Betrachtungstext: Ostersonntag

Die Auferstehung entfacht das Leben der heiligen Frauen von neuem – Petrus und Johannes laufen zum Grab – An der Seite Mariens in der Osterfreude

ES WIRD TAG in Jerusalem. Dunkelheit herrschte ringsum, bis die Sonne die Mauern, den Tempel und die Türme der Festung anzuleuchten begann. Maria Magdalena und andere Frauen sind in Richtung Nordwesten der Stadt, zum Kalvarienberg unterwegs. Die Straßen sind leer. Sie haben den Eindruck, der Tod Jesu habe die Welt für immer verfinstert: Nie mehr wird die Sonne so scheinen wie früher, als der Meister noch bei ihnen war. Doch weder das fehlende Licht noch die vom Hohen Rat aufgestellte Wache noch die Tatsache, dass Christus bereits seit drei Tagen tot ist, spielt für sie eine Rolle. Sie wissen noch nicht, wer ihnen den Stein wegrollen wird, der das Grab verschließt, doch sie sind nicht bereit, zu Hause sitzen zu bleiben. Sie kommen an den Gassen und Plätzen vorbei, durch die Jesus gegangen ist; ihr Herz erzittert erneut, doch sie geben der Angst nicht nach.

„Mich rührt der Glaube dieser Frauen“, sagte der heilige Josefmaria, „und er ruft mir so viel Gutes von meiner Mutter in Erinnerung, wie ihr euch auch an viel Großartiges von euren Müttern erinnern werdet … Jene Frauen wussten von den Soldaten, sie wussten, dass das Grab vollständig verschlossen war; doch sie setzen ihr Geld ein und gehen bei Tagesanbruch hin, um den Leichnam des Herrn zu salben ... Da gehört Mut dazu! (...). Als sie zum Grab kamen, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war (Mk 16,4). Es ist immer so. Wenn wir uns entschließen, das zu tun, was wir zu tun haben, lassen sich die Schwierigkeiten leicht überwinden.1

Wir wollen um diese Liebe zu Jesus bitten, die stärker ist als das schreckliche Leid der Passion. In den Herzen dieser Frauen ist das von Christus entzündete Feuer noch nicht ganz erloschen. Sie waren früh aufgestanden, und es war nicht umsonst gewesen. Gott kann einer solchen Liebe nicht widerstehen. Er gibt ihnen die beste aller Nachrichten und schlägt die Seite auf, die die Erfüllung aller Prophezeiungen enthält: „Ich bin erstanden und bin immer bei dir.“ Diese den Psalmen entlehnten Worte (vgl. Ps 139,18), mit welchen die Liturgie des Ostertages anhebt, richtet Jesus, so predigte Papst Benedikt, nun auch an „jeden von uns. Meine Hand hält dich. Wohin du auch fällst, du fällst in meine Hände hinein. Auch an der Tür des Todes bin ich da. Dort, wo niemand mehr mit dir gehen kann und wohin du nichts mitnehmen kannst, warte ich auf dich und mache dir die Finsternis zu Licht.“2


DIE FRAUEN eilen freudig, wenn auch noch etwas aufgelöst, zum Abendmahlssaal, um den Aposteln zu berichten, was sie gesehen haben. Diesen scheint verrückt, was sie aus dem Mund dieser Frauen vernehmen, die außer Atem angelaufen kommen und deren Worte sich mit Tränen und Freudenbekundungen vermischen. Auch wenn sie von dem, was sie hören, nicht überzeugt sind, wollen Petrus und Johannes über ihren Meister genau informiert sein, und so machen sie sich auf den Weg: Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab (Joh 12,4). Wir wollen mit ihnen laufen und Johannes sogar noch schlagen. Was ist, wenn das, was die Frauen sagen, wahr ist? Was ist, wenn Jesus getan hat, was er versprochen hat? Während sie durch die Straßen eilen und der Tag anbricht, wächst die Hoffnung in den Herzen dieser zwei Apostel.

Richten wir mit Papst Franziskus unseren Blick kurz auf den heiligen Petrus, der „nicht sitzen blieb, um zu überlegen, er blieb nicht im Haus eingeschlossen wie die anderen. Er ließ sich nicht von der dumpfen Atmosphäre jener Tage gefangen nehmen, noch von seinen Zweifeln überwältigen; er ließ sich nicht von seinen Gewissensbissen, der Angst und dem ständigen Gerede, das zu nichts führt, in Beschlag nehmen. Er suchte Jesus, nicht sich selbst. (...). Dies war der Beginn der ,Auferstehung‘ des Petrus, die Auferstehung seines Herzens. Er wich nicht der Traurigkeit und der Finsternis, sondern gab der Stimme der Hoffnung Raum: Er ließ zu, dass Gottes Licht in sein Herz eintrat, und unterdrückte es nicht.“3

Auch wenn wir Jesus wie Petrus einmal verleugnet haben, wollen wir ihm wieder nahe sein: „Es ist Zeit, uns zu erneuern, meine Kinder“, sagte der heilige Josefmaria. „Heiligkeit ist das: jeden Tag neu geboren zu werden, jeden Tag neu zu beginnen. Mach dir keine Sorgen über deine Fehler, wenn du den guten Willen hast, neu anzufangen ... Alle diese Armseligkeiten, diese Hindernisse, die deinen Lauf hemmen: Leg sie Jesus Christus zu Füßen, damit er triumphiert – und du mit ihm! Mach dir keine Sorgen, berichtige dein Verhalten, beginn von vorne, versuch es immer wieder, und am Ende wird dir der Herr, wenn du nicht kannst, helfen, die Hürde zu überspringen, die Hürde der Heiligkeit. Auch das ist eine Möglichkeit, sich zu erneuern, eine Möglichkeit, sich zu überwinden: täglich eine Auferstehung, die die Sicherheit darstellt, dass wir zum Ziel unseres Weges gelangen, das die Liebe ist.“4


MARIA, die Mutter Jesu, ist heute Morgen nicht zum Grab gegangen. Sie ist zu Hause geblieben und lächelt vielleicht innerlich. Niemand außer ihr hat den Plan von Gott Vater jemals wirklich akzeptieren können; die anderen hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er er von den Toten auferstehen müsse (Joh 20,9). Maria war es gewohnt, die Worte Jesu in ihrem Herzen zu bewahren: Seit jenem schmerzreichen Freitag suchte sie sich auf all das Wunderbare zu besinnen, das Jesus gesagt und getan hatte. Möglicherweise brachen die geheimnisvollen Worte Jesu über die Auferstehung am dritten Tag in ihrem Herzen auf. Es gab nichts mehr, mit dem ihr Sohn sie noch überraschen konnte.

Der Karfreitag und die Auferstehung Jesu geben unserem Leben auch nach mehr als zweitausend Jahren Kraft und Sinn. Deshalb, so sagte der heilige Josefmaria, „haben alle Dinge dieser Erde die Bedeutung, die wir ihnen geben wollen. Nichts, was hier auf Erden geschieht, wird uns erschüttern, wenn wir in Gott geborgen sind. Wenn wir, aufgrund unserer Schwachheit und unserer Irrtümer, diesen Kleinigkeiten Bedeutung beimessen und darunter leiden, dann weil wir es wollen. Wenn wir uns eng an den Herrn halten, sind wir sicher. Wenn wir mit dem Kreuz Christi, mit der Herrlichkeit der Auferstehung und dem Feuer des Pfingstfestes vereint sind, dann lässt sich alles überwinden.“5

Der heilige Josefmaria wusste sich der Gottesmutter gerne sehr nahe, vor allem in der Osterfreude, „immer sicher durch den Sieg der Auferstehung“6. Unsere Mutter ist heilig und stolz auf ihre neugeborenen, durch Ostern erneuerten Kinder. Sooft wir das Regina Coeli beten, werden wir ihr ein Lächeln entlocken. „Freue dich, Jungfrau Maria“, werden wir zu ihr sagen und uns dieser Freude anschließen, weil wir wissen, dass Jesus für immer bei uns geblieben ist.


1 Hl. Josefmaria, Betrachtung, 29.3.1959.

2 Benedikt XVI., Predigt, 7.4.2007.

3 Franziskus, Predigt, 26.3.2016.

4 Hl. Josefmaria, Betrachtung, 29.3.1959.

5 Ebd.

6 Ebd.