Wirtschaftsinformatiker Professor Schoder über das „Web 2.0“

Wer als einziger auf der Welt Mickey-Mouse-Turnschuhe haben will, wird sie eines Tages bekommen – Vortrag im Studentenzentrum Schweidt

Die ganze Welt „tippt im Internet herum“, ist „vernetzt“, stellt ihre „Daten“ – auch die ganz persönlichen – ins „Netz“, um „verlinkt“ und erreichbar zu sein. Wir leben in einer Welt, die sich „virtuell präsentiert“. Längst haben wir ein Gefühl für diese „virtuelle Präsenz“, ohne die man nicht mehr „funktionieren“ kann. Dies gilt nicht nur für Topmanager, sondern bereits für jeden Studenten.

Darin waren die fächerbezogen bunt gemischten Zuhörer einig mit dem Vortrag von Prof. Detlef Schoder im Internationalen Studentenzentrum Schweidt www.schweidt.de. Doch schon bei der Eingangsfrage, was WEB 2.0 ist, sah man so manche überraschte Gesichter. „Der Begriff Web 2.0 ist eigentlich unglücklich gewählt“, begann der Wirtschaftsmathematiker an der Universität zu Köln, „da er eine technische Innovation suggeriert, die es gegenüber dem bereits vorhandenen Web gar nicht gibt.“

Das Neue daran sei, dass der Kunde in den Produktionsprozess aktiv eingebunden wird. Er bestimme, wie es aussieht: das Produkt, das er kaufen, die Zeitung, die er jeden Tag zugestellt bekommen oder das Rundfunkprogramm, das er hören möchte. So werde das bisherige „kalte“ statische Anbieternetz zu einem „social net“. Nach Schoder fanden Außenseiter-Freaks, die eine schrullige Ware anbieten, aber auf ihrem Gebiet echte Highlights präsentieren, bislang keinen Absatz, weil sie die ebenfalls freakigen und naturgemäß wenigen Abnehmer einfach nicht fanden. Doch nun finden beide im „Sozialnetz“ zueinander. Dort verkaufen und kaufen sie ihre Ware „internetorganisiert“. Man wird zum Verkäufer seiner eigenen Expertise.

Professor Schoder beschreibt das Web 2.0“ als eine Gemeinschaft, die sich einspielt, die „Konfigurator“ wird. „Der Kunde bastelt sich sein ganz persönliches Shampoo zusammen und wird zum Co-Schöpfer“, wie Schoder begeistert zu vermitteln verstand. „Und haben Sie schon einmal darauf geachtet, was auf Tuben von Selbstbräunungs-Cremes steht? Da ist zu lesen: ‚Airbrushpistolengeeignet’. Das kommt daher“, erklärte der Professor der erstaunten Runde, „dass man sich diese Cremes per Sprühbürste aufträgt“. Und das habe die Industrie erst von den Cremeverbrauchern erfahren. Ohne diese dynamisch eingespielte „Kundeninfomation“ wüsste der Hersteller nichts davon. So aber kann er sein Mittel noch kundenfreundlicher anbieten. Das Web 2.0 wird dazu führen, so Schoder, dass die „community“ immer mehr zum Mitgestalter bei der Entwicklung des Produktes wird.

Dazu brachte Detlef Schoder als konkretes Beispiel aus einem eigenen Forschungsprojekt eine künftige, durch den Leser selbst zusammengestellte, auf ihn zugeschnittene Zeitung, die er – wie jetzt seine gewohnte Zeitung auch – jeden Tag vor dem Morgenkaffee zugestellt bekommen werde. Doch informiere ihn seine individuelle Zeitung ausschließlich zu Themenbereichen, die ihn interessieren. „News aggregation“ lauteder Fachbegriff dafür.

Über die Frage, ob die Community dafür schon aufgeschlossen ist, ließ Schoder die Zuhörer abstimmen. Die Mehrheit hielt das Projekt für erfolgversprechend. Der Experte nicht ohne Schmunzeln: „Bei diesem Ergebnis würde ich mein Programm gleich hier in Schweidt anfangen.“ Bei anderen Testgruppen falle das Ergebnis nämlich weniger gut aus, da sein man skeptischer. Über den Erfolg entscheide jedoch der Markt.

Zweierlei wurde bei dem Vortrag klar: Web 2.0 hat mehr mit sozialer als mit technischer Innovation zu tun, und der Kunde ist dabei nicht nur König, sondern Mitdesigner. Wenn er – nur dieser eine Kunde und sonst keiner auf der Welt – nun einmal Mickey-Mouse-Turnschuhe haben will, wird er sie eines Tages tatsächlich bekommen können.

von Stephan Patt