Christsein ist Lichtsein unter den Menschen (Teil III)

Mit der Geburt Jesu kam das Licht zu den Menschen. Diese Weihnachtsbotschaft erläutert Johannes Vilar im dritten Teil seiner Weihnachtsbesinnung.

Jesus, der menschgewordene Logos, ist also das Licht. Die Kirche schaut auf ihn und betet:

»Du Abglanz von des Vaters Pracht,

du bringst aus Licht das Licht hervor,

du Licht vom Licht, des Lichtes Quell,

du Tag, der unser Tag erhellt.«1

Wenn Jesus, wie gesagt, der Retter ist, bringt seine Präsenz unter den Menschen – sein Licht – notwendigerweise Konsequenzen für die Einstellung zum Leben, wie Paulus deutet: Alles Erleuchtete ist Licht. Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein (Eph 5, 14; vgl. Jes 60, 1-3). Am 25. Dezember betet die Kirche: »Dein ewiges Wort ist Fleisch geworden, um uns mit dem Glanz deines Lichtes zu erfüllen. Gib, dass in unseren Werken wiederstrahlt, was durch den Glauben in unserem Herzen leuchtet.«2 Den letzten Teil seiner eben zitierten Weihnachtspredigt widmet Benedikt XVI. dem Zuhörer, um zu einer aktiven Haltung anzuspornen: »Mit Ihm erhellt ›ein großes Licht‹ den Horizont der Menschheit; mit Ihm beginnt ›ein heiliger Tag‹, der keinen Untergang kennt. Dieses Weihnachten möge wirklich für alle ein Tag der Freude, der Hoffnung und des Friedens sein! (...) Dies ist mein Wunsch für euch, die ihr mich hört. Ein Wunsch, der zu einem demütigen und vertrauensvollen Gebet zum Jesuskind wird, damit sein Licht alle Finsternis aus eurem Leben vertreibe und euch mit Liebe und Frieden erfülle.«

Weihnachten ist tatsächlich eine Botschaft der Freude und des Friedens und der Versöhnung. Plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Herrlichkeit Gott in der Höhe und auf Erden Friede bei den Menschen seines Wohlgefallens (Lk 2, 13f).3 Am Weihnachtstag betet die Kirche: »Das Heer der Engel freut sich, weil dem Menschengeschlecht das ewige Heil erschienen ist.«4

Frieden auf Erden. Hier präzisiert Papst Benedikt: »Nur das ›große‹ Licht, das in Christus erschienen ist, kann den Menschen den ›wahren‹ Frieden schenken: Das ist der Grund, warum jede Generation gerufen ist, es aufzunehmen, den Gott aufzunehmen, der in Betlehem einer von uns wurde.«5 Der Sinn jedes Geschöpfs (Lebewesen oder nicht) ist, die Herrlichkeit Gottes zu preisen. Wenn der Mensch sich diesen Sinn zu eigen macht, dann ist er mit dem Glück und dem Frieden Gottes erfüllt. Es ist eine Freude und ein Friede im Herrn.

Die Freude am Herrn ist eure Stärke

Als das Buch des Gesetzes wiedergefunden und dem Volk vorgelesen wurde (Jahr 445, Folge des Dekrets von Artaxerxes), weinte das ganze Volk. Dabei wird berichtet: Der Statthalter Nehemia, der Priester und Schriftgelehrte Esra und die Leviten, die das Volk unterwiesen, sagten dann zum ganzen Volk: Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren des Herrn, eures Gottes. Seid nicht traurig, und weint nicht! Alle Leute weinten nämlich, als sie die Worte des Gesetzes hörten. Dann sagte Esra zu ihnen: Nun geht, haltet ein festliches Mahl, und trinkt süßen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke (Neh 8, 9f). Und die Geburt des Herrn bringt eine überaus große Freude (vgl. Lk 2, 10; Mt 2, 10).

Was bedeutet „dauernd mit Jesus verbunden“?

Wie ist diese dauernde Verbundenheit mit dem Herrn auf kontemplative Art zu verstehen? Vielleicht kann ein Kommentar von Heinrich Schlier zum Text: Freut euch im Herrn allezeit! (Phil 4, 4) eine Unterscheidungshilfe liefern: »Diese geheimnisvolle siegreiche Freude ist die Freude ›im Herrn‹. Es ist schwer zu sagen, was das ›im Herrn‹ hier und sonst meint. Es ist nicht nur die Freude am Herrn gemeint und die Freude über den Herrn, das gewiss auch. Sondern es ist auch die Freude dessen gemeint, der seinen Lebensort ›im Herrn‹ hat, der in des Herrn persönlichem Machtbereich und in seinem Geist Fuß gefaßt hat, der in seinem Einflussbereich, unter seiner Herrschaft und unter seinem Schutz steht, der von der Erfahrung seines Erbarmens und seiner Hingabe lebt.«6 Der Friede und die Freude im Herrn sind bleibende Gabe Gottes, ein Werk des Heiligen Geistes. Am letzten Abendmahl sagte Jesus: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch (Joh 14, 27). Und noch in demselben Abendmahl: So seid auch ihr jetzt bekümmert, aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen, und niemand nimmt eure Freude weg von euch (Joh 16, 22).

Das gilt für alle Menschen, denn in Jesus Christus wird der Sinn des Menschseins enthüllt. Johannes Paul II. zeigte die Tragweite der Menschwerdung Gottes: »Christus steht in der Tat nicht nur im Zentrum der Kirchengeschichte, sondern auch der Menschheitsgeschichte. (...) In ihm, dem fleischgewordenen Wort, klärt sich nämlich nicht nur das Geheimnis Gottes auf, sondern das Geheimnis des Menschen selbst. In ihm findet der Mensch Erlösung und Vollendung.«7 Auch im Alten Testament, Gott hatte sich ein Volk erwählt, aber dadurch band er sich seine Hände nicht. Auffallend ist der Bericht Jesaja über das Heil Israel durch den Perserkönig Kyrus: So spricht der Herr zu Kyrus, seinem Gesalbten ... (vgl. Jes 45, 1-8.13).8

Wer Christus annimmt, steht in seiner Freude und in seinem Frieden. Wenn das so ist, wie kann man das Glück von der beschreiben, zu der gesagt wurde: Selig ist die, die geglaubt hat ... und sie antwortete: Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter (Lk 1, 45.47)? So ruft die Kirche zu Maria: »O Himmelskönigin, frohlocke!«9 Unter dem Titel Weihnacht schreibt Gertrud von le Fort († 1971): »Freue dich, Jungfrau Maria, Tochter meiner Erde, Schwester meiner Seele, freue dich, du Freude meiner Freude! Ich bin eine Wanderin durch die Nächte, aber du bist ein Haus unter Sternen! (...) Freue dich, Jungfrau Maria, Flügel meiner Erde, Krone meiner Seele, freue dich, du Freude meiner Freude«10

1 Stundenbuch, Advent & Weihnachtszeit, Hymnus zu den Laudes.

2 Gebet der 2. Messe (in aurora) und zu den Laudes. – Dafür ist eine persönliche Beschäftigung mit der Person Jesu Christi und mit seinem Wirken unerlässlich. Über die Texte der heiligen Schrift hinaus kann die Lektüre einer Beschreibung seines Lebens sehr einleuchtend sein, z. B. Guardini, Romano: Der Herr. Matthias-Grünewald-Verlag (Mainz) – Ferdinand Schöningh (Paderborn) 1997; Berger, Klaus: Jesus. Pattloch, München 2004; Ratzinger, Joseph – Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Herder, Freiburg 2007, 2011 und 2012. Hilfreich sind auch u. a.: Daniel-Rops, Henri: Jesus – Der Heiland in seiner Zeit. Abendländische Verlagsanstalt, Freiburg-München-Innsbruck 1951; Vezin, August: Das Evangelium Jesu Christi. Herder, Freiburg, 4. Aufl. 1958; Lagrange, Marie-Joseph: Das Evangelium von Jesus Christus. Kerle, Heidelberg 1949.

3 Diese doppelte Aussage der Engel leidet unter sehr verschiedenen Übersetzungen. Auch Benedikt XVI. setzt sich damit auseinander in seinem Buch Jesus von Nazareth (Prolog, 82–85). Übrigens macht Benedikt dort darauf aufmerksam, dass Lukas nicht schreibt, dass die Engel dabei singen, sondern sprechen (in Lk 2, 13 steht legónton). Ebd. 82.

4 25. Dezember, Lesehore, Responsorium nach der 1. Lesung. – Papst Leo I. († 461) verkündigte: »Die Engel sehen, wie aus allen Völkern der Erde das himmlische Jerusalem erbaut wird.« Sermo (in Nativitate Domini nostri Jesu Christi) 21, cap. 2. PL 54, 192. – Vgl. Offb 21, 9 – 22, 5; Jes 60, 19f.

5 Predigt an Weihnachten 2007. Genau ein Jahr später sagte er: »Er ›kommt‹. Und so wacht das Herz der Menschen auf. Das neue Lied der Engel wird zum Lied der Menschen, die alle Jahrhunderte hindurch in immer neuer Weise die Ankunft Gottes als Kind besingen und von innen her froh werden.« – Wir Menschen können ihn in Freiheit annehmen oder nicht, denn Johannes schrieb: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf (Joh 1, 11). Über diesen Text reflektierend, schrieb auch Papst Benedikt: »Für den Retter der Welt, für den, auf den hin alles geschaffen ist (vgl. Kol 1, 16), ist kein Platz da. (...) Das mag uns nachdenklich machen, hinweisen auf die Umkehrung der Werte, die in der Gestalt Jesu Christi, in seiner Botschaft liegt.« Jesus von Nazareth, Prolog, 76; vgl. seine Äußerung auf die Frage: Was hat Jesus eigentlich gebracht? Ebd. 62. – Für diejenigen, die zu ihm ja sagen, gilt: Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben (Joh 1, 12).

6 Der Herr ist nahe – Adventsbetrachtungen. Herder, Freiburg, 2. Aufl. 1975, 52

7 Apost. Schr. Mane nobiscum Domine, 7.10.2004, dt.: VdAS 167, Bonn 2004. – Vgl. Konst. Gaudium et spes, Nr. 22 des 2. Vatikanischen Konzils

8 Hieronymus macht darauf aufmerksam in seiner Auslegung zum Buch Jesaja. Commentariorum in Isaiam Prophetam, Lib. 12, cap 45, 1/7. CCL 73A 505ff.

9 Regina caeli. GL 666,3. Frohlocke! ist der Gruß Gabriels an Maria: Chaîre! Juble, Jauchze, Freue dich (Lk 1, 28).

10 Hymnen an die Kirche. Ehrenwirth, München, 7. Aufl. 1961, 42