Der heilige Nikolaus stellt den Christen Gottes Großmut vor Augen

Über den heiligen Nikolaus ist nur wenig Gesichertes bekannt: Er war im 4. Jahrhundert Bischof von Myra, einer Stadt im Süden der heutigen Türkei. Seine Gebeine wurden 1087 nach Bari in Italien gebracht. Eine Lebensbeschreibung aus dem 9. Jahrhundert nennt sein Fest am 6. Dezember eine „würdige Vorbereitung auf Weihnachten“. Das meiste über ihn ist aus Legenden bekannt, seine Verehrung im Abendland wurde durch Kaiserin Theophanu und die Heilig-Land-Pilger verbreitet, wie Josef Arquer schreibt:

Byzantinische Ikone des hl. Nikolaus

„Die Ausbreitung seiner Verehrung im Westen ist vor allem durch Kaiserin Theophanu, Gemahlin Ottos II. und Mutter Ottos III. gefördert worden. Diese außergewöhnliche Frau hatte als zwölfjähriges Mädchen den Kaiserhof der damals größten, reichsten und schönsten Stadt der christlichen Welt verlassen. (…) … in der Verehrung des heiligen Nikolaus wird sie Trost und Erinnerung an die geliebte Heimat gefunden haben.“

„Neben Theophanu – sie starb dreißigjährig 991 und wurde in der von ihr vollendeten Kirche Sankt Pantaleon in Köln begraben – war für die Ausbreitung der Nikolausverehrung im Westen das Jahr 1087 entscheidend, als man die Gebeine des Heiligen von Myra, das seit 1071 islamisch besetzt war, nach Bari entführte. Die italienische Hafenstadt wurde zu einer der berühmtesten mittelalterlichen Pilgerstätten nach Santiago di Compostela, Rom und Jerusalem; vor allem die Jerusalempilger, die von Bari aus die Überfahrt ins Heilige Land antraten, trugen zur Verbreitung seiner Verehrung bei.“ (…)

„Die Legenden, die sich um Sankt Nikolaus und sein Leben ranken, spiegeln in der Gestalt dieses Bischofs das Erbarmen Gottes wider, von dem jede gute Gabe kommt (vgl. Jak 1,17). Nikolaus erscheint da, wo er gebraucht wird; er greift ein, wenn Unrecht geschieht; er hilft und rettet. Auch Legenden taugen zum Gebet, wenn wir sie zu deuten verstehen. Die Nikolauslegenden schildern Wohltaten des Heiligen – wenn man von der abstrusen Angabe absieht, er habe als Säugling mittwochs und freitags die Mutterbrust nur einmal genommen. Nikolaus wird als Bischof dargestellt, mit Mitra und Stab; er trägt oft das Evangelienbuch und darauf drei goldene Kugeln und drei Brote. Häufig stehen zu seinen Füßen drei Knaben, die aus einem Bottich steigen. (möglicherweise drei unschuldig zum Tode verurteilte Feldherren, denen Nikolaus zu Hilfe kam, vgl. S. Metken, Sankt Nikolaus in Kunst und Volksbrauch, S. 33)“

„Die drei goldenen Kugeln verweisen auf die Geschichte des verarmten Bürgers, der aus Not seine drei Töchter an ein Bordell verdingen will; der Heilige wirft heimlich in drei Nächten je einen Barren Gold durchs Fenster, so dass sich jede Tochter die für eine Heirat nötige Mitgift zulegen kann. Die drei Brote verweisen auf ein Kornwunder. Zur Zeit einer Hungersnot in Myra lagen im Hafen Schiffe vor Anker, die Getreide nach Konstantinopel brachten. Nikolaus erbat vom Kapitän, einen Teil der Fracht dort zu entladen, und sicherte ihm zu, dass bei der Ablieferung nichts fehlen würde.“

„Der heilige Nikolaus ist »ein milder, aber von unermüdlicher Tatkraft erfüllter Mann; ein großartiges Bild Christi war dieser Bischof, der den wahren Glauben verteidigt, die Gerechtigkeit geliebt, die Armen und die Witwen geschützt hat« (vgl. Johannes Paul II., Predigt in Bari). Er hilft großzügig, unauffällig, unaufgefordert. Er erinnert uns an die grundlegende christliche Pflicht der Wohltätigkeit. Wie leben wir sie? Sehen wir die Not des Nächsten? Der Reiche aus dem Gleichnis »wurde verdammt, weil er den anderen missachtete. Weil er es verabsäumte, von Lazarus Notiz zu nehmen, dem Mann, der vor seiner Tür saß und gerne gegessen hätte, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.«

„Für die Urchristen war die Wohltätigkeit ein selbstverständliches Zeichen, dass sie zusammengehörten. (…) Der Gedenktag des heiligen Nikolaus erinnert uns an die Tradition der urchristlichen Wohltätigkeit. Es gehört zur ältesten Lehre und Praxis der Kirche die Überzeugung, dass sie selbst, ihre Amtsträger und jedes ihrer Glieder durch ihre Berufung dazu angehalten sind, das Elend der Leidenden, ob nah oder fern nicht nur aus dem Überfluss, sondern auch aus dem Notwendigen zu lindern.“

„Gott lässt sich an Großzügigkeit nicht übertreffen. Er belohnt den, der es versteht, seine Gaben – Zeit, Zuwendung oder materielle Güter – weiterzugeben: „Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten. (2 Kor 9,6)“ „Wer gibt, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang“ (2 Kor 9,7), erfährt seine Freigebigkeit als Wohltat für sich selbst. Mitte des dritten Jahrhunderts nennt der Kirchenvater Cyprian von Karthago die Wohltätigkeit »ein Bollwerk der Hoffnung, einen Schutz des Glaubens, ein Heilmittel gegen die Sünde; ( ... ) ein Gottesdienst, mit dessen Hilfe der Christ die geistliche Gnade erlangt, mit dem er Christus als huldvollen Richter gewinnt und Gott zu seinem Schuldner macht.« (vgl. Cyprian, Über gute Werke und Almosen, 26)

„Ein letzter Blick auf die Legende. Nikolaus habe mehrfach Seeleuten in Not geholfen, den rettenden Hafen zu erreichen. Schließen wir uns dem Gebet aus einem alten liturgischen Hymnus an, in dem der „sichere Hafen“ ins Geistliche übertragen wird: „O beate Nicolae, nos ad portum coeli trahe -heiliger Nikolaus, geleite uns in den himmlischen Hafen!“

Auszüge aus Josef Arquer: Meditationen für jeden Tag, Bd 11, Herren und Heiligenfeste II, Adamas Verlag 1999, S. 447