Rezension: Josemaría Escrivá; Profile einer Gründergestalt

Die vorliegende Rezension des Buches "Josemaría Escrivá, Profile einer Gründergestalt" wird auch die Leser dieser Website interessieren, da auf ihr mehrere Kapitel des Buches zu lesen sind.

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Aus Anlaß des 100. Geburtstages von Josemaría Escrivá gab César Ortíz, langjähriger Mitarbeiter Escrivás, vorliegenden Band heraus, um Person und Wirken des Gründers des Opus Dei zu würdigen. Die 31 Beiträge (drei davon – Berglar, Puhl, Inciarte – posthume Veröffentlichungen) würdigen den Einfluß, den Escrivá, der noch im Jahr des Jubiläums, am 6. Oktober 2002, von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen werden sollte, auf sie persönlich gehabt hat – sei es durch unmittelbare Begegnungen mit ihm, sei es durch Lektüre und Studium seiner Werke, oder aber durch Auseinandersetzung mit der Spiritualität des Opus Dei und dem Wirken seiner Mitglieder. Dementsprechend ist der Charakter der Beiträge recht unterschiedlich: Es kommen Kardinäle, Bischöfe und Priester ebenso zu Wort wie Professoren und Politiker, Hausfrauen und Ärzte.

Eingeleitet wird der Band mit einem kurzen Vorwort des Herausgebers (S. 9- 10); die Beiträge gliedern sich sodann in vier Abschnitte: I. Person und Botschaft – II. Berufen zur Heiligkeit – III. Die Welt als Abenteuer – IV. Zeugnisse.

Im ersten Teil – “Person und Botschaft” – findet sich zu Beginn ein Beitrag aus der Feder von Bischof Javier Echevarría, dem derzeitigen Prälaten des Opus Dei (“Auf Europas Straßen. Apostolische Reisen des Opus-Dei-Gründers”, S. 13-26). Echevarría darf als der kompetenteste lebende Zeitzeuge für das Leben des hl. Josemaría gelten, da er über Jahrzehnte mit ihm zusammengearbeitet hat und von 1953 bis 1975, dem Todesjahr des Heiligen, sein Sekretär war. In seinen Ausführungen schildert er anschaulich drei Reisen, auf denen er 1949 und 1955 Josemaría Escrivá nach Zentraleuropa begleitet hatte, und zeigt dabei exemplarisch auf, worum es dem Heiligen bei diesen und anderen Reisen ging: durch intensives Gebet – häufig auch mit einer Wallfahrt zu einem Marienheiligtum – das Apostolat seiner Söhne und Töchter in den verschiedenen Ländern vorzubereiten; in Kontakt mit Vertretern des Episkopats zu treten, da ihm bei der Verwirklichung des Opus Dei an enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Bischöfen gelegen war; und nicht zuletzt den Mitgliedern des Werkes durch seine Anwesenheit Ermunterung und Orientierung zuteil werden zu lassen, was diese in den oft schwierigen Anfangsjahren mit großer Dankbarkeit aufgenommen haben.

Joachim Kardinal Meisner (“Das Charisma des Opus Dei in der Kirche auf dem Hintergrund des Mysteriums der Menschwerdung”, S. 27-38) findet in der Christuszentriertheit der Spiritualität Escrivás den Ausgangspunkt, der sich dann für den Heiligen und seine geistlichen Töchter und Söhne in einer großen Liebe zur Eucharistie und zu den übrigen Sakramenten, der Verbundenheit mit der Kirche und der Verehrung der Gottesmutter ausdrückt und zu einem Weg der Heiligkeit konkretisiert, in dem natürliches und übernatürliches Leben im Alltag zu einer beeindruckenden Einheit verbunden werden.

Johannes B. Torelló (“‘Aus Liebe verrückt’”, S. 39-55) macht deutlich, daß Josemaría Escrivá, obwohl er als Wegbereiter der Heiligung des Alltags in die Kirchengeschichte eingeht, in seinem Leben nicht selten durch ein ihn überwältigendes Eingreifen der göttlichen Gnade zu “Verrücktheiten“ der Liebe hingerissen wurde, wie der Autor anhand tief empfundener Aussagen und liebenswerter Begebenheiten zeigt.

Der Beitrag von Leo Kardinal Scheffczyk (“Die Gnade in der Spiritualität von Josemaría Escrivá”, S. 57-80) verdient unter mancherlei Hinsicht besondere Aufmerksamkeit. Wie bekannt, hat der Gründer des Opus Dei keine systematischen theologischen Traktate hinterlassen, aus denen sich leicht eine Gnadenlehre ablesen ließe. Scheffczyk gelingt es dennoch, in einer methodisch interessanten und überzeugenden Analyse der spirituellen Texte des Heiligen – vor allem der Aphorismenbände und der bislang veröffentlichten Homilien – das Fundament einer Gnadentheologie aufzuzeigen, die der klassischen katholischen Doktrin verpflichtet ist, wobei es Escrivá zugleich versteht, deren komplexe Zusammenhänge in einer “lebendig-bewegten und die Menschen bewegenden Rede” ins Heute zu übersetzen. In ähnlicher Weise analysieren die folgenden Beträge die allgemeine Berufung zur Heiligkeit aller Christen (Fernando Inciarte, “Christentum für die Masse”, S. 81-89, ein bislang unveröffentlichter Beitrag aus dem Jahre 1980), die besondere Beziehung zu Papst und Kirche, die der Heilige gelebt und den Seinen als Erbe mit auf den Weg gegeben hat (Joachim Kardinal Degenhardt, “Josemaría Escrivás Liebe zu Kirche und Papst”, S. 91-104) sowie die weitherzige und offene Art, mit der der Gründer des Opus Dei Nicht-Katholiken und Nicht-Christen gegenübertrat (Bischof Karl Braun, “Der Ökumenismus bei Josemaría Escrivá”, S. 105-121), ein Beitrag, der eine Reihe von Aussagen Escrivás zusammenstellt, die nicht nur seinen Einklang mit den entsprechenden Passagen des II. Vatikanischen Konzils zeigen, sondern darüber hinaus deutlich machen, wie er manches bereits etliche Jahre vor dem Konzil persönlich vorgelebt und in Wort und Schrift gelehrt hat. Stephan Puhl (“Zur Spiritualität der Arbeit”, S. 123-138) weist auf den soteriologischen Aspekt der Arbeit hin, wie ihn Josemaría Escrivá in seinen geistlichen Schriften bereits zu Beginn der 30er Jahre formulierte, ein grundlegender Gedanke, den man, so Puhl, dann erst wieder in Gaudium et Spes 67 ausgeführt findet und dem in der Folge in den Enzykliken Johannes Pauls II. (etwa Laborem exercens und Centesimus annus) sowie in mehreren Ansprachen des Papstes zu einer Theologie der Arbeit große Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Der zweite Teil des Bandes – “Berufen zur Heiligkeit” – versammelt eine Reihe von Beiträgen, die sich der Grundinspiration Escrivás widmen, daß alle Christgläubigen in gleicher Weise zur Fülle des christlichen Lebens berufen sind, und geht deren Anwendung auf einzelne Lebensbereiche nach. Elisabeth Reinhardt (“Wo Himmel und Erde sich vereinen”, S. 141-157) zeigt, ausgehend von einer programmatischen Predigt des Hl. Josemaría aus dem Jahre 1967, wie der “Ort” der Begegnung der scheinbaren Gegensätze Himmel/Erde Christus selbst ist und im Christen sodann das menschliche Herz, das christusförmig umgestaltet wird, so daß es in den anderen Christus sehen und für andere Christus sein kann. Bischof Reinhard Lettmann (“Ehe und Familie in der Verkündigung des seligen Josemaría Escrivá”, S. 159-170) unterstreicht, wie der Gründer des Opus Dei bereits früh und mit Nachdruck von der Ehe als einer echten christlichen Berufung im Vollsinn gesprochen hat, während Margit Harbort (“Marienfrömmigkeit im Leben Josemaría Escrivás”, S. 171-185) die Verehrung der Gottesmutter als einen roten Faden ausmacht, der das ganze Leben Escrivás durchzieht, beginnend mit der Kindheit, in der er eine selbstverständliche, tiefe marianische Frömmigkeit von seinen Eltern lernte, über die Studienjahre in Zaragoza hin zu den Jahrzehnten priesterlichen Dienstes mit der Gründung und Ausbreitung des Opus Dei in aller Welt, wobei zahlreiche Begebenheiten von seinem grenzenlosen Vertrauen in Maria Zeugnis ablegen, und dem letzten Moment seines Lebens, als er mit einem Blick auf ein Bild Unserer Lieben Frau von Guadelupe verstarb. Was er lebte, gab er in Verkündigung und persönlichem Rat weiter, so daß die marianischen Bezüge in allem Schriften konstant sind. Dem besonderen Charisma Escrivás im Umgang mit jungen Leuten widmen sich die beiden folgenden Beiträge von Bischof Klaus Küng (“Josemaría Escrivás Vertrauen in die Jugend”, S. 187-195) und Monika Born (“Die Pädagogik des seligen Josemaría Escrivá”, S. 197-208). Während Küng aus eigener Erfahrung und Anschauung davon berichten kann, wie es dem Hl. Josemaría gelang, junge Menschen dafür zu begeistern, Verantwortung in Kirche und Welt zu übernehmen, ermittelt Born aus den Schriften und mündlichen Äußerungen Escrivás die pädagogischen Zielperspektiven “Erziehung zu persönlicher Freiheit und Eigenverantwortung” und “Kindern helfen, heilig zu werden”. Ausführungen von Jutta Kahlen (“Schmerz und Leid in der Botschaft des seligen Josemaría Escrivá”, S. 209- 222) beschließen diesen Teil des Buches. Der Heilige hat oft voll Dankbarkeit daran erinnert, wie er in den Anfangsjahren seines priesterlichen Dienstes viel Zeit unter den Kranken und Sterbenden Madrids verbringen konnte. In den leidenden Menschen sah er die Dimension der Miterlösung in der christlichen Existenz verwirklicht, bzw. er half ihnen – wie etwa María Ignacia García Escobar, der ersten Frau, die Escrivá in das Opus Dei aufnahm –, im tapfer ertragenen Schmerz und im Tod Christus gleichförmig zu werden. Diese pastorale Erfahrung und ihre theologische Reflexion sollte auf die apostolische Aktivität und die Verkündigung des Heiligen einen nachhaltigen Einfluß nehmen.

Der dritte Teil des Werkes ist dem Themenkreis “Die Welt als Abenteuer und Aufgabe” gewidmet.

Martin Rhonheimer (“Der selige Josemaría und die Liebe zur Welt”, S. 225- 252) legt dabei die Grundlagen mit einem Beitrag, der sorgfältig die bereits oben erwähnte Homilie “Die Welt leidenschaftlich lieben” aus dem Jahr 1967 analysiert, und verdeutlicht, wie es Escrivá gelingt, in Bejahung der Güte von Gottes Schöpfung einen Weg der Erneuerung und christlichen Umgestaltung der irdischen Wirklichkeiten zu zeigen, in Treue gegenüber christlichem Vollkommenheitsideal und aszetisch- mystischer Tradition, womit sich ein ungeahnter Horizont für die Versöhnung von christlicher Überlieferung und moderner Welt eröffnet.

Vom Politikbegriff und vom politischen Wirken der Mitglieder des Opus Dei handelt der Beitrag von Wolfgang Ockenfels (“Glaube, Moral und Politik bei Josemaría Escrivá”, S. 253-267). Er erinnert an die beiden Auffassungen von Politik, die man bei Escrivá antrifft, Politik im Sinne von “sich für den Frieden, die soziale Gerechtigkeit und die Freiheit aller einsetzen und arbeiten” einerseits und “die konkrete Lösung eines bestimmten Problems neben anderen möglichen und rechtmäßigen Lösungen und in Konkurrenz zu denjenigen, die das Gegenteil vertreten” andererseits. Escrivá war sensibel für die Nöte der Gesellschaft in diesem ersten Sinne und ermunterte die Laien, die sich seiner geistlichen Führung anvertrauten, in Ausübung ihrer persönlicher Freiheit im zweiten Bereich Initiativen zu entfalten. Er selbst legte sich in diesem weiten Gebiet Schweigen auf und wies Personen mit Leitungsaufgaben im Opus Dei und Priester an, es im gleich zu tun, um auf diese Weise die “rechtmäßige Autonomie der Kultursachbereiche” (Gaudium et Spes 76) zu respektieren. Die Beiträge von Manfred Spieker (“Josemaría Escrivá und die Soziale Frage”, S. 269-287) und Kurt Malangré (“Katholiken und Politik bei Josemaría Escrivá”, S. 289-309) führen diese Gedanken noch weiter aus.

Die Ausführungen von Bischof Kurt Koch (“Kontemplativ mitten in der Welt. Die Entdeckung des Taufpriestertums beim Seligen Josemaría Escrivá”, S. 311-327) arbeiten einen wichtigen Gesichtspunkt der Botschaft des Gründers des Opus Dei heraus. Escrivá trat bereits Jahrzehnte vor dem II. Vatikanum leidenschaftlich für den Gedanken der allgemeinen Berufung aller Getauften zur Heiligkeit, zur Fülle des christlichen Lebens ein. Die so in der Taufe geweihten Christen haben eine “priesterliche Seele” – Koch gebraucht den Begriff vom “Taufpriestertum”, den er wegen der Grundlegung durch die Taufe dem des “gemeinsamen Priestertums” der Gläubigen vorzieht –, sie haben aber auch “laikale Mentalität”. Dieses Begriffspaar dient Koch dazu, die für den Heiligen Josemaría charakteristische Unterscheidung und harmonische Bezogenheit von Taufpriestertum und Amtspriestertum herauszuarbeiten, worin er einen wichtigen Beitrag des Heiligen für die Kirche unserer Tage sieht.

Heidi Burkhart (“Die priesterliche Arbeit des seligen Josemaría unter Kranken und Armen”, S. 329-340) stellt eine Reihe von sozialen Initiativen vor, die Mitglieder des Opus Dei unter der Inspiration von Leben und Lehre des Gründers in der ganzen Welt betreiben. Johanna Gräfin von Westphalen widmet ihren kurzen Beitrag (“Apostolische Impulse des seligen Josemaría”, S. 341-346) der außerordentlichen missionarischen Dynamik, die vom Gründer des Opus Dei ausging und viele mitgerissen hat. Am Ende dieses Abschnittes des Bandes stehen die Ausführungen von Nikolaus Lobkowicz (“Kultur – Christentum – Pluralismus: die Mobilisierung der Laien”, S. 347-363). Hier kommt Escrivá als Förderer von Kunst und Kultur in den Blick, auf der allgemeinen Ebene der auch schon zuvor geschilderten Weltbejahung, die sich aber auch in konkreten, persönlichen Initiativen artikulierte, wie sie in zahlreichen Äußerungen, Begebenheiten und Anekdoten anschaulich vorgeführt werden.

Der letzte Teil schließlich – “Zeugnisse” – zeigt anhand lebendiger Beispiele auf, in welchem Maße es Josemaría Escrivá gegeben war, sich bei allem Engagement in den großen Zusammenhängen für die Kirche und das Opus Dei gleichzeitig mit einer außerordentlichen Intensität dem Einzelnen zu widmen. Dabei können César Ortiz (“Priesterliche Seele und Ganzhingabe im Leben des seligen Josemaría”, S. 381-388) und Marlies Kücking (“Ein Mann des Glaubens”, S. 389-394) auf lange Jahre der gemeinsamen Arbeit mit dem Gründer in der Leitung des Opus Dei in Spanien und Rom zurückblicken; Alfons Par (“Begegnungen mit Josemaría Escrivá”, S. 367-379), Fernando Inciarte (der hier mit einem zweiten Beitrag zu Wort kommt: “Die Bedeutung der Freiheit für den seligen Josemaría Escrivá”, S. 419-432) und Ana M. Quintana (“Den Kopf im Himmel und die Füße fest auf der Erde”, S. 407- 410) gehören zu den ersten, die seinerzeit im Auftrag Escrivás nach Deutschland gingen, um die Arbeit des Werkes zu beginnen, Peter Blank (“Die Pupillen des Herzens”, pp. 395-406) dagegen zur ersten Generation der Berufungen zum Opus Dei in Deutschland, ähnlich wie Gertrud Lutterbach (“Jahre in Rom”, S. 411-417). Peter Berglar schließlich hat Escrivá zeitlebens nicht kennengelernt, kann aber in eindringlicher Weise darlegen, wie es über die geistlichen Söhne des Hl. Josemaría und dessen Schriften zu einer fruchtbaren und für ihn lebensentscheidenden “Begegnung” gekommen ist (“Meine Begegnung mit Josemaría Escrivá”, S. 432-447). In ähnlicher Weise berichtet Michael König (“Wie ein Theaterstück Gottes”, S. 449-453), wie ihm Lektüre und Meditation von Texten des Heiligen neue Horizonte für sein Leben eröffnet haben.

Wegen der Vielzahl der angeschnittenen Themen, der interessanten theologischen Perspektiven, die durch etliche der Beiträge eröffnet werden und die mitunter bewegenden Zeugnisse vermittelt der Band einen gut fundierten Zugang zur Kenntnis eines großen Heiligen unserer Tage und seiner Botschaft und sollte eine breite Rezeption erfahren.