christus besonders in seinen Jahren der Arbeit und des gewöhnlichen Lebens in Nazaret nachzuahmen; wir fördern in uns die Andacht zum Heiligen Geist, dem Gast im Innersten unserer Seele, der uns anspornt, Christus ähnlich zu werden und Gott Vater zu lieben; wir verehren Maria als Mutter Gottes und unsere Mutter; unsere Beziehung zu ihr ist die kleiner Kinder, die alles von ihrer mütterlichen Güte erwarten; wir suchen den persönlichen Umgang mit den Schutzengeln, die wir als Verbündete in all unseren apostolischen Unternehmungen betrachten; und wir wenden uns vertrauensvoll an den heiligen Josefmaria, unseren geliebten Vater, in dem wir den Geist, den Gott für das Opus Dei gewollt hat, in seiner ganzen Vollkommenheit verwirklicht sehen.

Außerdem wollen wir uns immer dafür einsetzen, der heiligen Kirche nicht nur in Worten, sondern in Tat und Wahrheit [3] zu dienen. Wir beten für den Papst und seine Anliegen und bitten auch andere um Gebet. Wir möchten den Karren in die Richtung ziehen, die der Heilige Vater und die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl vorgeben. Wir erfüllen treu die spezifische Sendung des Opus Dei und arbeiten so ganz direkt an der Erfüllung der großen Aufgabe mit, die der Meister der Kirche anvertraut hat, damit Gottes Wille geschieht: daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen [4].

Wir fühlen uns gedrängt allen Tätigkeiten in den unterschiedlichsten Lebenssituationen mit Entschiedenheit ein apostolisches Siegel aufzudrücken. So leisten wir alle eine fruchtbare Arbeit, auch die, welche ausnahmsweise nicht in der Lage sind, direkt und persönlich apostolisch zu wirken. Aber dieser Weg verlangt – das möchte ich noch einmal wiederholen – die Beziehung zu Gott durch die Ausdrucksformen der Frömmigkeit zu pflegen. Es geht nicht ohne Einsatz und Sorgfalt, daß man die Arbeit gut zu Ende bringt und sie Gott jeden Tag in der heiligen Messe anbietet; man muß die kleinen Abtötungen wichtig nehmen, denn Gott erwartet, daß sie immerzu in unserem Tun und Lassen präsent sind „wie das Schlagen des Herzens [5].

Die Gemeinschaft mit Christus am Kreuz ist unerläßlich, um dieses apostolische Programm treu und optimistisch durchzuhalten. Man kann Jesus nicht nachfolgen, ohne sich selbst zu verleugnen[6], ohne den Geist der Buße zu pflegen, ohne gewohnheitsmäßig konkrete Bußwerke zu verrichten. Vor einigen Monaten wies der Heilige Vater darauf hin, als er die Feier eines Gedenkjahres an den heiligen Paulus ankündigte, seit dessen Geburt zweitausend Jahre vergangen sind: „Die außerordentlichen apostolischen Ergebnisse, die er erreichen konnte, sind also nicht einer glänzenden Rhetorik oder raffinierten apologetischen und missionarischen Strategien zuzuschreiben. Der Erfolg seines Apostolats hängt vor allem mit seinem persönlichen Engagement bei der Verkündigung des Evangeliums und mit seiner totalen Hingabe an Christus zusammen; eine Hingabe, die Gefahren, Schwierigkeiten und Verfolgungen nicht fürchtete: »Denn ich bin gewiß: Weder Tod noch Leben«, schrieb er an die Römer, »weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (8, 38–39). Daraus können wir eine sehr wichtige Lehre für jeden Christen ziehen. Das Handeln der Kirche ist nur in dem Maß glaubhaft und wirksam, in dem alle, die ihr angehören, bereit sind, in jeder Situation für ihre Treue zu Christus persönlich einzustehen. Wo diese Bereitschaft fehlt, wird das entscheidende Argument der Wahrheit, von dem die Kirche selbst abhängt, nicht erfüllt.“[7]

Diese Überlegungen helfen uns, uns auf das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September vorzubereiten. Der heilige Josefmaria richtet unseren Blick auf das große Ziel, durch unsere geheiligte und heiligende Arbeit das Kreuz Christi an der Spitze aller menschlichen Tätigkeiten aufleuchten zu lassen, damit Jesus alles an sich ziehe[8]. Machen wir uns Gedanken über die Dringlichkeit dieser Aufgabe, denn „wie viele Menschen sind auch in unserer Zeit auf der Suche nach Gott, auf der Suche nach Jesus und seiner Kirche, auf der Suche nach dem göttlichen Erbarmen und warten auf ein »Zeichen«, das ihren Sinn und ihr Herz anrühren soll! Der Evangelist erinnert uns heute wie damals daran, daß das einzige »Zeichen« der am Kreuz erhöhte Jesus ist: Jesus, der gestorben und auferstanden ist, ist das Zeichen, das vollkommen genügt. In ihm können wir die Wahrheit des Lebens erfassen und das Heil erlangen. Das ist die zentrale Botschaft der Kirche, die durch die Jahrhunderte hindurch unverändert bleibt. Der christliche Glaube ist daher keine Ideologie, sondern persönliche Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus. Aus dieser persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrung erwächst dann eine neue Weise des Denkens und Handelns: Es beginnt, wie die Heiligen bezeugen, ein Leben, das von der Liebe geprägt ist“.[9]

Ein wichtiger Teil des Aufzeigens Christi in unserem Leben liegt – und diesen Gedanken können wir nicht als bekannt voraussetzen – in der frohen gewohnheitsmäßigen Abtötung und Buße: freiwillig auf Bequemlichkeiten und Genüsse zu verzichten, die, ohne in sich schlecht zu sein, die Gemeinschaft mit Gott trüben oder erschweren könnten. Der maßvolle Gebrauch der materiellen Güter, ohne sich in ihren Netzen fangen zu lassen, ist von grundlegender Bedeutung für die Gemeinschaft mit Christus und die apostolische Aktivität.

Vor vielen Jahren schrieb unser Gründer, daß „die Menschen von uns, den Kindern Gottes in seinem Werk diesen bonus odor Christi erwarten, der sie, gestützt auf unsere Mäßigkeit, entzündet und mitreißt“ [10]. Wenn wir hingegen der Ansteckungsgefahr durch die Verweltlichung erliegen, wenn wir dächten, daß es unmöglich ist, die fordernde Atmosphäre Christi mit uns zu tragen und gegen den Strom zu schwimmen, dann könnten wir den anderen nicht helfen, das große Glück der Freundschaft mit Christus zu finden. Unglücklicherweise überwiegt fast überall eine verweltlichte Haltung. Es ist daher nötig, die Menschen einzuladen, die reine Luft der Nähe zu Gott zu atmen, und das als erstes mit dem Beispiel zu tun. Dazu gehört notwendig die Mäßigkeit des Herzens und der Sinne: Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen[11]; in der festen Überzeugung, daß man nur so diese unsere Welt leidenschaftlich lieben kann.

Wie groß ist die Verantwortung der Christen! Betrachten wir noch einmal, was der heilige Josefmaria im Weg schrieb: „Davon, daß du und ich so handeln, wie Gott will, hängen viele große Dinge ab. Vergiß das nicht.[12]

Hört nicht auf, für den Heiligen Vater und seine Anliegen zu beten. Bittet Gott, er möge seinem Dienst an der Kirche Fruchtbarkeit verleihen, so daß alle Katholiken – Hirten wie Gläubige – seine Lehren von Herzen annehmen und sie in die Tat umsetzen. Und verbindet Euch auch mit meinen Anliegen. Verzeiht, daß ich darauf bestehe, aber ich brauche jede und jeden von Euch wirklich. Unser Vater sagte häufig: alles ist getan und alles bleibt zu tun; aus diesem Grund suche ich Eure Mitarbeit, damit ich diese Herausforderung des Apostolates bestehe, die darin liegt, allen Menschen zu verkünden, daß Christus jeden von ihnen ruft.

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[1] Mt 5, 14–16

[2] Benedikt XVI., Predigt, 6.1.2006

[3] 1 Joh 3, 18

[4] 1 Tim 2, 4

[5] Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 518

[6] Vgl. Lk 9, 23

[7] Benedikt XVI., Predigt in St. Paul vor den Mauern, 28.6.2007

[8] Vgl. Joh 12, 32

[9] Benedikt XVI., Predigt, 26.3.2006

[10] Hl. Josefmaria, Instruktion, Mai 1935/14.9.1950, Nr. 65

[11] Mt 5, 8

[12] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 755